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Das Urteil über die im Juni 2015 eingeführte Mietpreisbremse ist vielerorts schon gefällt. Sie sei "unbrauchbar", sagt etwa der Deutsche Mieterbund. Die Bremse gilt als gescheitert, weil die Mieten weiter kräftig steigen. Dabei wollten die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD mit der gesetzlichen Deckelung der Neuvertragsmieten auf maximal zehn Prozent über dem jeweiligen ortsüblichen Vergleichsniveau Wohnraum bezahlbar halten. Nur wenn schon die vom Vormieter geforderte Miete höher lag, durften Vermieter an dieser Höhe festhalten - oder wenn Modernisierungen oder Sanierungen eine höhere Miete rechtfertigen. Die Bremse gilt in als angespannt geltenden Wohnungsmärkten, die von den jeweiligen Ländern festgelegt werden.
12 Bundesländer haben sie für über 300 Städte und Gemeinden eingeführt.
Der Befund, dass die Mietpreisbremse gescheitert ist, hat allerdings eine wacklige Datenbasis. Tatsächlich ist es schwierig zu messen, ob und wie stark die Mietpreisbremse wirkt. Bisherige Studien untersuchten in der Regel nur, wie sich die Mieten in benachbarten Gebieten entwickelt haben. Dafür nutzten sie Daten, wo im einen Gebiet die Mietpreisbremse galt, im anderen nicht. Sie kamen zum Ergebnis, dass kein oder nur ein geringer Effekt festzustellen war. Doch diese Herangehensweise liefert allenfalls Indizien. Mehr nicht. Steigende Mieten sprechen nicht prinzipiell gegen eine wirksame Mietpreisbremse. Selbst wenn Vermieter sich an die Vorgabe halten, müssten die Neuvertragsmieten nur langsamer steigen, nicht stagnieren.
Eine neue Studie der Immobilienmarktforscher vom Beratungsunternehmen Empirica versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Autoren haben 3007 Berliner Wohnungen identifiziert, die sowohl in den zwei Jahren vor Einführung der Mietpreisbremse, als auch in den zwei Jahren seit ihrer Einführung zur Miete angeboten worden sind. Da für diese Wohnungen auch die Wohnlage, das Baualter und die Ausstattung bekannt waren, ließ sich eine Vergleichsmiete aus dem Berliner Mietspiegel ableiten. Zudem wertete die Studie die Vormiete und die nach Einführung der Mietpreisbremse geforderte Miete aus. Das unterschied sie von anderen Studien, denn flächendeckende Daten zur Miethistorie einzelner Wohnungen gibt es in Deutschland nicht.
Normalerweise war klar: Die nach Einführung der Mietpreisbremse geforderte Miete durfte jeweils höchstens so hoch wie das Maximum aus der ortsüblichen Vergleichsmiete mit dem Zehn-Prozent-Aufschlag und der Vormiete sein. Oft war sie aber höher. Insofern bestätigen die Daten das Scheitern der Mietpreisbremse - auf den ersten Blick. So lag die Angebotsmiete in 81 Prozent der Fälle mehr als zehn Prozent über der Vergleichsmiete laut Mietspiegel. Zieht man jedoch die Fälle ab, in denen Vermieter wegen einer entsprechend hohen Vormiete legal so viel fordern durften, bleiben noch 62 Prozent der Wohnungsangebote übrig, die potenziell gegen die Mietpreisbremse verstoßen.
Hier forderten die Vermieter also eine Miete, die mehr als zehn Prozent über der Vergleichsmiete lag und die auch höher als die Vormiete war.
Modernisierungen oder Sanierungen könnten einen Teil der vermeintlichen Verstöße legalisieren. Schließlich berechtigen sie den Vermieter unter Umständen zu einer höheren Mietforderung. Deswegen zogen die Studienautoren auch alle Inserate ab, laut denen die Wohnungen "renoviert" oder "saniert" waren. Übrig blieben so noch 48 Prozent der Angebote. Bei ihnen gab es keine Hinweise darauf, dass die höhere Miete durch eine entsprechend höherwertige Ausstattung oder einen besseren Zustand gerechtfertigt war. Die tatsächliche Verstoßquote setzen die Autoren daher zwischen diesen 48 Prozent als Untergrenze und den 62 Prozent als Obergrenze an. Die so gemessene Verstoßquote sei deutlich geringer als in anderen Studien.
Andererseits könne sie "nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehr als die Hälfte der hier untersuchten Vermieter die Mietpreisbremse zu ignorieren scheint".
Trotzdem gehen die Autoren davon aus, dass die Mietpreisbremse den Anstieg der Neuvertragsmieten in angespannten Wohnungsmärkten bremsen kann. So stellten sie fest, dass der Mietanstieg direkt nach ihrer Einführung tatsächlich gedämpft wurde. Die Anzahl der Verstöße habe erst im Laufe der Zeit zugenommen, eventuell auch wegen Debatten über die Aussagekraft und Richtigkeit des Berliner Mietspiegels.
Das "Geheimnis über die Wirkungsweise der Mietpreisbremse" könne letztlich auch ihre Studie nicht lüften, räumen die Empirica-Marktforscher ein. Der Datensatz zeige nur einen Ausschnitt der Berliner Neuvermietungen und erlaube aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraums keine allgemeingültigen Aussagen zur Wirksamkeit der Mietpreisbremse. "Einzeilige Aussagen zur Wirkung der Mietpreisbremse" könnten so aber entkräftet werden.
Das lässt sich als Kritik an den Debatten zum Thema im Bundestags-Wahlkampf verstehen. Während Linkspartei, SPD und Grüne die Mietpreisbremse noch verschärfen wollen, ist die CDU eher dagegen, die FDP lehnt eine Verschärfung auf jeden Fall ab. So argumentiert die FDP, dass die Mietpreisbremse zu niedrigeren Renditen der Vermieter führe und damit vor allem private Investoren von Investitionen in Wohnraum abschrecke. Damit würde sie das Angebot an Wohnraum noch senken und sei insofern kontraproduktiv.