Preise steigen, Zahl der Mahner auch Immobilienmarkt steht weiter Kopf

Gefährlicher Boom am Häusermarkt? Quelle: dpa

Die Gutachterausschüsse für Immobilien konstatieren weiter steigende Preise in den Großstädten, erkennt aber keine spekulativen Käufe. Doch mancher Investor steigt aus: „Irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht“.

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Thomas Meyer kann dem Treiben am deutschen Wohnimmobilienmarkt nicht tatenlos zusehen. Der Fondsmanager von Wertgrund Immobilien ist per Beruf zum Handeln gezwungen. In manchen Städten entschied er sich zuletzt für den Verkauf. Für den offenen Publikumsfonds WohnSelect D hat er sich von etwa 35 Prozent des Bestands getrennt. „Wir nutzen die aktuell sehr günstige Marktsituation für Verkäufe“, erklärt Meyer.

Eine günstige Situation für den Manager tritt dann ein, wenn die Preise sehr hoch sind. Und das ist schon lange der Fall: In den vergangenen Jahren stiegen die Preise für Häuser, Wohnungen und Büros stetig. Seit Monaten warnt die Bundesbank sogar vor überhitzten Märkten in den Großstädten, stößt damit in der Branche aber auf taube Ohren. Doch die Anzeichen, dass ein Preisplateau erreicht wird, mehren sich.

Dabei zeichnet der am Dienstag vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vorgestellte Immobilienmarktbericht bislang noch ein anderes Bild. Der Bericht umfasst Daten der Gutachterausschüsse, welche die Transaktionen am Immobilienmarkt auswerten. Für 2016 stellen sie einen klaren Aufwärtstrend fest: Im Vergleich zu 2014 haben Käufer von Immobilien 20 Prozent mehr für das Betongold ausgegeben, während die Zahl der Verkäufe zuletzt weitgehend stagnierte.

Für Anja Diers, Vorsitzende des Arbeitskreises der Oberen Gutachterausschüsse, ist der Fall klar: „Die Umsätze stiegen insbesondere in urbanen Regionen. Ein Ende des Preisanstiegs oder gar eine Trendumkehr ist derzeit bundesweit nicht erkennbar.“

Berlin verzeichnet stärksten Umsatzanstieg

Das BBSR, das die Statistiken nach Bundesländern und nicht nach Städten ausgibt, erkennt in Berlin seit 2009 den stärksten Anstieg beim Geldumsatz je Verkauf. Im Schnitt sei dieser jährlich um 14 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen bleibt aber München die Hauptstadt der hohen Häuserpreise: Während eine neue Eigentumswohnung in Berlin 3.570 Euro je Quadratmeter kostet, war sie in München 2016 mit 7.500 Euro mehr als doppelt so teuer.

Wo in Europa am meisten neugebaut wird
Wohnungsbau in Europa Quelle: dpa
Platz 10: Deutschland Quelle: REUTERS
Platz 9: Niederlande Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 8: Belgien Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 7: Polen Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 6: Schweden Quelle: dpa
Platz 5: Frankreich Quelle: dpa

Der Handel mit Wohnimmobilien ist der mit Abstand bedeutendste am deutschen Gebäudemarkt. Von den 237,5 Milliarden Euro, die insgesamt am Immobilienmarkt investiert wurden, entfallen zwei Drittel, also 155,7 Milliarden Euro, auf dieses Segment.

Der Befund dürfte die Immobilienwirtschaft freuen. Die Bundesbank mahnt dagegen seit Monaten, dass die Ampel am Immobilienmarkt auf „gelb“ stehe. Das bedeutet, dass die Preise nicht endlos wachsen werden. In Metropolen wie Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München oder Stuttgart betrügen die Übertreibungen bis zu 30 Prozent im Jahr 2016, erklärte die Bundesbank Ende November in ihrem jüngsten Stabilitätsbericht.

Keine Anzeichen für Spekulationskäufe

Überhitzungen? Spekulation? Die Gutachterausschüsse erkennen sowohl für Immobilien als Ganzes, Eigenheime und Bauplätze im Speziellen aber keine Anzeichen für „spekulativ veranlasste Käufe“. Ihnen macht auch die hohe Eigennutzerquote Mut. Bei den Käufen von Eigenheimen und Eigentumswohnungen liege diese bei 75 Prozent.

Ein ruckartiger Preiseinbruch sei bei der aktuellen Wirtschaftslage in Deutschland und dem anhaltenden Zuzug in die Städte nicht zu befürchten, betonen Branchenvertreter immer wieder. Dazu bräuchte es schon einen gehörigen Schock. Vorerst bleibe das hohe Interesse sowohl von den Zuzüglern in die Städte als auch von Investoren bestehen.

Doch auch in der Branche mehrt sich die Zahl der Mahner. So registrierte etwa der Hypothekenkreditvermittler Dr. Klein jüngst eine abnehmende Geschwindigkeit bei den Preissteigerungen in süddeutschen Städten. In Stuttgart hätten sich die Immobilienpreise im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr zwar um satte 14 Prozent verteuert. Zuletzt hätte sich das Tempo aber verlangsamt.

