Wirtschaft im Weitwinkel

Der deutsche Wohnungsmarkt läuft langsam heiß

Seite 2/2

Immobilienmarkt steht merklich unter Druck

Die günstigen Finanzierungsbedingungen, das gute wirtschaftliche Umfeld, ein weiterhin knappes Wohnungsangebot und der fortgesetzte „Anlagenotstand“ werden die Preise zunächst weiter steigen lassen. Der Gegenwind nimmt aber zu, weil die Attraktivität eines Immobilienkaufs mit steigenden Preisen abnimmt, das Angebot sukzessive vergrößert wird und die Schubkraft der bislang gesunkenen Zinsen nachlassen dürfte. Und die Kreditvergabe könnte sich wegen der im März in Kraft getretenen Wohnimmobilienkreditrichtlinie dämpfen. Das unterstreichen die April-Ergebnisse des Bank Lending Surveys, wonach die deutschen Banken die Standards für die Vergaben von Wohnbaukrediten verschärfen wollen.

Sollte es zu Preisrückgängen kommen, dämpfen verschiedene Faktoren die davon ausgehende Gefahr. Die gute Beschäftigungslage und die zu günstigen Konditionen abgeschlossenen Festzinskredite mindern das Risiko von Kreditausfällen. Außerdem sind die deutschen Haushalte insgesamt nur moderat verschuldet sind. Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass sich nicht wenige Käufer kräftig verschuldet haben. Deshalb ist es sinnvoll, dass die Finanzaufsicht den Wohnungs- und Kreditmarkt genau beobachtet und die Regierung voraussichtlich noch in diesem Jahr den Rahmen für den Einsatz einer kontrollierten Kreditbremse beschließen wird.

In diesen Städten stößt der Bauboom an seine Grenzen
Berlin2015 wurden in Deutschland 309.000 Wohnungsbaugenehmigungen erteilt. Nur ein Drittel aller Genehmigungen entfielen auf kreisfreie Großstädte, womit die Zahl weitestgehend stagnierte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Bei den sieben größten Städten Deutschlands ragt Berlin hingegen hervor. Hier stieg die Zahl erteilter Genehmigungen von 19.272 im Jahre 2014 auf 22.361 im vergangenen Jahr.Veränderungen: + 16 Prozent**Erteilte Genehmigungen 2015 im Vergleich zu 2014 Quelle: dpa
Big Seven mit BerlinTrotz der gestiegenen Zahl genehmigter Wohnungsbauten in der Bundeshauptstadt hat die Gesamtzahl der „Big Seven“ (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf) abgenommen. Wurden in den größten Städten Deutschlands 2014 noch 52.497 Genehmigungen erteilt waren es 2015 nur noch 50.927. „Das erreichte Baugenehmigungsniveau in den Großstädten ist zwar sehr beachtlich. Angesichts der hohen Preise in den Kernstädten suchen sich aber immer mehr Bauherren bezahlbarere Alternativen im Umland“, sagt BBSR-Direktor Harald Herrmann.Veränderung: - 3,0 Prozent Quelle: dpa
Big Seven ohne BerlinNimmt man Berlin aus der Statistik der größten deutschen Städte heraus, ist die Zahl der Genehmigungen noch deutlicher zurückgegangen. 2014 lag sie bei 33.225, ein Jahr später sank sie auf 28.566. Dafür nehmen die Genehmigungen in großstadtnahen und ländlichen Kreisen zu.Veränderung: - 14,0 Prozent Quelle: dpa
StuttgartEine Ausnahme bei den „Big Seven“ bildet neben Berlin auch Stuttgart. Vor zwei Jahren wurden hier 1936 Genehmigungen für den Wohnungsbau erteilt, 2015 waren es 2055.Veränderung: + 6,0 Prozent Quelle: dpa
MünchenErstaunlich wacker hält sich der Wohnungsmarkt in München. Trotz der hohen Preise sank hier die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen nur leicht von 8566 auf 8445 im vergangenen Jahr.Veränderung: - 1,4 Prozent Quelle: dpa
FrankfurtÄhnlich angespannt ist die Preislage auf dem Frankfurter Immobilienmarkt. Auch hier sind die Mietpreise bereits in astronomische Höhen geschossen. Im Gegensatz zu München macht sich das allerdings auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt bemerkbar. Die Zahl der Genehmigungen ist in der Finanzmetropole von 5138 auf 4681 gesunken.Veränderung: - 8,9 Prozent Quelle: dpa
KölnWer schon einmal nach einer bezahlbaren Wohnung in Köln gesucht hat, dürfte um die Probleme gut Bescheid wissen. Kaum ein Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen ist so überhitzt wie der Kölner. Und daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern, blickt man auf die Entwicklung der Genehmigungsanzahl. 2014 wurde noch 3752 Genehmigungen erteilt, 2015 waren es nur noch 3389. „Eine entscheidende Stellschraube für die Großstädte ist es daher, Wohnbauflächen zu vertretbaren Preisen zu aktivieren“, betont Herrmann.Veränderung: - 9,7 Prozent Quelle: dpa

Risiken für den Immobilienmarkt

Dies zeigt aber auch, bei welchen Faktoren die eigentlichen Gefahren für den deutschen Immobilienmarkt liegen. Wenn die Wachstumsdynamik in Deutschland nachlässt und sich dies ungünstig auf die Beschäftigung auswirkt, könnte dies die Immobilienpreise deutlich unter Druck setzen. Denn dann dürfte sich die Einkommenssituation der privaten Haushalte weniger günstig entwickeln und die derzeitig hohe Kaufbereitschaft entsprechend verringern.

Ein anderes Problem könnte sich mit der Anschlussfinanzierung der derzeit laufenden Darlehen ergeben. Wenn die EZB in den kommenden Jahren die Notenbankzinsen wieder normalisiert, wird sich die Belastung für die Haushalte erhöhen. Wenn also die aktuell niedrigen Kreditzinsen nicht zu einer höheren Tilgung genutzt wurden, kann sich für viele Haushalte die Anschlussfinanzierung als nicht mehr tragbar herausstellen. Dies könnte den Hausmarkt insgesamt merklich unter Druck bringen.

Deutschland erlebt einen gigantischen Immobilienboom. Unser Test der 50 größten Städte zeigt, wo der Kauf noch lohnt – und wo nicht.

Zusammenfassend gibt es also erste Anzeichen, dass der deutsche Wohnungsmarkt in eine Übertreibung läuft. Allerdings sind wir hier erst am Anfang einer Entwicklung, die durchaus noch etwas andauern kann, bevor sie wirklich bedenklich wird. Solange das Zinsumfeld so attraktiv bleibt, bedarf es zudem einer merklichen konjunkturellen Abkühlung, um eine Korrektur bei den Preisen für Immobilien auszulösen. Wir sind also gerade erst dabei eine Übertreibung im deutschen Immobilienmarkt aufzubauen.

Falls dies jedoch so weitergeht, dürfte eine markante Korrektur kaum zu vermeiden sein. Bis dahin werden aber noch ein paar Jahre vergehen. Man sollte aber bereits jetzt die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls Regulativ eingreifen. Ungeachtet dessen, sollte man sich in den großen Städten bereits jetzt überlegen, ob tatsächlich jedes Preisniveau für eine Wohnung gerechtfertigt ist. Bei einigen habe ich meine Zweifel.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%