Wärmedämmung Deutschland im Dämmwahn

Politik und Wirtschaft tun alles, damit die Deutschen mehr in die energetische Sanierung investieren. Aber beim Einsparpotenzial kalkulieren die Verantwortlichen falsch. Warum Wärmedämmung häufig unwirtschaftlich ist.

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Wo es die schönsten Altbauten gibt
Alte GemäuerHistorische Gebäude sind bei den Deutschen beliebt. Wie sehr die Bundesbürger ihre Fachwerk- und Backsteinschätzchen lieben, zeigt jetzt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Immobilienunternehmens Pantera. Vor allem die Fassade hat es den Menschen (71 Prozent) angetan. Gerade Frauen zeigen sich begeistert von baulichen Besonderheiten wie den Stuck, einem Erker oder Sprossenfenstern. Quelle: dpa
InnenstadtoasenFür viele gehören historische Immobilien zum Stadtbild - 84 Prozent der Deutschen wünschen sich bei Innenstadt-Sanierungen die Restaurierung alter Gebäude statt Neubauten. 79 Prozent befürworten außerdem Steuervergünstigungen bei Modernisierungsarbeiten. Gerade in Städten wie Berlin gilt das Restaurieren von Altbauten als gute Investition. Lange Zeit stand das denkmalgeschützte Haus Cumberland (Bild) am Kurfürstendamm leer. Ende 2012 sollen die Sanierungen abgeschlossen und neue Mieter eingezogen sein. Quelle: dpa
Steuervorteil und MieterlustDie Investition in eine alte Immobilie kann sich durchaus lohnen. Die Umfrage zeigt, dass vier von zehn Deutschen grundsätzlich bereit sind, für das Wohnen im denkmalgeschützten Gebäude mehr Miete zu bezahlen. Das trifft besonders auf Bewohner von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern zu (47 Prozent). Beim Kauf einer historischen Immobilie würden immerhin 31 Prozent einen höheren Preis akzeptieren. Zusätzlich lockt der Staat mit Steuervorteilen bei der Sanierung von denkmalgeschützten Häuser. Vor allem in zentralen Lagen in der Stadt und bei Vermietung kann die Rechnung bei einem Kauf aufgehen. Nicht alles lassen die Interessenten den alten Objekten aber durchgehen. Einen schlechteren Energiesparstandard akzeptieren Bundesbürger auch in Altbauten nicht. 53 Prozent befürworten allerdings staatlichen Hilfen wie günstige Kredite oder Zuschüsse, um energiesparende Investitionen umzusetzen. Quelle: dpa
Zentrale LageGerade in Großstädten - wie hier in Berlin - finden sich ganze Viertel mit Wohnhäusern aus der Gründerzeit. Doch nicht allen Städten gelingt es in den Augen der Bevölkerung gleichermaßen, die historische Bausubstanz zu erhalten. Quelle: dpa
RankingDie Allensbach-Umfrage zeigt, welche Städte sich für die Erhaltung der historischen Bausubstanz ins Zeug legen. Düsseldorf - hier ein Bild des modernen Medienhafens - gehört nicht dazu. Nur fünf Prozent der Befragte glauben, dass die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen gute Arbeit beim Erhalt historischer Bauten leistet. Im Vorjahr waren es noch sieben Prozent. Quelle: obs
StuttgartDas Stuttgarter Schloss erscheint dem Besucher im guten Zustand. Das gilt nicht für alle historischen Gebäude in der baden-württembergischen Hauptstadt, glauben die Deutschen. Nur acht Prozent beurteilen den Umgang mit denkmalgeschützten Immobilien als gelungen. Quelle: dpa
Main-MetropoleFrankfurt ist bekannt für seine Hochhäuser-Skyline. Die historischen Immobilien machen auf die Bundesbürger jedoch keinen guten Eindruck - nur neun Prozent glauben, dass sich die deutsche Bankenhauptstadt ausreichend für den Erhalt alter Häuser einsetzt. Quelle: dpa

Peter Ramsauer, seines Zeichens Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der christlich-sozialen Union zugehörig, hat im Angesicht von Vertretern der Bauwirtschaft oder Hauseigentümern ein Mantra: Die Gebäudesanierung sei zentraler Bestandteil der Energiewende. Gebäude verbrauchten 40 Prozent der gesamten Energie für Heizung und Warmwasser. Da bestehe erhebliches Einsparpotenzial. Das sagte Ramsauer jüngst bei der Eröffnung der weltgrößten Baumesse „BAU“ in München.

