Wärmedämmung mit Styropor Experten fordern strengere Brandschutz-Regeln

Styropor ist als billiger, effektiver Dämmstoff weit verbreitet, gerät jedoch zunehmend in Verruf. Ein Aspekt: Die Brandgefahr. Davor haben jetzt erneut Brandexperten laut einem aktuellen Bericht gewarnt.

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Alte Heizkessel raus und dickere Wärmedämmung
Dickere Dämmung, bessere HeiztechnikFür Neubauten gilt mit der nächsten Stufe der EnEV, die ab dem 1. Januar 2016 greift, eine erneute Erhöhung der energetischen Anforderungen. So muss der Primärenergiebedarf der Anlagentechnik in Neubauten gegenüber den Grenzwerten der EnEV 2015 nochmals um 25 Prozent sinken, die Wärmeverluste der Gebäudehülle sind nochmals um rund 20 Prozent zu senken. Grundsätzlich ist dabei egal, durch welche Materialien und Technologien die Einsparung erzielt wird. Konkret müssen Bauteile mit einem niedrigeren Wärmeleitkoeffizienten verbaut werden, die Heizungstechnik benötigt in der Regel die Unterstützung durch regenerative Energiequellen, etwa durch eine Solaranlage zur Warmwassererzeugung. Bestandgebäude sind von den strengeren Vorschriften ausgenommen. Quelle: dpa
Ein Mann bringt Dämmplatten an Quelle: dpa
Haus und Mann vor Heizkessel Quelle: dpa Picture-Alliance
Symbolbild zu Immobilienanzeigen Quelle: obs
Jemand stellt die Temperatur an einer Heizung ein Quelle: dpa
Wasserzähler Quelle: dpa
Eine Frau vor einem Kaminofen Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Wärmedämmung bei Häusern soll Energiekosten sparen und so zur vielbesprochenen Energiewende beitragen - allerdings ist sie nicht unumstritten. Insbesondere Berichte über die Brandgefahren von Hartschaumplatten aus Polystyrol - gemeinhin bekannt als Styropor - sorgten bereits in der Vergangenheit für großen Widerhall.

Jetzt wirft auch das Nachrichtenmagazin "Spiegel" diese Kritik in den Ring: Unter dem Titel "Brennt wie Stroh" wird die Verwendung Polystyrols unter die Lupe genommen: Der Dämmstoff sei so leicht entflammbar, dass nun große Sicherheitsmaßnahmen für entsprechend gedämmte Häuser notwendig würden.

In dem Artikel wird aus einem Arbeitspapier der "Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz" zitiert, wonach der Dämmstoff "Schwächen bei bestimmten Außenbrandsituationen" zeige. Die Experten schlagen demzufolge vor, dass um jedes gedämmte Haus künftig eine Art Schutzzone errichtet werden soll. "Bei der dauerhaften Lagerung von brennbarem Material und Gegenständen (z.B. Brennholz, Müllcontainer aus Kunststoff) sollte ein Mindestabstand von drei Metern zur Fassade eingehalten werden", zitiert das Magazin den Bericht, der sogar noch weiter geht: Um die Brandgefahr gering zu halten, sollte über ein Parkverbot vor entsprechend gedämmten Häusern nachgedacht werden, empfehlen demnach die Brandschutzexperten. Der Grund: So soll im Falle eines Brandes ein leichtes Überschlagen auf die möglicherweise leicht entflammbare Dämmung vermieden werden.

Musterrechnung: Hier lohnt sich die Sanierung

Der Artikel schüre "unnötig Angst", meldet sich nun nach Veröffentlichung der Gesamtverband Dämmstoffindustrie (GDI) zu Wort. Es handele sich hierbei um eine Folgerung auf Grundlage des zitierten Papiers und "unscharfen Zahlenmaterials". Brandfälle, bei denen Dämmsysteme eine Rolle spielten, seien in Deutschland extrem selten, so der GDI. "Die große Mehrzahl der jährlich rund 200.000 Wohnungsbrände in Deutschland wird durch Zündquellen im Inneren von Gebäuden, wie etwa elektrische Anlagen und Geräte, Öfen, Herde oder Kerzen verursacht", heißt es in einer Pressemitteilung. Bei Bränden, bei denen auch Styropor in Flammen aufging, sei die Brandursache "nie im System selbst begründet". Deswegen sei es falsch, zu schlussfolgern, dass eine Fassadendämmung die Brandgefahr erhöhe.

