Nach Terroranschlägen Downtown New York lebt

13 Jahre sind die Anschläge auf das World Trade Center her. Seitdem wurde der Platz wegen Machtspielen nur sehr schleppend aufgebaut. So langsam nimmt er aber Form an – und auch die Preise schießen wieder in die Höhe.

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Die Lower Manhattan Skyline, 13 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September. Nach langen Verzögerungen nimmt Downtown wieder Formen an. Quelle: ap

New York Anthony Gardner hatte sich geschworen, nie wieder höhere Stockwerke von Wolkenkratzern zu betreten. Doch bei einer Tour des neuen “Freedom Tower” mit der Adresse 1 World Trade Center bot der Führer den Teilnehmern an, ihnen das 83. Stockwerk zu zeigen. In diesem Stockwerk war 13 Jahre zuvor sein Bruder, Harvey Gardner III, umgekommen, als das erste Flugzeug den Nordturm des World Trade Center traf.

„Ich habe das als Zeichen angesehen, dass ich dort hinauf soll, und ich bin froh, dass ich es getan habe“, sagt der 38- jährige Gardner, der nach den Anschlägen seinen PR-Job an den Nagel hängte, um sich um die Familien der Opfer zu kümmern.

Die Kombination einer Gedenkstätte mit Einkaufsmöglichkeiten auf dem Areal des World Trade Center bringt „sehr beeindruckende Erfahrungen für Besucher und trägt gleichzeitig zur wirtschaftlichen Wiederbelegung von Lower Manhattan bei“, sagt Gardner, der mittlerweile Executive Director des New Jersey State Museum in Trenton ist. „Man sieht heute wirklich, wie alles Form annimmt.“

Im nächsten Jahr soll ein Großteil der Bauarbeiten auf dem 6,5 Hektar großen Areal abgeschlossen sein, nachdem es zu Verzögerungen, Rechtsstreitigkeiten und Machtspielen unter den Beteiligten - Politikern, Anwohnern, Architekten, Fürsprechern wie Gardner und Überlebenden - gekommen war. Nachdem sich die Arbeiten nun ihrem Ende nähern, wird deutlich, wie dieser Teil Manhattans zu neuer Blüte geführt werden soll.

Immer mehr der Büros werden vermietet, wobei Medien- und Technologiekonzerne zu den Finanzfirmen hinzustoßen, die traditionell hier angesiedelt waren. Auch die Zahl der Bewohner schnellt hoch. Nachdem die 9/11-Gedenkstätte und das Museum eröffnet sind, zwei Bürotürme stehen und ein öffentlicher Verkehrsknotenpunkt und ein Handelszentrum Ende nächsten Jahres fertig sein sollen, können die Menschen endlich in der Vision einer neuen Downtown leben und arbeiten, die vor mehr als einem Jahrzehnt geschaffen worden war.

Das Areal steht kurz davor, „der erste moderne Handelsdistrikt, der in New York seit einer Generation entstanden ist“, zu werden, sagt Tom Wright, Executive Director der Regional Plan Association, die sich für fortschrittliche Stadtplanung einsetzt. „Das wird wirklich beeindruckend.“


Das höchste Gebäude der westlichen Welt

Die Büromieten, die in Lower Manhattan mittlerweile aufgerufen werden, sind seit ihrem Tief 2010 um fast 30 Prozent hochgeschnellt. Die Leerstandsquoten sind gesunken, nachdem Unternehmen wie Time und Bank of New York Mellon Mietverträge unterzeichnet haben.

Die Einwohnerzahl hat sich im Jahrzehnt bis Ende 2013 mehr als verdoppelt, sagt die Alliance for Downtown New York. Bis 2017 sollen weitere 2200 Apartments hinzukommen, da Entwickler wie Larry Silverstein, Stephen Witkoff und Michael Shvo Hochhäuser mit Luxuswohnungen planen. Die Investitionen in das Areal belaufen sich in den letzten zehn Jahren auf 30 Mrd. Dollar, schätzt die Downtown-Allianz, die sich für den Stadtteil einsetzt.