Nahezu identisch äußerte sich Ramsauer auch schon einen Monat zuvor, nachdem das Bundeskabinett beschlossen hatte, bis 2020 jährlich 300 Millionen Euro für staatliche Zuschüsse zur Förderung der energetischen Sanierung von Wohngebäuden bereitzustellen: Der Gebäudebestand weise noch erhebliche Potenziale zur Energie- und CO2-Einsparung auf. Knapp 40 Prozent der Energie…und so weiter.

Die spannendsten KfW-Programme

Die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel will die gesetzten CO2-Ziele zur Klimarettung unbedingt erreichen. Und Ramsauer ist ihr tapferer Standartenträger, der die frohe Botschaft ein ums andere Mal verkündet: Dämmen lohnt sich nicht nur für das Klima, sondern auch für die Hauseigentümer.

Dämmen lohnt sich auch für Ramsauers Verbündete im Sanierungsfeldzug: Bauhandwerk, Baustoffhersteller und -händler, Architekten, Energieberater, Heiztechnikanbieter, Gebäudetechniker, Banken und Bausparkassen – kurz, die gesamte Bauwirtschaft und mit ihr verwandte Wirtschaftszweige warten seit langem darauf, dass Deutschland vollends dem Dämmfieber verfällt – weil sie dann alle volle Auftragsbücher haben und neue Kunden gewinnen. Dabei brummt es schon gewaltig in der Branche: Nach Angaben des ifo-Instituts dürfte die Bauwirtschaft in diesem Jahr für ein Drittel des deutschen Wirtschaftswachstums sorgen.

Bauminister Ramsauer trommelt, um die allzu pessimistisch kalkulierenden deutschen Haussanierer zur Vernunft zu bringen: „Durch moderne Gebäudetechnik und fachgerechtes Sanieren können teilweise bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs eingespart werden.“ Vor allem bei den zwischen 1945 und 1978 gebauten Häusern gebe es da viel Spielraum.

80 Prozent? Welcher Hausbesitzer möchte nicht so viel Geld sparen. Wenn 80 Prozent der jährlichen Energieausgaben wegfallen, macht sich die Sanierungsmaßnahme am Gebäude schnell bezahlt. Aber realistisch ist die 80-Prozent-Ersparnis nicht. Selbst Ramsauer sprach in diesem Zusammenhang schon von einem Extremfall.

Jens Fehrenberg, Bauingenieur und Professor für Bauen und Erhalten an der Hochschule HAWK Hildesheim, ist da noch skeptischer. Er traut auch den vielen Angeboten von Handwerksbetrieben und Dämmstoffhersteller nicht, die durch eine Wärmedämmung Energieeinsparungen von 70 bis 75 Prozent versprechen. „Da wird suggeriert, der Hausbesitzer bräuchte nur seine Fassade zu dämmen. Um solche Einsparungen aber zu erzielen, ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen erforderlich: Außendämmung, Dachdämmung, Kellerdeckendämmung, neue Fenster, neue Heizanlage. Dann wird die Sanierung eines alten Gebäudes aber rasch unwirtschaftlich“, so Fehrenberg. Ganz ähnlich argumentiert auch Sigur Trommer, der Präsident der Bundesarchitektenkammer: „Eine Komplettsanierung kann schnell so viel kosten wie ein halber Neubau. Wir müssen schauen, dass wir nicht zu viel Geld rausschmeißen für ein Gebäude, das schon 50 Jahre auf dem Buckel hat“, sagte Trommer auf der BAU in München. Oft sei ein neuer Heizkessel und ein Neubau in 20 Jahren wirtschaftlich sinnvoller, als um jeden Preis bei den Energiekosten zu sparen.

