Zahl der Genehmigungen sinkt Boom beim Wohnungsbau fällt aus

Als im vergangenen Jahr die Zahl der Baugenehmigungen kräftig stieg, hofften Beobachter auf ein allmähliches Ende der Wohnungsknappheit. Die Hoffnung muss nun begraben werden: Im ersten Quartal 2017 ging es abwärts.

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Der Bauboom geht laut neuester Zahlen nicht weiter. Quelle: dpa

Düsseldorf Verhaltene Freude stellte sich in der Immobilienbranche und der Politik ein, als vor einiger Zeit die Zahl der Baugenehmigungen für das Jahr 2016 veröffentlicht wurden: 375.000 Wohnungen wurden demnach genehmigt, 22 Prozent mehr als 2015 und so viele wie seit 1999 nicht mehr. Mancher Beobachter träumte von einem Bauboom, der den deutschen Wohnungsmarkt entspannen könnte. Damit ist nun Schluss. Am Montag meldete das Statistische Bundesamt: Von Januar bis April 2017 wurde in Deutschland der Bau von 106.500 Wohnungen genehmigt – das sind ganze neun Prozent weniger als in den ersten vier Monaten 2016.

Das bedeutet, dass die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in Zukunft wieder größer statt kleiner wird. Denn die Bundesregierung wie auch die meisten Experten gehen davon aus, dass in absehbarer Zeit in Deutschland jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden müssten, um den Bedarf zu decken. Dieses Ziel dürfte erneut verfehlt werden.

Schon im Jahr 2016 hätte die Zahl der Genehmigungen nicht ausgereicht, um den Neubaubedarf zu decken. Die Zahl der Fertigstellungen lieferte ein noch traurigeres Bild: 2016 wurden nur 278.000 Wohnungen bezugsfertig.

Doch die Statistiker können auch gute Nachrichten verkünden: „Gegen den Trend gestiegen sind die Genehmigungen von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern“, schreiben sie. Bei ihnen gab es ein Plus von 2,5 Prozent, das entspricht 1.300 Wohnungen. Insgesamt wurden in den ersten vier Monaten 2017 rund 51.100 Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt. Ein höherer Wert wurde zuletzt 1998 erreicht.

Weil in Deutschland eher Wohnungen als Einfamilienhäuser fehlen, wertet Michael Voigtländer, Leiter des Immobilienkompetenzzentrums beim Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln, die zunehmenden Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser als „ein gutes Signal“. Fraglich ist für ihn aber, ob die Wohnungen dort entstehen, wo sie gebraucht werden: „Insbesondere in den Ballungsgebieten muss mehr gebaut werden“, sagt Voigtländer. In den Landkreisen aber werde in Anbetracht der dort schrumpfenden Bevölkerung eher schon zu viel gebaut. Das IW empfiehlt betroffenen Kommunen, keine neuen Baugebiete auszuweisen und Neubauten an den Abriss von alten Häusern zu koppeln.


Baugenehmigungen sind nicht gleich Baufertigstellungen

„Gerade in Ballungsgebieten wird aufgrund der steigenden Bodenpreise immer mehr mit Baugenehmigungen spekuliert“, kritisiert Forscher Michael Voigtländer. Auch Reiner Braun, Vorstand des Immobilienmarktforschers Empirica, beklagt das Missverhältnis von Baugenehmigungen und Baufertigstellungen, sieht dies aber eher als Problem des Mehrfamilienhausbaus. „Unter den steigenden Genehmigungszahlen bei Mehrfamilienhäusern könnten auch viele spekulative Genehmigungen sein.“ Gerade von Berlin sei bekannt, dass unbebaute Grundstücke mit Baugenehmigung teurer weiter verkauft werden, was den Baubeginn verzögert. Bei den Eigenheimen sieht Braun dagegen kaum Differenz zwischen Genehmigung und tatsächlicher Fertigstellung.

Um die Grundstücksspekulation einzudämmen, empfiehlt Braun höhere Grundsteuern auf unbebaute Flächen oder „ein Verfallsdatum für Genehmigungen“. Einig sind sich die Wohnungsmarktexperten, dass Deutschland mehr Bauland braucht: „eine Badewanne statt ein Waschbecken voll“, formuliert Braun die Größenverhältnisse für die Baulandausweisung, die nötig wären, um der Spekulation entgegenzuwirken.

Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes IVD, sieht die Differenz zwischen Genehmigungen und Fertigstellungen etwas weniger drastisch als Braun: „Positiv stimmt, dass das Verhältnis der Fertigstellungen zu den Baugenehmigungen unter Annahme einer durchschnittlichen Bauzeit von 18 Monaten um drei Prozentpunkte auf 93 Prozent gestiegen ist“, kommentierte er die vom Statistischen Bundesamt genannten Fertigstellungszahlen für 2016.

Für den Empirica-Experten Braun sind mehr Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser und weniger für Einfamilienhäuser kein neues Phänomen: „In Boomphasen werden anteilig immer mehr Mehrfamilienhäuser genehmigt und gebaut“, weiß er. Von einem Eigenheim-Überangebot, wie es Voigtländer sieht, will Braun nichts wissen.

„Es mag sein, dass auf dem Land mehr Einfamilienhäuser entstehen, als es dem rechnerischen Bedarf entspricht, aber nicht mehr, als die Nachfrage will.“ Die neuen Eigenheime dort würden nicht leer stehen. „Und: ich freue mich über jede junge Familie, die auf dem Land bleibt und nicht auch noch in die Städte zieht“, sagt Braun, der seit längerem für das Leben auf dem Land als Strategie gegen überhitzte Wohnungsmärkte in den Metropolen plädiert.

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