Wohnungsmarkt Grundsteuer wird vom Bundesverfassungsgericht geprüft – horrende Mehrkosten drohen

Die Karlsruher Richter wollen die Bundesregierung zwingen, die Grundsteuer neu zu regeln. Immobilienbesitzer und Mieter befürchten deutlich höhere Kosten.

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Grundsteuer vor Bundesverfassungsgericht – Mehrkosten drohen Quelle: dpa

Düsseldorf Am Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, ob die Grundsteuer verfassungswidrig ist. Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung am 16. Januar haben nahezu alle Beobachter den Eindruck gewonnen, dass das Gericht die gegenwärtige Grundsteuer-Praxis als verfassungswidrig verwerfen wird, weil sie gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstößt. Das Urteil könnte auch den Weg frei machen für ein Steuermodell, dass Eigentümer und Mieter teuer zu stehen kommt.

Das Bundesverfassungsgericht wird auf eine schnelle Änderung des Grundsteuerrechts drängen. Von einer Gesetzesänderung sind nicht nur die Eigentümer von 35 Millionen Grundstücken in Deutschland betroffen, sondern auch rund 41 Millionen Wohnungsmieter. Die große Koalition konnte sich nicht auf eine gemeinsame Line in dieser Sache einigen.

Denn Vermieter legen vollkommen rechtmäßig die Grundsteuer über die Nebenkosten auf die Mieter um. Auch die Kämmerer der rund 11.000 deutschen Gemeinden werden gespannt nach Karlsruhe blicken. Denn sie kassieren in diesem Jahr noch nach altem Recht voraussichtlich rund 14 Milliarden Euro Grundsteuern.

Seit 20 Jahren gibt es Versuche, die Grundsteuer zu reformieren. Aktuell in der Diskussion sind drei unterschiedliche Neuregelungen, auf die das Gericht nicht eingehen wird. Eine ist das sogenannte Kostenwertmodell, das für Mieter sehr, sehr teuer werden könnte. Der Wohneigentümerverband Haus & Grund errechnete, dass die Grundsteuer im Falle der Einführung dieses Modells im Schnitt auf das 30-Fache, in der Spitze auf das 50-Fache steigen würde.

Doch zunächst gilt noch das Auslaufmodell der Grundsteuererhebung auf Basis von Einheitswerten. Die Einheitswerte haben nichts mit den aktuellen Marktwerten zu tun. Sie gehen im Westen zurück auf Werte von 1964 und im Osten auf solche von 1935.

Diese Einheitswerte werden von den Finanzämtern festgelegt. Die jährliche Grundsteuer wird zunächst mit einer Grundsteuermesszahl multipliziert. Die beträgt für Mehrfamilienhäuser 3,5 Promille. Bei Einfamilienhäusern ist die Zahl von der Höhe des Einheitswertes abhängig. Das Ergebnis wird danach mit dem Hebesatz multipliziert, den jede Gemeinde selbst bestimmt.

Dieses Recht ist den Kommunen vom Grundgesetz garantiert. Das Gros der Gemeinden wendet Hebesätze zwischen 300 und 400 Prozent an. Bei 50.000 Euro Einheitswert und 3,5 Promille Messzahl beträgt die Grundsteuer bei 400 Prozent Hebesatz 700 Euro.

Die großen Immobilienverbände lehnen das Kostenwertmodell

Das bestehende Einheitswertmodell ist kompliziert, weshalb der Bund der Steuerzahler, Immobilienverbände wie auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) dringend ein einfacheres Grundsteuersystem fordern. Gewiss keine Vereinfachung würde das von Mietern befürchtete Kostenwertmodell bringen.

Es geht auf eine Bundesratsinitiative im vergangenen Jahr zurück und kombiniert Grundstückswert und Gebäudewert. Der Bodenwert ergibt sich anhand der von Gemeinden ermittelten Bodenrichtwerte und der Grundstücksgröße. Zur Berechnung des Gebäudewertes werden nach Art der Nutzung und dem Baujahr standardisierte Baukosten ermittelt.

Weil in diesem System mit aktuellen Bodenwerten und Baukosten gerechnet wird, würden die Grundsteuern immens steigen. Eine Modellrechnung für Hamburg ergab, dass die Grundstückswerte in 95 Prozent der Fälle auf das Drei- bis 47-Fache des heutigen Einheitswerts steigen würde.

Die Gemeinden könnten zwar durch niedrigere Hebesätze gegensteuern. Doch daran glaubt Hans Joachim Beck, Steuerexperte des Immobilienmaklerverbandes IVD nicht. „Nach der bisherigen Erfahrung ist damit aber kaum zu rechnen.“ Seit 1990 steige der durchschnittliche Hebesatz für die Grundsteuer, beobachtet Beck.

Die großen Immobilienverbände haben sich bereits im Vorhinein positioniert. Sie lehnen das Kostenwertmodell ab. „Vermutlich wird das Verfassungsgericht nur eine kurze Frist für eine Neuregelung der Bemessungsgrundlage vorgeben“, erwartet Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des Ausschusses Steuerrecht im Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), der über 25 Verbände rund 37.000 Immobilienunternehmen vertritt. Die geplante zehnjährige Übergangszeit bis zur Umsetzung werde das Gericht nicht akzeptieren, erwartet der ZIA.

Der ZIA favorisiert das „Südländer-Modell“, das die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg propagieren. Basis der Besteuerung sollen leicht zu erhebende Daten wie Grundstücksgröße, Fläche und Nutzung sein. Unterschiedliche Nutzungsarten könnten über Multiplikatoren errechnet werden. Das System hätte aus Sicht des ZIA den praktischen Vorteil, dass die Marktwerte nicht immer wieder angepasst werden müssten.

Kritik an der Gleichmacherei bei der Besteuerung bebauter und unbebauter Grundstücke

Überhaupt keinen Gefallen findet der ZIA an dem unter anderem vom Deutschen Mieterbund geforderten Bodenwertmodell. Es unterscheidet nicht zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken. Es soll der in Großstädten weit verbreiteten Grundstücksspekulation Einhalt gebieten.

Zudem würden Mehrfamilienhäuser tendenziell entlastet gegenüber Einfamilienhäusern. Der Mieterbund sieht bei diesem Modell sogar die Chance einer Entlastung der Mieter aufgrund niedriger Grundsteuern.

In die Diskussion um die Grundsteuer hat sich auch der Naturschutzbund Deutschland eingeklinkt „Indem innerörtliche Brachen und Baulücken besser genutzt werden, ist weniger Neubau auf der grünen Wiese erforderlich“, argumentiert Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Mit einem bundesweiten Aufruf „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ im Internet ruft der Nabu zur Unterstützung auf. Dem Aufruf haben Bürgermeister mehrerer kleiner Gemeinden sowie der Oberbürgermeister der Stadt Tübingen unterzeichnet.

Der ZIA wehrt sich gegen die Gleichmacherei bei der Besteuerung bebauter und unbebauter Grundstücke. Wird ein Grundstück mit einem Mehrfamilienhaus bebaut, entstünden der Kommune auch höhere Infrastrukturkosten, erläutert der Verband.

Das Beispiel dazu: Der Wasser- und Abwasseranschluss für ein Mehrfamilienhaus hat eine höhere Kapazität als für ein Einfamilienhaus und ist entsprechend teurer. Diese höheren Kosten soll die Gemeinde nach Auffassung des ZIA über die höhere Grundsteuer für ein Mehrfamilienhausgrundstück weiterbelasten können.

Das Urteil aus Karlsruhe wird die Diskussion über die „richtige“ Besteuerung von Grund und Boden zusätzlich entfachen.

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