Energieersparnis viel zu optimistisch

Die größten Stromfresser und wie man sie ausschaltet
Ab September müssen Staubsauger ein Energielabel tragen, so wie Waschmaschine und Kühlschrank auch. Die EU-Regelung soll es einfacher machen, energiesparende Geräte zu erkennen. Ab September dürfen die Geräte maximal 1600 Watt verbrauchen, bis 2017 soll diese Grenze auf 900 Watt herabgesetzt werden. Zusätzliche hinweise auf dem Label informieren den Kunden, für welchen Bodenbelag der Sauger geeignet ist. Wichtig ist für Experten allerdings nicht nur die Watt-Zahl, sondern auch die Saugleistung. Muss länger gesaugt werden, ist die Energieersparnis durch geringeren Stromverbrauch hinüber. Deshalb sei das Label kaum mit den Energieeffizienzklassen anderer Geräte zu vergleichen. Wenn Sie vorhaben, sich einen neuen Staubsauger anzuschaffen, achten Sie nicht nur auf den Stromverbrauch, sondern auch auf die Saugleistung. Diese wird durch die Art des Motors, Saugrohr und vorhandene Filter beeinflusst. Viele Händler bieten mittlerweile "Versuchsparcours" an, auf denen man die Staubsaugermodelle testen kann. Staubsauger, die bis Ende des Monats in den Handel kommen, werden das Label vorerst nicht bekommen und dürfen auch ohne dieses verkauft werden. Quelle: dpa
Für Filter-Kaffeemaschinen mit einer Isolierkanne soll der EU zufolge eine Wartezeit von fünf Minuten gelten. Bei Maschinen ohne Isolierbehälter ist eine Wartezeit von maximal 40 Minuten geplant. Die Hersteller können der Kommission zufolge aber entscheiden, ob sie es den Verbrauchern ermöglichen, die automatische Abschaltung der Warmhaltefunktion wieder abzustellen. „Die Einschränkungen für den Verbraucher sind sehr, sehr gering. Kaffee, der 40 Minuten in der Glaskanne steht, schmeckt ohnehin nicht mehr“, sagte Scholz. Vorteile für die Verbraucher seien Einsparungen beim Stromverbrauch und damit bei den Kosten. Der Bund der Energieverbraucher schätzt die Einsparungen auf etwa 60 Euro im Jahr, wenn täglich drei Kannen Kaffee gekocht und diese insgesamt acht Stunden warmgehalten werden. „Existierende Modelle, die automatisch abschalten, kosten kaum so viel wie der Warmhaltestrom eines Jahres“, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Aribert Peters der dpa. „Wir bekommen die Energiewende nicht hin, ohne Strom zu sparen.“ Quelle: dpa
Eine Umfrage von TNS Emnid für den Strom- und Gasanbieter E wie einfach hat ergeben, dass 30 Prozent der Bürger nicht wissen, wie viel Strom sie im Alltag tatsächlich verbrauchen. Vor allem ganz junge sowie ältere Menschen kennen ihren Verbrauch nicht. Um Strom zu sparen, geben 81 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Akkuladegeräte vom Netz trennen, den Gefrierschrank abtauen (72 Prozent), und auf Energiesparlampen umgestiegen sind (71 Prozent). Doch sind das wirklich die größten Stromfresser im Haushalt? Wer geben zehn Tipps, wo und wie Sie in Zukunft Strom im Haushalt sparen können. Quelle: dapd
Eco-Programme beim Spülen benutzenMit 5,1 Prozent Anteil am gesamten Stromverbrauch landet das Geschirrspülen auf Platz 10 der größten Stromfresser im Haushalt. Laut einer Studie der Universität Bonn ist das Spülen in der Maschine übrigens trotzdem günstiger als Handspülen: Im Geschirrspüler werden sowohl weniger Wasser als auch weniger Energie verbraucht. Voraussetzung ist natürlich, dass die Maschine nur voll beladen eingeschaltet wird und dass das Geschirr nicht zusätzlich von Hand vorgespült wird. Auch sogenannte Spar-, Eco- oder Umwelt-Programme sparen Energie. Bei geringerer Temperatur wird das Geschirr dank längerer Spülzeiten genauso sauber wie in "Normal"-Programmen.Datengrundlage des Rankings: Energieagentur NRW: "Wo im Haushalt bleibt der Strom?"; in der Studie wurde 2011 unter anderem der Stromverbrauch von Ein- bis Sechs-Personen-Haushalten untersucht. Bei allen Punkten gilt: Es handelt sich um Durchschnittswerte. Je nach eingesetzter Technologie, Handhabung, Haushaltsgröße und -zusammensetzung kann der Stromverbrauch im individuellen Zuhause erheblich abweichen.Tipps zum Energiesparen: Eigene Recherche und Umweltbundesamt-Broschüre "Energiesparen im Haushalt", die als PDF heruntergeladen werden kann. Quelle: dpa