Zwei Wolkenkratzer sind im Großen und Ganzen fertig, auch wenn mehr als ein Drittel ihrer Gesamt-Bürofläche noch nicht vermietet ist. Der 541 Meter hohe Freedom Tower, der 3,95 Milliarden Dollar gekostet hat, soll vor Jahresende seine Türen öffnen. Er ist das höchste Gebäude der westlichen Hemisphäre.

Hauptmieter ist der Zeitschriftenverleger Conde Nast Publications, der sich mehr als ein Drittel der 279.000 Quadratmeter Bürofläche gesichert hat. Er verlagert bereits einen Teil seiner Ausstattung in den Turm, sagt Eric Engelhardt, der Leasing-Chef des Gebäudes für die Durst Organization. Durst ist Partner der Port Authority of New York and New Jersey, dem Eigentümer des Areals.

Bereits im vergangenen Jahr wurde 4 World Trade Center eröffnet und soll das Hauptquartier der Port Authority, der gemeinsamen Hafenbehörde der US-Bundesstaaten New York und New Jersey beherbergen. Die Personalverwaltung New Yorks will Anfang 2015 ebenfalls in das Gebäude einziehen. Silverstein, der die Zwillingstürme nur sechs Wochen vor ihrer Zerstörung für 99 Jahre geleast hatte, besitzt die Entwicklungsrechte für das Gebäude und zwei weitere, die auf dem Areal geplant sind.

Entstehen sollen zudem ein Fahrzeug-Sicherheits-Zentrum und ein unterirdischer Lieferzugang zu den Bürotürmen. Noch in diesem Jahr soll etwas östlich davon ein Knotenpunkt für elf U-Bahn-Linien fertiggestellt sein. Ein von Santiago Calatrava entworfener Bahnhof für stattliche 3,75 Milliarden Dollar soll dann das New Yorker Nahverkehrssystem mit dem von New Jersey verbinden.


„Wir haben uns gewünscht, schneller fertig zu werden“

An diesen Punkt zu gelangen, war nicht einfach. Zu den wichtigsten Gründen für Verzögerungen zählte, dass 2005 eine Umgestaltung von 1 World Trade Center angeordnet wurde, nachdem eine Polizei-Prüfung ergeben hatte, dass das Gebäude nicht ausreichend gegen eine Autobombe gesichert sei. Silverstein und Versicherungen lieferten sich sechs Jahre lang heftige Gefechte vor Gericht, bevor sie 2007 endlich eine Einigung erzielten. Zudem wurde die Finanzierung der Arbeiten durch 2008 und 2009 durch die Kreditkrise belastet. Der Bau des Museums wurde durch Streitereien über die Kosten hinausgezögert.

„Natürlich hätten wir uns alle gewünscht, viel schneller fertig zu werden“, erklärte Silverstein am Dienstag gegenüber Journalisten beim 4 World Trade Center. „Aber das schmälert nicht den Stolz, den wir alle fühlen sollten.“

Gardner, der auf eine der ganz gebliebenen Streben des einstigen World Trade Center eine Nachricht an seinen Bruder geschrieben hat, sagt, dass er sich mittlerweile endlich wohl fühlt bei dem Gedanken, dass das Areal nun sowohl zum Gedenken als auch als Handelszentrum dienen soll. Er hatte die Kampagne gestartet, dass die Standorte der ursprünglichen Zwillingstürme zum Gedenken bewahrt werden sollten - und bekam seinen Willen. Jetzt markieren Wasserspiele die Stellen, an denen die Türme einst mehr als 400 Meter in die Höhe ragten.

Der neue Büroturm 1 World Trade Center ist selbst von Gardners Wohnort im 32 Kilometer entfernten Verona, in New Jersey zu sehen. „Es ist ein Trost für mich, ihn dort zu sehen“, sagt er.

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