Deutschlands Städte mit glänzender Zukunft
Immer mehr Menschen leben in Münster Quelle: dpa
Nürnberg wird auch gerne von Touristen besucht Quelle: dpa
Auf Platz 10 befindet sich Düsseldorf Quelle: dpa
Stuttgart punktet vor allem beim Standortfaktor Quelle: dpa
Bei Bildung, Innovationsfähigkeit und Erreichbarkeit kann Hamburg punkten Quelle: dpa
Wiesbaden lockt Unternehmen Quelle: dpa
Köln wird ein hohes Bevölkerungswachstum vorausgesagt Quelle: dpa

Zwischen Juli und Oktober stiegen die Preise um weniger als zwei Prozent und damit langsamer als im Vorquartal. Immer mehr Immobilienkäufer und Bauherren sehen nicht mehr ein, jeden Preis zu bezahlen, glaubt Roland Lenz, Niederlassungsleiter von Dr. Klein in Stuttgart. „Irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht, selbst wenn eine Finanzierung immer noch möglich wäre. Viele gucken sich daher im Umland um und kaufen oder bauen dort.“

Preisplateau möglicherweise in Sicht

Wertgrund-Chef Meyer sieht auch anderswo abflachende Kurven. „Es lässt sich beobachten, wie in einigen Städten ein Preisplateau angesteuert oder bereits erreicht wurde und der Nachfrageüberhang auf den deutschen Wohnimmobilienmärkten zurzeit eher größer als kleiner wird“, sagt Meyer. Das hat ihn zum Handeln überzeugt. Insgesamt 1141 Wohneinheiten in den drei Regionen Rheinland, Leipzig und Ingolstadt hat er für rund 185 Millionen Euro verkauft.

In Leipzig sei ihm der Aufschwung einfach zu schnell gegangen. Hat er vor sieben Jahren Häuser noch zum 13-fachen der Jahresmiete gekauft, seien heute Preise vom 27-fachen an der Tagesordnung. Das gebe es sonst nur in Berlin oder München. Ähnlich hohe Faktoren beobachtet er in Ingolstadt – und steigt aus.

Die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit? Die Frage könne niemand beantworten, sagt Meyer. „Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht. Ich glaube aber, dass jetzt zumindest eine gute Zeit gekommen ist, um auch einmal Gewinne mitzunehmen.“

In diesen zehn Städten lohnt sich der Kauf
Ludwigshafen Quelle: Fotolia
Leipzig Quelle: dpa
Hamburg Quelle: Fotolia
Duisburg Quelle: Fotolia
Osnabrück Quelle: Fotolia
Wuppertal Quelle: dpa
Gelsenkirchen Quelle: Fotolia

Es ist nicht auszuschließen, dass die Preise auch im kommenden Jahr weiter steigen. Denn obwohl die Baugenehmigungen im vergangenen Jahr auf einen Rekord von 375.000 Wohnungen gestiegen sind und damit nur knapp unter Expertenempfehlungen von 380.000 jährlich zu bauenden Wohnungen liegen, gebe es zwei gegenläufige Trends zu bedenken, bemerkt das BBSR.

Erstens seien die Baugenehmigungen in diesem Jahr bereits wieder rückläufig und zweitens sind Baugenehmigungen nicht gleich Fertigstellungen. In diesem Jahr werde die Zahl der Fertigstellungen laut BBSR zwar voraussichtlich auf 300.000 steigen. Doch trotz des Aufwärtstrend bleibt die Zahl weiter hinter den Empfehlungen zurück.


Entscheidende ist die Bereitstellung von Bauland

In den Großstäten ist die Lage besonders brenzlig. In Metropolen wie Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und München liege die Leerstandquote inzwischen unter einem Prozent, konstatiert das BBSR. Bei den kreisfreien Großstädten sieht es nur wenig besser aus: Hier sind die Leerstandquoten von vier Prozent im Jahr 2011 auf zwei Prozent im Jahr 2015 gefallen.

„Wir brauchen vor allem in den Groß- und Universitätsstädten dringend mehr bezahlbare Wohnungen“, erklärt BBSR-Wohnungsmarktexperte Matthias Waltersbacher. „Steigende Grundstückspreise treiben die Kosten für den Wohnungsbau weiter an. Entscheidend ist die Mobilisierung von Bauland. Die Folge eines Wartens auf weiter steigende Preise ist, dass wir in den Großstädten zu wenige und in der Regel sehr teure Grundstücke für den Wohnungsbau haben.“

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Gerade in den Großstädten ließe sich der Bedarf am schnellsten durch neue Wohnungen in Mehrfamilienhäusern decken. Doch hier stagniere der Umsatz bei rund 21 Milliarden Euro auf gleichem Niveau wie 2014.

Der anhaltend große Zuzug, zu wenig Baufertigstellungen sowie knappes und teures Bauland lassen den Gutachterausschüssen wenig Interpretationsspielraum: Sie sehen weiter steigende Preise.

In diesem Umfeld muss auch Fondsmanager Meyer zurechtkommen. Für seine Spezialfonds, die bei institutionellen Anlegern gefragt sind, wird er auch weiter Häuser kaufen. So kann er in Projektentwicklungen investieren.
Für seinen Publikumsfonds aber hält er sich zurück. Ein erneuter „Cash-Call“, bei dem er Anleger um Geld für einen Ankauf bittet, sei „mit Blick auf die aktuelle Marktlage nicht vorgesehen“. Das würde die Rendite verwässern.

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