Moderne Umwälzpumpen lohnen sichDie elektrisch betriebene Umwälzpumpe der Heizungsanlage landet mit durchschnittlich 6,0 Prozent Anteil am Stromverbrauch auf Platz neun. Sie transportiert das erwärmte Wasser zu den Heizkörpern in der Wohnung. Laut Stiftung Warentest lohnt sich der Ersatz einer alten Pumpe durch eine moderne, energieeffiziente Pumpe schnell; demnach lassen sich so 100 bis 130 Euro Stromkosten pro Jahr einsparen. Von den Stromkosten abgesehen (ein Sonderfall sind alte Nachtstromspeicheröfen) macht das Heizen mit 70 Prozent am Gesamtenergieverbrauch des HAushalts den größten Anteil aus. Ohne große Investitionen in eine neue Heizungsanlage kann man auch hier mit einigen Tricks viel Energie sparen. Ihre Heizung sollten Sie im Idealfall nicht durch Möbel zustellen. Achten Sie beim Lüften darauf, die Heizung immer aus zu machen. Die Raumtemperatur sollte zudem auf maximal 20 Grad Celsius eingestellt sein - jedes Grad weniger spart Energie. Moderne Thermostatventile können die Raumtemperatur auch konstant auf dem gewünschten Wert halten, wenn mal die Sonne durchs Fenster scheint. So wird ein überheizen der Räume und Verlust teurer Heizenergie durch zusätzliches Lüften vermieden. Laut Umweltbundesamt können so vier bis acht Prozent Heizenergie gespart werden. Quelle: dpa
Trocknen: Nichts ist preiswerter als Sonne und WindBeim Trocknen der Wäsche wird das Wasser aus dem Waschvorgang wieder entfernt - das können Sonne und Wind kostenfrei für Sie erledigen, oder eben der elektrische Wäschetrockner. Das Gerät ist allerdings ein wahrer Stromfresser: 6,6 Prozent des Stromverbrauchs entfallen im Durchschnitt auf das Trocknen, das so auf Rang acht landet. Soll ein Trockner zum Einsatz kommen, ist ein Gerät mit Wärmepumpentechnologie besonders Umwelt- und Geldbeutelschonend im Einsatz, die Anschaffungskosten sind allerdings recht hoch. Es gibt auch Trockner, die mit Gas betrieben werden.Beim maschinellen Trocknen gilt: Das Gerät sollte nur gut befüllt zum Einsatz kommen und die Wäsche sollte so gut wie möglich vorgetrocknet, also zuvor in der Waschmaschine oder Wäscheschleuder mit möglichst hoher Schleuderdrehzahl entwässert worden sein. Als Kompromiss kann man auch die Wäsche im Trockner leicht vortrocknen und dann auf der Leine zu Ende trocknen lassen. Auch ein kleiner Ventilator, der vor dem Wäscheständer aufgestellt wird, leistet gute Dienste: Er verbraucht wesentlich weniger Strom, macht die Wäsche aber ebenfalls weich und beschleunigt den Abtransport der Feuchtigkeit durch die permanente Bewegung der vorbeistreichenden Luft.Beim Trocknen der Wäsche im Raum gilt: Der Raum muss unbeheizt und gut gelüftet sein - sonst droht Schimmelbefall. Wäsche im beheizten Wohnraum zu trocknen, ist nicht sinnvoll, denn durch das zusätzliche Stoßlüften um die Feuchtigkeit abzutransportieren geht viel wertvolle Heizenergie verloren. Quelle: dpa
Alte Haushaltsgeräte durch neue ersetzen Diverse elektrische Hausgeräte, darunter zum Beispiel Staubsauger, machen im Durchschnitt 7,7 Prozent des Haushalt-Stromverbrauchs aus und landen sie auf Platz sieben der größten Stromfresser. Bei Staubsaugern gilt: Eine hohe Leistungsaufnahme entspricht nicht einer hohen Saugleistung. Bei der Wahl sollte man also nicht den Sauger mit der höchsten Watt-Zahl auf dem Typenschild wählen, sondern sich über Testergebnisse der tatsächlichen Saugleistung schlau machen. Ab 2014 kommen auch Energieeffizienzklassen-Kennzeichnungen für Staubsauger. Bei diversen Elektro-Kleingeräten, wie elektrischen Dosenöffnern oder Messern, kann man den Einsatz durchaus hinterfragen. In anderen Fällen kann ihr Einsatz aber auch Energie einsparen, denn ein Brötchen lässt sich auf dem Toaster stromsparender aufbacken als im Backofen, ein Liter Wasser für Tee oder zum Nudeln kochen ist im Wasserkocher schneller und effizienter aufbereitet, als auf dem Elektroherd. In der Regel gilt die Devise: Setzen Sie die Verschwender vor die Tür. Gerade bei Haushaltsgeräten macht es sich in Sachen Strombilanz bezahlt, alte Geräte gegen neue Technologien einzutauschen. Quelle: dapd