Musterrechnung: Hier lohnt sich die Sanierung nicht

Die Crux liegt allerdings an anderer Stelle: Styropor wird nicht als Brandursache kritisiert, sondern ist vor allem als Beschleuniger von Bränden in Verruf geraten. Denn in den vergangenen Jahren wurden vermehrt Fassadenbrände bekannt, bei denen die wärmegedämmte Außenhülle der Gebäude wie ein Brandbeschleuniger wirkte. So gab es bereits vor fast fünf Jahren einen tragischen Hausbrand in Berlin, bei dem die U-förmige Gebäudefassade im Rekordtempo abbrannte und sogar zwei Menschen ihr Leben verloren. In Delmenhorst brannten 2011 die gedämmten Fassaden nach einem Feuer in den Müllcontainern zwischen den Häusern im Eiltempo nieder. Es gab zum Glück nur einen Verletzten.

"Jeder brennbare Stoff ist ein Risiko"

Franz Schächer, Ingenieur für Baustatik und Brandschutz, stellte sich 2013 nach einem vergleichbaren Brand in Frankfurt, den er miterlebte, die Frage, ob es bei den Polystyrol-gedämmten Fassaden ein systematisches Problem gibt. "Jeder brennbare Stoff ist ein Risiko, man muss ihn nur zünden", sagt Schächer. "Das gefährliche an Polystyrol ist, dass dieser Dämmstoff zu 90 Prozent aus Öl besteht. Bei einer Erhitzung über 130 Grad Celsius treten Gase aus und es bilden sich Tropfen. Gibt es eine Zündflamme, brennt es lichterloh. Die brennende Flüssigkeit kann sich dann wie ein brennender Ölsee auf den Brandriegeln hinter der halbzentimeterdicken Putzschicht sammeln, bis diese aufbricht und das Feuer am Gebäude runterläuft. Die Brandriegel sind dann nutzlos."

Laut Schächer nehmen die Brandgefahren der EPS-Dämmung mit steigender Dicke der Dämmschicht zu. Lange waren Dämmschichten bis zu einer Stärke von sechs Zentimetern üblich. Aber seit Jahren sei die Dämmung auf den Häusern mindestens zehn Zentimeter dick, sagte er 2013.

Bei der Wärmeisolierung von Häusern und Wohnungen zählt Styropor zu den meist genutzten Materialien, weil es im Vergleich zu anderen Baustoffen geradezu unschlagbare Vorteile bietet. Es bringt eine starke Dämmleistung, ist sehr preiswert, verbraucht wenig Platz, ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit und Verrottung und einfach in der Verarbeitung. Aber Polystyrol ist alles andere als ein umweltfreundlicher Dämmstoff. Die Herstellung ist energieintensiv und erfolgt auf Basis von Erdöl.

Öffentlich geförderte Gebäudedämmung

Bei der Verteilung öffentlicher Fördergelder für die Dämmung von Gebäuden gibt es ein starkes Gefälle in Deutschland. 2014 flossen 3,7 Milliarden Euro für zinsverbilligte Zuschüsse und Kredite der staatlichen KfW-Bank. Bundesweit gab es 105.402 Einzelzusagen für Sanierungen, um den Energieverbrauch zu senken. Das geht aus einer Antwort der Parlamentarischen Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) an die Grünen hervor.

20 Prozent davon flossen nach Baden-Württemberg, 18,3 Prozent wurden von Bürgern in Nordrhein-Westfalen beantragt und nach Bayern gingen 15,8 Prozent der Mittel.

Vor allem in Ostdeutschland mit Ausnahme Berlins werden die Mittel weniger in Anspruch genommen. Schlusslichter sind unter den Flächenländern Saarland (38 Millionen Euro Zusagevolumen 2014), Mecklenburg Vorpommern (39 Millionen) und Thüringen (59 Millionen).

Seit Jahren wird zum Ankurbeln der energetischen Sanierungen über einen bundesweiten Steuerbonus gestritten, um den Verbrauch in Gebäuden und so den CO2-Ausstoß zu senken. Mehrere Millionen Gebäude und Heizungen gelten als ineffizient. Ein neuer Anlauf wurde zuletzt von der großen Koalition wegen Streits um die Finanzierung auf Eis gelegt. Der Bonus sollte ein Volumen von einer Milliarde Euro im Jahr haben, bis zu 25 Prozent der Sanierungskosten sollten absetzbar sein.

Das Abwarten, ob der Bonus kommt, könnte die Investitionsbereitschaft insgesamt gedrosselt haben - noch 2013 waren 4,04 Milliarden Euro an KfW-Förderzusagen für Gebäudesanierungen in Anspruch genommen worden, damals gab es mit 119.908 auch deutlich mehr Einzelzusagen als 2014.

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