Sanierungzwang Der Dämm-Schock

Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß von Wohnhäusern bis 2050 um 80 Prozent drücken. Dafür sollen die Eigentümer schon jetzt teuer sanieren. Was die grüne Sparwelle Vermieter und Mieter kostet.

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Isolierung einer Hausfassade: Die Regierung will Immobilienbesitzer zur Wärmedämmung verpflichten Quelle: fotolia.de

Es staubt als sich die Säge in den Sandstein frisst. Die historischen Fenstereinfassungen des Zehn-Parteien-Hauses im Frankfurter Nordend ragen einige Zentimeter über die Fassade hinaus. Hausverwalter Erich Arold, 74, lässt sie absägen, um eine ebene Fläche für Dämmplatten zu schaffen: „Natürlich haben sich die Nachbarn über den Lärm und den Staub beschwert, aber Ende November ist damit Schluss.“ Dann wird die Rückseite des um 1900 errichteten Wohnhauses um 18 Zentimeter Dämmschicht gewachsen sein. Das Budget der Eigentümer, darunter auch Architekt Arold, wird dagegen um 80 000 Euro Sanierungskosten geschrumpft sein. Die Vorderseite des Hauses lässt Arold unberührt: „Wegen der historischen Fassade hätten wir nur innen dämmen können, dafür hätten aber alle Eigentümer zustimmen müssen.“ Arold gehören lediglich sechs der zehn Wohnungen. Zudem glaubt er, dass wegen der Südwest-Lage die Vorderseite über das Mauerwerk genügend Sonnenwärme speichern kann. Hauseigentümer Arold hat sich für eine kostengünstige Lösung und dagegen entschieden, das Haus komplett zu dämmen.

Die Einwände der Verbände sind nicht die übliche Lobbyarbeit

Ginge es nach dem Willen der Bundesregierung, müsste der Frankfurter Architekt eigentlich mehr tun. Schließlich will die schwarz-gelbe Koalition den CO2-Ausstoß der 18 Millionen Immobilien in Deutschland bis 2050 um 80 Prozent drücken. So steht es im neuen Energiekonzept. Das in Wahrheit kein Konzept ist, sondern ein Wirrwarr aus Sanierungsvorschriften und Mietrechtsreform. Deshalb müssen nicht nur Immobilieneigner, sondern auch Menschen zittern, die es sich in fremden vier Wänden gemütlich eingerichtet haben.

Um wie viel die Miete künftig teurer wird, wie hoch Sanierungskosten ausfallen, hängt vom Objekt, vom Willen und Zwang zur Sanierung und von Umlage- und Einsparmöglichkeiten ab. Was sich dabei für Immobilienbesitzer rechnet und was nicht, welche Dämmung vernünftig ist und was auf die 24 Millionen Mieterhaushalte hierzulande zukommen wird, lässt sich jedoch schon heute greifen.

24 Millionen Haushalten droht Mieterhöhung

Eines ist klar: Immobilienbesitzer werden zunächst viel Geld in die Hand nehmen müssen; Experten rechnen mit 70.000 Euro Kosten für ein durchschnittliches Einfamilienhaus, 30.000 Euro an Aufwand wären für eine Eigentumswohnung anzusetzen. Und Mieter sollten mit höheren Monatsraten kalkulieren. „Alle müssen sich vernünftig beteiligen“, so Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Deshalb plant der Bund, die Umlage von Sanierungskosten auf Mieter deutlicher als bisher erlaubt auszuweiten.

750 Euro je Quadratmeter

Dabei geht es nicht um ein paar Euro hier, ein paar Euro da. Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) geht bei einer Sanierung inklusive Dämmung eines Mehrfamilienhauses mit 16 Wohneinheiten von Kosten in Höhe von 680 Euro je Quadratmeter Wohnfläche aus. Der Aufwand für Einfamilienhäuser liege mit 750 Euro je Quadratmeter noch höher. Eine Komplettmodernisierung des bundesweiten Gebäudebestandes erfordere Investitionen von etwa 2500 Milliarden Euro, wenn jährlich zwei Prozent des deutschen Immobilienstandes saniert würden, so die Kalkulation des BSI.

Grafik: Verteilung der Wohnfläche

Klar, die Vereinigung ist ein Lobbyverband der Immobilieneigentümer. Doch die hochfliegenden Klimaziele der Regierenden in Berlin verunsichern auch nicht organisierte Wohnungseigner – und solche, die es werden wollen.