Die versprochene Energieersparnis kann Fehrenberg zufolge allein durch die Außendämmung schon rechnerisch nie erreicht werden. „Über die Außenwand verliert ein Gebäude selten mehr als 25 Prozent seiner Wärmeenergie. Und auch diese Verluste kann ich nicht zu hundert Prozent verhindern“, argumentiert Fehrenberg. Also schafft es der Haussanierer durch eine Außendämmung auch nicht, den Energieverlust um ein Viertel zu verringern.“ Was schon theoretisch nicht geht, ist in der Praxis noch viel ernüchternder“, sagt Fehrenberg. „Wenn sie die Verbrauchswerte von Gebäuden in den Jahren vor der Sanierung mit den Jahren nach erfolgter Fassadendämmung vergleichen, liegt die tatsächliche Einsparung bei vielleicht gerade mal zehn Prozent.“

Derzeit wird eifrig an einer Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften für energiesparende Bauweise und energetische Sanierungen gearbeitet. Die Regierung zieht insbesondere für Hausbesitzer die Daumenschrauben an. Die Novellierung des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) und der Energieeinsparverordnung (EnEV) soll die vorgeschriebenen Standards für energiesparende Bauweise nochmals verschärfen. Im Ergebnis werden so immer mehr Hausbesitzer gedrängt, teure Dreifachverglasung und dickere Dämmstoffschichten bei Neubau oder Sanierung einzusetzen. Ob sich die teils sehr hohen Investitionen der Immobilieneigner auch über die erzielte Energieersparnis irgendwann auszahlen, ist jedoch völlig ungewiss – und nahezu unkalkulierbar.

Fehrenberg hat sich intensiv mit der Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungsmaßnahmen beschäftigt. Sein Fazit: Einige Maßnahmen rechnen sich bereits nach wenigen Jahren, etwa der Austausch der mehr als 20 Jahre alten Heizanlage. Aber gerade die Wärmedämmung der Fassade werde oft überschätzt. „Eine Fassadendämmung amortisiert sich anders als vielfach erwartet erst nach 30 bis 60 Jahren – und ist damit nicht wirtschaftlich.“

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Dass die erhofften Einsparpotenziale ausbleiben, führt Fehrenberg auf die theoretische Ermittlung des Energieverbrauchs für die Zeit nach der Sanierungsmaßnahme zurück. „Die Regierung fordert in ihren Gesetzen die Erreichung bestimmter Dämmwerte, insbesondere anhand des so genannten U-Werts, des Wärmedurchgangskoeffizienten der verwendeten Bau- und Dämmmaterialien. Ich bezweifle jedoch, dass der U-Wert die Wirklichkeit trifft. Denn Einflüsse durch Wärme von außen oder die Wärmespeicherung des Mauerwerks spielen in der Berechnung keine Rolle. Um den geforderten U-Wert zu erreichen, müssen die Handwerker dann immer dickere Dämmstoffe einsetzen. Aber ein Dämmmaterial von 24 Zentimetern Stärke isoliert nicht doppelt so gut, wie Dammstoffe mit einer Dicke von 12 Zentimetern. Jenseits der Zwölf Zentimeter nimmt der Zusatznutzen für jeden zusätzlichen Zentimeter deutlich ab.“ 

Zu viel heiße Luft

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Modell eines Einfamilienhauses Quelle: dpa
Berlin Quelle: dapd
Dresden Quelle: dpa
Düsseldorf Quelle: dpa
Frankfurt Quelle: dpa
Hamburg Quelle: dpa
Hannover Quelle: dpa

Auch eine jüngst veröffentlichte Studie der Universität Cambridge belegt, dass eine Orientierung am U-Wert wesentliche Aspekte vernachlässigt. Wissenschaftler des Studienbereichs Architektur haben dazu die Verbrauchswerte von 3400 Wohnhäusern in Deutschland sowie weiteres Datenmaterial ausgewertet. Ihr Ergebnis: Deutsche Politiker würden die mögliche Energieersparnis durch energetische Sanierung und damit auch die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen deutlich überschätzen.

