Wohnungsbaukredite Blase, welche Blase?

Politiker wollen die Vergabe von Baugeld weiter einschränken. Unnötig und schädlich sei dies, meint das Wirtschaftsforschungsinstitut IW. Die Deutschen ließen sich nicht zu riskanten Finanzierungen hinreißen.

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Einen typischer Fehler, wenn unter Zeitdruck gekauft wird, beobachtet Peter Sarta, Verkaufsleiter beim Immobilienanbieter Mr. Lodge. „Persönliche Vorlieben und ungenügende Sachkenntnis am Immobilienmarkt sind schlechte Berater bei einer realistischen Preisfindung.“Quelle: Mr. Lodge Quelle: dpa

Düsseldorf Die Preise für neue Eigentumswohnungen sind in Deutschland 2016 um 8,5 Prozent gestiegen, hat das Immobilienmarktforschungsinstitut Empirica am Dienstag festgestellt. In den kreisfreien Städten kletterten die Preise sogar um fast zehn Prozent. Die Preise für Ein- und Zweifamilienhäusern gingen vergleichbar nach oben.

Solche Zahlen machen Bundesbankern und Politikern Angst. Angst vor einer Kredit- und Immobilienlase, die, wenn sie platzt, Tausende überschuldete Haushalte zurücklässt und Banken zu Pflegefällen macht wie 2008. Damals wurden in den USA Immobilienkredite in Höhe vieler Milliarden Dollar notleidend und die Pleite der Investmentbank Lehman hinterließ Chaos auf den Finanz- und Kapitalmärkten hinterließ.

Doch die Sorge vor einer Kreditblase ist unbegründet, stellt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie fest. Anhand eines empirischen Modells zeigt das Institut, dass sich das Kreditvolumen deutlich schwächer entwickelt, als dies angesichts der Rahmenbedingungen zu erwarten gewesen wäre. Einerseits ist zwar das monatliche Neugeschäftsvolumen von Wohnungsbaukrediten von Banken an private Haushalte zurzeit höher als vor dem Jahr 2014. Bis dahin lag der monatliche Mittelwert bei etwa 15 Milliarden Euro, danach bei 20 Milliarden Euro. Doch inzwischen ist das Volumen wieder etwas niedriger. Dass keine Gefahr einer Kreditblase besteht, ergibt sich für das IW aus dem Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu Wohnungsbaukrediten. Das war früher deutlich höher und ist seit 2009 rückläufig. „Gemessen an den Zinsen und Hauspreisen lässt sich in Deutschland momentan kein zu starkes Kreditvolumen beobachten“, heißt es in der IW-Studie.

Die Autoren der Studie, Daniel Brendel und Michael Voigtländer, der Immobilienexperte des IW, empfehlen deshalb: „Weitere Verschärfungen bei der Wohnimmobilienfinanzierung sind daher nicht notwendig, sondern würden sich eher nachteilig auf Haushalte und Banken auswirken. Zu den Rahmenbedingungen zählen das auch nach dem jüngsten Zinsanstieg noch immer sehr billige Baugeld und die nach Ansicht der Deutschen Bank und anderer Marktbeobachter auf Jahre hinaus steigenden Häuser- und Wohnungspreise.


Nicht Spekulanten, sondern Knappheit treibt die Wohnraumpreise

Im Frühjahr 2016 hatte die Bundesregierung mit einem Gesetz die Kreditvergabe für Wohnimmobilien durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) verschärft. Plötzlich hatten vor allem ältere und junge Menschen Probleme bei der Wohneigentumsfinanzierung. Ältere immer dann, wenn ein Kredit nicht vor Beginn des Renteneintritts komplett getilgt werden würde. Junge Paare wurde wegen der mögliche Geburt von Kindern zur Risikogruppe.

Zwar ist die WIKR inzwischen etwas entschärft. Doch die Finanzaufsicht Bafin soll in einem neuen, noch zu beratenden Gesetz das Recht bekommen Mindesteigenkapitalquote, Darlehenslaufzeit, Mindesttilgung und den Grad der zulässigen Verschuldung für einen Haushalt festzulegen.

Doch die Deutschen sind aus Sicht des IW so vernünftig, dass dies nicht nötig ist. Eine Immobilienblase gibt es laut IW nicht, weil in Deutschland Wohnungen nicht gekauft werden, um sie kurzfristig zu einem höheren Preis wieder zu veräußern. Die rasanten Preissteigerungen für Wohnraum werden von Marktforschern mit der Knappheit begründet. Rolf Buch, Chef des Wohnungsriesen Vonovia, sagte kürzlich: „Wir haben eine Million Wohnungen zu wenig.“

Würde mit Wohnungen auf kurzfristige Gewinne spekuliert, würden die Käufer sie anders finanzieren, argumentiert das IW. Wer schnell verkaufen wolle tilge wenig, belaste das Objekt hoch mit Krediten und entscheide sich für kurzfristige Zinsbindungen, um beim Verkauf keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen der Kündigung des Kredits an die Bank zahlen zu müssen.

Doch in Deutschland geschieht das Gegenteil: Im Jahr 2004 habe der Anteil der Kreditverträge mit einer anfänglichen Tilgung von einem Prozent bei 49 Prozent gelegen. Auf Kredite mit zwei Prozent Tilgung seien 23 Prozent entfallen. Inzwischen werde die Hälfte aller Verträge mit zwei Prozent Tilgung abgeschlossen. Damals habe der Anteil von Zinsbindungen von mehr als elf Jahren noch bei 31 Prozent gelegen. Im ersten Quartal 2016 betrug der Anteil 47 Prozent, wovon wiederum die Hälfte eine Zinsbindungsfrist von 15 Jahren aufwies.

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