Am Wohnungsmarkt hat sich der kräftige Preisauftrieb des vergangenen Jahres auch im ersten Quartal 2016 weiter fortgesetzt. Die Preise für Wohneigentum stiegen auf Jahresbasis um 4,7 Prozent, die Wachstumsrate bei Mehrfamilienhäusern fiel mit 8,0 Prozent sogar noch deutlich höher aus.
In den Metropolen hat sich der zwischenzeitlich abgekühlte Preisauftrieb wieder beschleunigt. Im Auftaktquartal verteuerten sich hier Eigentumswohnungen gegenüber dem Vorjahr um rund neun Prozent. Damit kosten neu gebaute Wohnungen in den sieben größten deutschen Städten jetzt im Durchschnitt zwischen 3.800 Euro je Quadratmeter in Köln und 6.900 Euro je Quadratmeter in München.
Weder die bereits kräftig gestiegenen Preise noch die spürbare Ausweitung des Wohnungsbaus konnten den Preisauftrieb bislang dämpfen.
Für diese Entwicklung sind im Wesentlichen vier Ursachen maßgeblich:
Erstens die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Wohnungsmarkt sind so gut wie selten zuvor.
Zweitens machen niedrige Zinsen den Wohnungskauf für Eigennutzer attraktiv. Denn die alternativ zu zahlende Miete deckt nicht nur die Zinsen einer Kaufpreisfinanzierung, sondern auch große Teile der Tilgung ab. Außerhalb der ganz teuren Städte ist die Miete oft sogar höher als die Finanzierungsrate.
Drittens sind die erzielbaren Mietrenditen am Wohnungsmarkt trotz eines Rückgangs in den letzten Quartalen für Anleger weiterhin eine attraktive Alternative zum Anleihemarkt.
Und viertens ist das Wohnungsangebot nach wie vor knapp, weil die gestiegenen Fertigstellungszahlen – 2015 dürften es rund 260.000 gewesen sein – nicht ausreichen, um den auf 400.000 Einheiten geschätzten jährlichen Wohnungsbedarf zu decken.
Ein Viertel mehr Immobilienkredite
Die hohe Wohnungsnachfrage schlägt sich einer lebhaften Kreditaufnahme nieder. Das Finanzierungsneugeschäft liegt mit derzeit rund 20 Milliarden Euro pro Monat ausgereichter Hypotheken rund ein Viertel oberhalb des in den letzten Jahren zu beobachtenden Niveaus von rund 16 Milliarden Euro. Dadurch legt das ausstehende Volumen an Wohnungskrediten mit etwa 3,5 Prozent jährlich derzeit relativ kräftig zu. Dank der recht hohen Einkommenszuwächse hält sich die relative Verschuldung der privaten Haushalte stabil bei rund 85 Prozent des verfügbaren Einkommens.
Die relativ niedrige Verschuldung und die stabile Einkommensentwicklung der privaten Haushalte lassen aber zunehmend die Banken unvorsichtiger werden. Der zunehmend stärkere Wettbewerb und der Versuch einiger Banken, durch relativ aggressive Konditionen Marktanteile zu vergrößern, führten in den letzten Monaten zu einem Anstieg der Beleihungswerte. Dies ist aus struktureller Sicht für den Bankensektor sicherlich eine eher unerfreuliche Entwicklung.
Zudem wird mit zunehmender Tendenz am Bedarf vorbei gebaut. So liegt zwar der Bedarf weiterhin über der Zahl der neugebauten Wohnungen. Aber das Angebot steigt in einem anderen Preissegment als die Nachfrage. So steigt die Nachfrage insbesondere im unteren bis mittleren Preissegment. Währenddessen wird aber vor allem im mittleren bis hohen Preissegment Wohnungen gebaut. Damit ergibt sich mit der Zeit ein unausgeglichener Markt, obwohl insgesamt nicht ausreichend Wohnungen fertiggestellt werden.