Die Studie von Minna Sunikka-Blank und Ray Galvin sehen dabei vor allem die Konzentration auf den Energiekennwert eines Wohngebäudes kritisch. Der wird vom Gesetzgeber und den zuständigen Behörden herangezogen, um anhand der thermischen Gebäudeeigenschaften, des Zustands der Heizanlage und der Gebäudelage den jährlichen Energiebedarf pro Quadratmeter zu schätzen. Die Cambridge-Autoren monieren, dass bei dieser Betrachtung der Faktor Mensch außen vor bleibe. Denn bei der Betrachtung der tatsächlichen Verbrauchswerte zeige sich, dass gerade die Bewohner von unsanierten Häusern wesentlich weniger Energie verbrauchen, als der Energiekennwert vorhersagt. Sunnika-Blank sieht die Gründe dafür bei den Energiekosten: „Je schlechter ein Haus isoliert ist, desto mehr versuchen die Bewohner ihre Heizkosten zu kontrollieren. Aus finanziellen Gründen müssen sie das.“

Damit werden die vorherrschenden Voraussagen über das große Einsparpotenzial beim Energieverbrauch, die allein auf technischen Lösungen wie der Gebäudesanierung beruhen, allerdings infrage gestellt. „In einigen Fällen bringen diese Maßnahmen nur die Hälfte der erwarteten Einsparungen, vielleicht sogar noch weniger“, konstatiert Sunnika-Blank. Der errechnete durchschnittliche Energiekennwert, so die Ergebnisse der Cambridge-Studie, liegt demnach bei 225 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. In der Realität liegt er aufgrund der untersuchten Verbrauchswerte aber nur bei 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Demnach ist der Energiekennwert durchschnittlich 30 Prozent zu hoch angesetzt.

Das hat natürlich Auswirkungen auf das kalkulierte Einsparpotenzial und verlängert somit auch die erwartete Amortisationsdauer für die Sanierungskosten. „Weil sich durch die Sanierung ja keine Energie einsparen lässt, die tatsächlich gar nicht verbraucht wurde, hat das Auswirkungen auf die wirtschaftliche Realisierbarkeit energetischer Sanierungsmaßnahmen“, sagt Sunnika-Blank.