Düsseldorf, die Friedrich-Lau-Straße im beliebten Stadtteil Golzheim. Ines und Peter Klausener* sind sich eigentlich einig. Die gerade besichtigte 130-Quadratmeter-Eigentumswohnung zum Kaufpreis inklusive aller Nebenkosten von 255 000 Euro soll es sein. Rund 70 000 Euro haben sie an eigenem Kapital – für Kauf und Renovierung. Ihre Bank hat einen Kredit schon bewilligt. 200 000 Euro über 20 Jahre zu einem Zins von 4,35 Prozent. Inklusive zwei Prozent Tilgung kostet das Darlehen 1045 Euro im Monat – gut 200 Euro mehr als ihre derzeitige monatliche Miete im Monat, aber man wolle „etwas bei Urlaub und Auto sparen, dann würde das schon passen“, so Ines Klausener.

Die Dämmdiskussion aber verunsichert das Mittdreißiger-Paar. Das Sechzigerjahre-Haus, in der die Wohnung liegt, ist seit mehr als 20 Jahren nicht mehr saniert worden, von oberflächlichen Verschönerungsarbeiten abgesehen. Die Dämmung der neuen Wohnung würde die Klauseners etwa 33 000 Euro kosten. Mangels Eigenkapital könnte das Paar dafür einen Förderkredit zu günstigen 2,9 Prozent aufnehmen. Um nach zehn Jahren das Darlehen abzutragen, müssten die beiden 319 Euro im Monat zusätzlich zahlen – „da müssten wir eigentlich schon aufs Auto verzichten“, bemängelt Peter Klausener. Zwar würden sich die Heizkosten für die Wohnung pro Monat von 130 Euro um die Hälfte reduzieren, doch wiegt diese Ersparnis den Mehraufwand für das Darlehen bei Weitem nicht auf. So sind die Einwände von Verbänden wie dem BSI nicht als die übliche aggressive Lobbyarbeit abgetan. Die Furcht vieler Hausbesitzer, auch ohne Dämmpflicht auf hohen Kosten für unrentable Investitionen sitzen zu bleiben, hat ihre Berechtigung.

300 bis 500 Euro pro Quadratmeter wären angefallen

Die ursprünglich von der Bundesregierung geplante Dämmpflicht hätte dramatische Folgen gehabt. Ein Großteil der Eigentümer der 40 Millionen Wohnungen in Deutschland hätte tief in die Tasche greifen müssen. Vor allem die Besitzer von Altbauten wären betroffen. Bei den 6,5 Millionen Eigenheimen, die bis 1959 gebaut wurden, ist nur jedes Zehnte gedämmt. Um sie energetisch auf den neuesten Stand zu bringen, müssten ihre Besitzer etwa 300 bis 500 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen. Bei 150 Quadratmeter Wohnfläche wären dies bis zu 75 000 Euro. Für viele Eigenheimbesitzer wäre dies nicht zu stemmen, vor allem, weil die meisten von ihnen noch ihre Hypotheken abzahlen müssen. Laufende Hypotheken, die mit nur einem Prozent Tilgung abgetragen werden, sind erst nach 35 bis 40 Jahren auf einem Schuldenstand von null.

Den Vermietern würde es mit einer allgemeinen Dämmpflicht nicht besser gehen. Nach einer Studie der Investitionsbank Berlin (IBB) könnten Eigentümer von Mietwohnungen in der Bundeshauptstadt ihre Ertragspläne in den Müll werfen. Die erzielbaren Renditen lägen dann im besten Fall bei 1,8 Prozent, im schlechtesten Fall würde sich das Geld um jährlich 2,7 Prozent mindern – selbst für die Positivrechnung streckt sich niemand. Die Krux an den schwarz-gelben Plänen: Wenn nur dort gedämmt wird, wo es wirtschaftlich ist, weil ohnehin saniert werden muss, dann lassen sich die Klimaziele der Bundesregierung nicht erreichen.

Zahlreiche Erfolgsfaktoren

Was am Ende tatsächlich wirtschaftlich ist, hängt von einer ganzen Reihe an Bedingungen ab: Die Energiepreise müssen steigen, die Handwerker müssen fachgerecht arbeiten, der jeweilige Wohnungsmarkt muss spürbare Mieterhöhungen zulassen, und die Energieeinsparung ist nach der Sanierung wenigstens so hoch wie vorher kalkuliert. Erfüllt sich eine Bedingung nicht, bricht die schöne Berechnung in sich zusammen. Insbesondere Vermieter bluten dann, bei Eigenheimern profitieren möglicherweise erst die  Erben, weil sich die Amortisation der Investitionen um Jahrzehnte hinzieht.

Lesen Sie weiter im zweiten Teil unter "Wann sich Wärmedämmung lohnt"

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