Das Bild des deutschen Wohnungsmarktes ist zunehmend ambivalent. Einerseits ist das Preisniveau insbesondere in den gefragten Groß- und Universitätsstädten in Relation zu den Wohnungsmieten schon sehr hoch. Zudem entwickelt sich langsam ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Andererseits ist der Wohnungskauf derzeit so erschwinglich wie selten zuvor. Die laufenden Finanzierungsraten sind dank der niedrigen Zinsen nicht nur absolut gesehen niedriger als in der Vergangenheit, sie weisen zudem eine sehr günstige Relation zur Miete einer vergleichbaren Immobilie auf. Jedoch gibt es auch erste Anzeichen, dass sich die Qualität der Kredite verschlechtert.
Immobilienmarkt steht merklich unter Druck
Die günstigen Finanzierungsbedingungen, das gute wirtschaftliche Umfeld, ein weiterhin knappes Wohnungsangebot und der fortgesetzte „Anlagenotstand“ werden die Preise zunächst weiter steigen lassen. Der Gegenwind nimmt aber zu, weil die Attraktivität eines Immobilienkaufs mit steigenden Preisen abnimmt, das Angebot sukzessive vergrößert wird und die Schubkraft der bislang gesunkenen Zinsen nachlassen dürfte. Und die Kreditvergabe könnte sich wegen der im März in Kraft getretenen Wohnimmobilienkreditrichtlinie dämpfen. Das unterstreichen die April-Ergebnisse des Bank Lending Surveys, wonach die deutschen Banken die Standards für die Vergaben von Wohnbaukrediten verschärfen wollen.
Sollte es zu Preisrückgängen kommen, dämpfen verschiedene Faktoren die davon ausgehende Gefahr. Die gute Beschäftigungslage und die zu günstigen Konditionen abgeschlossenen Festzinskredite mindern das Risiko von Kreditausfällen. Außerdem sind die deutschen Haushalte insgesamt nur moderat verschuldet sind. Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass sich nicht wenige Käufer kräftig verschuldet haben. Deshalb ist es sinnvoll, dass die Finanzaufsicht den Wohnungs- und Kreditmarkt genau beobachtet und die Regierung voraussichtlich noch in diesem Jahr den Rahmen für den Einsatz einer kontrollierten Kreditbremse beschließen wird.
Risiken für den Immobilienmarkt
Dies zeigt aber auch, bei welchen Faktoren die eigentlichen Gefahren für den deutschen Immobilienmarkt liegen. Wenn die Wachstumsdynamik in Deutschland nachlässt und sich dies ungünstig auf die Beschäftigung auswirkt, könnte dies die Immobilienpreise deutlich unter Druck setzen. Denn dann dürfte sich die Einkommenssituation der privaten Haushalte weniger günstig entwickeln und die derzeitig hohe Kaufbereitschaft entsprechend verringern.
Ein anderes Problem könnte sich mit der Anschlussfinanzierung der derzeit laufenden Darlehen ergeben. Wenn die EZB in den kommenden Jahren die Notenbankzinsen wieder normalisiert, wird sich die Belastung für die Haushalte erhöhen. Wenn also die aktuell niedrigen Kreditzinsen nicht zu einer höheren Tilgung genutzt wurden, kann sich für viele Haushalte die Anschlussfinanzierung als nicht mehr tragbar herausstellen. Dies könnte den Hausmarkt insgesamt merklich unter Druck bringen.
Zusammenfassend gibt es also erste Anzeichen, dass der deutsche Wohnungsmarkt in eine Übertreibung läuft. Allerdings sind wir hier erst am Anfang einer Entwicklung, die durchaus noch etwas andauern kann, bevor sie wirklich bedenklich wird. Solange das Zinsumfeld so attraktiv bleibt, bedarf es zudem einer merklichen konjunkturellen Abkühlung, um eine Korrektur bei den Preisen für Immobilien auszulösen. Wir sind also gerade erst dabei eine Übertreibung im deutschen Immobilienmarkt aufzubauen.
Falls dies jedoch so weitergeht, dürfte eine markante Korrektur kaum zu vermeiden sein. Bis dahin werden aber noch ein paar Jahre vergehen. Man sollte aber bereits jetzt die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls Regulativ eingreifen. Ungeachtet dessen, sollte man sich in den großen Städten bereits jetzt überlegen, ob tatsächlich jedes Preisniveau für eine Wohnung gerechtfertigt ist. Bei einigen habe ich meine Zweifel.