Brandgefahr und bergeweise Sondermüll

So wollen die Deutschen wohnen
Grün macht glücklich: Laut einer Studie britischer Forscher von der University of Exeter sind Menschen, die einen eigenen Garten haben oder zumindest in einem Stadtteil mit vielen Grünflächen leben, zufriedener als Mieter aus Betonwüsten. Dafür haben die Forscher 600 Menschen befragen, die von einem weniger grünen Stadtteil in ein grüneres Viertel zogen, sowie 470 Menschen, die von einem grünen in einen zugebauten Stadtteil gezogen sind. Das Resultat: Wer in eine Gegend mit vielen Parks gezogen ist, war zufriedener, wer in die Betonwüste zog, wurde dagegen unzufriedener. Was den Deutschen innerhalb der eigenen vier Wände wichtig ist, zeigen die folgenden Bilder. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Licht und Luft: Das Immobilienportal Immonet hat seine Nutzer gefragt, was in ihrer neuen Wohnung unbedingt vorhanden sein soll. 2911 Wohnungssuchende haben darüber abgestimmt. Quelle: dpa
Schimmel, schwarze Fugen und klamme Handtücher im Bad - davon können offensichtlich viele Mieter ein Lied singen. Feucht-warmes Klima ist nicht nur ein idealer Nährboden für Schimmelpilze, auch Schädlinge wie Silberfische fühlen sich in dieser Umgebung wohl. 46 Prozent der Immonet-Nutzer wünschen sich in ihrer neuen Wohnung daher ein Bad mit Fenster. Nur so kann die Nasszelle optimal belüftet werden. Quelle: AP
Selbst zu kochen ist zwar etwas aufwendiger, dafür aber wesentlich günstiger, als jeden Tag den Pizza-Service anzurufen. Auf eine Einbauküche legen daher 40 Prozent der Befragten wert. Für Mieter, die nicht allzu lange in der Wohnung bleiben möchten, ist die Neuanschaffung aufwendig und teuer. Und bei einem Umzug lässt sich die Küche nicht nur schlecht transportieren, sie passt auch meist nicht in die neue Wohnung. Quelle: dpa
Wie der Boden aussieht, spielt für viele Wohnungssuchende eher eine untergeordnete Rolle. Nur acht Prozent der Befragten gaben an, dass in ihrer Wohnung unbedingt Parkett-Boden verlegt sein muss. Die übrigen Nutzer legen darauf wenig Wert und finden sich mit Fliesen, Laminat oder Teppich ab. Denn Parkett-Boden sieht zwar schön aus, aber der edle Holzboden ist auch empfindlich. Scharfe Reinigungsmittel, Stilettos oder die Krallen von Hundepfoten verträgt er nicht. Quelle: Presse
Viel Platz über ihrem Kopf wünschen sich sechs Prozent der Befragten. Für sie sind hohe Decken das wichtigste Kriterium. Diese sind zwar schick und Altbauwohnungen liegen voll im Trend, aber hohe Räume sind auch Energiefresser. Sie im Winter warm zu halten, kann richtig ins Geld gehen. Quelle: AP
Fazit: Die Immonet-Nutzer legen vor allem auf praktische Dinge Wert, wie das Fenster im Bad. Exklusive Ausstattung wie Parkett-Boden oder hohe Decken sind hingegen weniger gefragt. Das könnte mit den stetig steigenden Mieten zusammenhängen: Je höher die Preise desto geringer werden die Ansprüche. Quelle: Presse

All diese Vorbehalte aus ökonomischer Sicht stoßen in den Bundesministerien ebenso auf taube Ohren wie die Bedenken gegen Wärmedämmung aufgrund der besonderen Brandgefahren beim Dämmstoff Nummer eins Polysterol – besser bekannt als Styropor. Mehrere Hausbrände hatten das laut Baustoffklasse schwer entflammbare Dämmmaterial als wahren Brandbeschleuniger entlarvt – was auch Tests durch Sachverständige im Auftrag des NDR eindrücklich bestätigten. Das Material wird insbesondere bei der Außendämmung von Gebäuden bevorzugt eingesetzt, da es kostengünstig und einfach zu verarbeiten ist. Zweifel an der Haltbarkeit sowie hohe Instandhaltungs- und Entsorgungskosten von derart gedämmten Fassaden werden gemeinhin gern verschwiegen. Zwar gibt es ausreichend Alternativen zu Polysterol, doch sind diese in aller Regel auch kostspieliger – und machen die Maßnahme so womöglich noch unwirtschaftlicher.

Die Orientierung am Energie-Bedarfsausweis, der anstatt auf Verbrauchswerten lediglich auf theoretisch ermittelten Bedarfsrechnungen basiert, könnte bei Regierung und Hauseigentümern für Ärger sorgen. Denn die Gesetzesnovelle bei EnEV und EnEG sieht auch vor, den Energieausweis für Gebäude weiter aufzuwerten, indem eine Vorlage- und Übergabepflicht beim Eigentümerwechsel vorgeschrieben wird und die Daten auch Bestandteil von Immobilienanzeigen werden sollen. Sollten die Energieausweise auf unrealistischen Zahlen beruhen, dürfte es zu Anfechtungen und Schadenersatzklagen kommen.

