Luxus-Wohnungen Immobilienboom treibt den Zechenumbau an

Der aktuelle Immobilienboom macht ehemalige Industrie-Anlagen zu beliebten Wohnobjekten. Im Ruhrgebiet wurden bereits riesige Zechen-Flächen verjubelt. Trotz happiger Preise gibt es unzählige Interessenten.

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Das Geschäft mit dem Wohnraumbau auf Zechengeländen „läuft und läuft“, sagt Hans-Peter Noll, RAG Montan-Chef. Die Universität Dortmund warnt bereits vor einer kleinen Immobilienblase. Quelle: dpa

Essen/Kamp-Lintfort Auf meterdicken Betonfundamenten ruhen am Bergwerk West in Kamp-Lintfort am Niederrhein die riesigen Elektromotoren für den Transport des Förderkorbs. Das Ensemble im Maschinenhaus der 2012 geschlossenen Zeche sorgt regelmäßig für Verzückung bei Architekten und Häuslebauern. „Hier kommen Loft-Wohnungen rein. Die Interessenten rennen uns die Bude ein“, sagt Ex-Bergmann Peter Wylenzek, der heute für die Stadt Kamp-Lintfort Besucher durch die Anlage führt.

Der bundesweite Immobilienboom hilft dem Steinkohlekonzern RAG, seine gewaltigen Flächenbestände aus Altzechen auf den Markt zu bringen. Bis zu 315 Euro pro Quadratmeter plus Nebenkosten verlangt die Konzerntochter RAG Montan Immobilien inzwischen etwa für erschlossenen Grund am einstigen Zechengelände Niederberg in Neukirchen-Vluyn – nicht gerade wenig für früheres Industriegelände in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrgebiets auf der grünen Wiese.

Aber die Kosten sind mit Ballungsraumpreisen von teils deutlich über 1.000 Euro pro Quadratmeter Grund in Köln oder Düsseldorf natürlich nicht zu vergleichen. Und die oft denkmalgeschützten Zechen-Gebäude und Fördertürme, die auf Dauer stehen bleiben, geben den Neubausiedlungen besonderes Flair. 78 Grundstücke wurden 2014/15 in Neukirchen-Vluyn in kurzer Zeit verkauft, inzwischen stehen dort längst die Häuser, ein Kindergarten wurde gebaut und aktuell vermarktet die Konzerntochter das letzte Baufeld an Interessenten.

Immobilienfachleute wie Oliver Arentz vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln warnen zwar, dass der Bauboom sich abschwächen dürfte, sobald die Zinsen wieder steigen, und Anschlussfinanzierungen teurer werden. „Dann könnte mancher, der Immobilien in nicht erstklassiger Lage später verkaufen will, eine Überraschung erleben.“

Doch noch scheint der Hype unaufhaltsam. Für die letzten 64 Hausgrundstücke in Neukirchen-Vluyn hätten sich 150 Interessenten beworben, schwärmt RAG Montan-Chef Hans-Peter Noll. „Das Hausgrundstücksgeschäft läuft und läuft – es gibt einfach noch großen Mangel an solchen Flächen.“


Fläche von 13.000 Fußballfeldern verkauft

Für das Immobilienunternehmen der RAG, die bundesweit nur noch zwei Steinkohlezechen betreibt, ist das Geschäft mit Häuslebauern zentral: Dort werden beim Verkauf von Zechengrund die Gewinne erwirtschaftet, die beim Verkauf an Gewerbekunden häufig fehlen. So bringen Gewerbegrundstücke etwa für Logistikunternehmen oft nur zwischen 50 bis 80 Euro pro Quadratmeter – „weniger als ein Quadratmeter guter Teppichboden“, klagt Noll. „Da wird die Luft für eine solide Entwicklung der Fläche sehr dünn.“

Über 100 stillgelegte Zechen mit mehr als 9.000 Hektar Gelände hat die Immobiliengesellschaft seit den späten 1970er Jahren saniert und entwickelt – so viel Fläche wie 13.000 Fußballfelder. Vor allem die Bodensanierung an ehemaligen Kokereien auf den Zechen erfordere dabei vielfach einen zweistelligen Millionenaufwand, sagt Noll. Das Management bleibe eine Riesenaufgabe über Jahrzehnte, auch wenn die aktive Steinkohle-Förderung Ende 2018 in Deutschland endet. Rund 1.300 Gebäude und Anlagen verwaltet die Gesellschaft aktuell.

15 oder sogar 20 Jahre kann es dauern, bis aus einer verlassenen Zeche ein Wohn- und Gewerbegebiet geworden ist. Über solch langen Zeiträume trotz wechselnder politischer Mehrheiten die Anliegerkommunen bei der Stange zu halten, sei das Schwierigste, sagt Noll. So musste er etwa an der einstigen 6.300-Kumpel-Zeche Dortmund-Gneisenau 12 Jahre auf Baurecht für eine Erschließungsstraße warten – erst dann nahm der Umbau Fahrt auf.

Manchmal helfen auch glückliche Zufälle: Dass an der riesigen Dortmunder Halde Ellinghausen – einst Standort der nationalen Kokskohlenreserve – das zentrale europäische Möbellager von Ikea mit 1300 Beschäftigten entstand, ist wohl auch das Ergebnis eines informellen Kontakts am Gartenzaun: Ein Lagerleiter bei Ikea fragte dabei seinen Nachbarn, der im Dortmunder Planungsamt arbeitete, nach einer großen Gewerbefläche. Heraus kam einer der größten Ansiedlungserfolge der RAG-Tochter.

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