Der bekannte Dämm-Kritiker Konrad Fischer sieht die Hauseigentümer mit der Pflicht zu Energieausweisen und der geplanten Verschärfung der gesetzlichen Mindestanforderungen an energetische Sanierungen zu Unrecht unter Druck gesetzt. „Da wird die Immobilie aufgrund fiktiver Energieverbrauchswerte mit einer schlechten Note versehen und damit der Wert des Gebäudes herabgestuft. Um aber eine gute Note zu bekommen, muss der Eigentümer derart umfangreiche und kostspielige Sanierungen vornehmen, dass die Maßnahmen trotz vielleicht nur fiktiver Energieersparnis weit entfernt von jeder Wirtschaftlichkeit sind.“

Bei der Einführung der Energieeinsparverordnung EnEV im Jahr 2002 war beschlossen worden, die Einspareffekte bei Energiebedarf und CO2-Ausstoß zu überprüfen. Belastbare Daten wurden dafür jedoch bisher nicht vorgelegt „Die bislang erfolgten Wirtschaftlichkeitsberechnungen für die EnEV-Novellen sind ein Witz“, urteilt Konrad Fischer. „Die Vergleiche beziehen sich nur auf die Änderungen gegenüber den bisherigen Regelungen und betrachten nicht die Effekte gegenüber einem unsanierten Gebäudebestand – also ausgehend vom Nullpunkt.“ Dass die von Regierung und Bauwirtschaft in Aussicht gestellten Energieeinsparungen tatsächlich erreichbar sind, hält Konrad Fischer für ausgeschlossen. „Die Berechnungen des Energiebedarfs anhand des U-Wertes gehen an der Realität vorbei. Die finanziellen Vorteile durch eine staatliche Förderung der Dämmmaßnahmen durch die KfW decken nicht einmal ansatzweise die Mehrkosten, die durch die Wärmedämmung entstehen“, so Konrad Fischer.

Wärmedämmung nicht um jeden Preis

Experte Fehrenberg hält es daher für notwendig, dass öffentlich und auch auf Seiten der Regierung noch einmal grundsätzlich darüber debattiert wird, welche Energieeinsparmaßnahmen an Wohngebäuden die besten Einspareffekte erzielen und auch wirtschaftlich sind. Ansätze dafür sieht er etwa bei der Heizungstechnik. „Wir produzieren zu viel heiße Luft. Unsere Zentralheizungen, die immer nur die leicht entweichende Luft erwärmen, sind weniger effizient als etwa Strahlungsheizungen, die nur dort erwärmen, wo es gewünscht ist. Dann kann die Luft angenehm kühl bleiben und muss nicht teuer aufgeheizt werden.“

Wie Hausbanken bei KFW-Kredite versagen

Der Boom der Wärmedämmung geht trotz der bekannten Probleme und offenen Fragen ungebremst weiter – und wird vom Staat noch zusätzlich befeuert. So sieht etwa kommende Mietrechtsreform vor, dass Mieter bei energetischen Sanierungen durch den Vermieter trotz der Einschränkungen durch Bauarbeiten drei Monate lang nicht kürzen dürfen. Außerdem dürfen Vermieter elf Prozent der Kosten für eine energetische Sanierung auf die Miete aufschlagen. Es brauche Anreize, damit gerade auch kleine Vermieter in die energetische Wohnraumsanierung investieren, verteidigte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP die Novelle.

Erst im Dezember 2012 beschloss die Bundesregierung, energetische Sanierungsmaßnahmen wie Wärmedämmung und moderne Heizungsanlagen künftig auch als Einzelmaßnahmen mit zehn Prozent zu bezuschussen, maximal 5000 Euro. Für Effizienzhäuser gibt es sogar 25 Prozent, maximal 18.750 Euro vom Staat.

Was Bundesbauminister Ramsauer als „kräftigen Schub für die Energiewende bezeichnet, geht der Bauwirtschaft längst nicht weit genug. Stefan Thurn, Präsident des Bundesverbandes des deutschen Baustoff-Fachhandel warf Ramsauer auf der Messe BAU vor, die Förderung der Haussanierung bliebe mit 300 Millionen Euro jährlich weit hinter den erwarteten 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zurück. „Das sind die falschen Signale und falsche Instrumente“, sagte Thurn.

Die Branche ist auch enttäuscht darüber, dass die lang geforderte steuerliche Entlastung für Haussanierer bisher nicht gekommen ist. Diesbezügliche Regierungsvorhaben wurden nach mehreren Anläufen im Dezember 2012 im Bundesrat gestoppt. Ramsauer sieht sich von der Bauwirtschaft zu Unrecht kritisiert, er sei der falsche Adressat. „Ich habe mir den Mund fusselig geredet“, hielt er auf der Messe seinen Kritikern entgegen.

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