Zukunftsvision für Deutschland? Schweden kämpft mit überhitzten Immobilienpreisen

Schweden hat das, was man in Deutschland fürchtet: überhitzte Immobilienpreise und hoch verschuldete Privathaushalte. Die Regierung hat reagiert – nur ob die Maßnahmen ausreichen, ist mehr als fraglich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Für die eigene Immobilie sind Schweden bereit, sich hoch zu verschulden. Zu hoch, meint ihre Regierung.

Es waren ungewöhnlich deutliche Worte, die der schwedische Zentralbankchef Stefan Ingves Ende vergangener Woche aussprach. „Die Immobilienpreise und die Verschuldung der Haushalte steigen weiterhin“, erklärte er mit sorgenvoller Mine. „Dadurch sind sowohl Haushalte als auch Banken verletzbarer geworden.“

Es ist nicht das erste Mal, dass der schwedische Zentralbankchef vor der hohen Privatverschuldung warnt. Immer wieder hatte Ingves die Politik aufgefordert, Maßnahmen gegen die seiner Meinung nach zu großzügige Kreditvergabe seitens der Banken vorzugehen und die Steuervorteile für Kreditnehmer abzubauen. Tatsächlich hat die rot-grüne Minderheitsregierung in Stockholm nun reagiert: Seit dem 1. Juni müssen Immobilienkredite bis hinunter zu einer Beleihungsquote von70 Prozent mit zwei Prozent jährlich getilgt werden. Beträgt die Hypothek nur noch die Hälfte des Immobilienwertes, sinkt die jährliche Tilgung auf ein Prozent.

Solche Zwänge gab es bislang nicht. Viele Schweden haben in den vergangenen Jahren Immobilienkredite aufgenommen, die in den ersten zehn Jahren nicht abbezahlt werden mussten. Dank der rekordniedrigen Hypothekenzinsen war das Schuldenmachen für viele Schweden äußerst attraktiv. Zudem fördert der Staat das Leben auf Pump auch noch steuerlich, da ein knappes Drittel der pro Jahr anfallenden Kreditzinsen von der Steuer abgesetzt werden können.

Insgesamt haben die neun Millionen Einwohner Schwedens zusammen 3.328 Milliarden Kronen (359 Milliarden Euro) an Schulden. Diese hohe Verschuldung ist nicht nur dem Zentralbankchef seit Längerem ein Dorn im Auge. Auch die schwedische Finanzaufsicht FI warnte vergangene Woche: „Hochverschuldete Haushalte sind in erster Linie ein Risiko für die ökonomische Stabilität, da sie ihren Konsum deutlich einschränken und so eine künftige konjunkturelle Schwäche noch verstärken können“, erklärte FI-Chef Erik Thedéen. Er will mit den Chefs der größten Banken des Landes in den kommenden Wochen beraten, wie der Haushaltsverschuldung beizukommen ist.

Mythen und Irrtümer der Immobilienfinanzierung
Kreditvertrag und Hausmodell Quelle: dpa
Ein Paar mit Makler (Symbolbild)
Sparkasse Quelle: dpa
500-Euro-Scheine Quelle: dpa
Handwerker Quelle: dpa
Jemand schnallt seinen Gürtel enger
Schild Zu verkaufen Quelle: dpa

Schuldendeckel für Private im Gespräch

Eine Idee, die mehrere Ökonomen, darunter Mitglieder der Zentralbank und die Finanzaufsicht vorgeschlagen haben, ist die gesetzliche Festlegung einer Obergrenze des Verschuldungsgrades. Bislang entscheiden die Banken über die Höhe eines Kredites - und waren dabei in der Vergangenheit offenbar sehr großzügig, wenn es um das Verhältnis zwischen Einkommen und Kredithöhe, der sogenannten Schuldenquote, ging.

Das hat dazu geführt, dass die durchschnittliche Schuldenquote der schwedische Haushalte fast zweimal so hoch ist wie ihr Jahreseinkommen. Eine weitere Zahl der Finanzaufsicht beunruhigt die Experten noch stärker: Hatten vor fünf Jahren rund zehn Prozent aller Haushalte eine Schuldenquote von mehr als 600 Prozent eines Jahreseinkommens, tragen 2016 bereits 17 Prozent der Haushalte eine so hohe Schuldenlast. Die Finanzaufsicht fürchtet, dass sie in den kommenden Jahren bis auf 26 Prozent ansteigt.

„Steigen die Zinsen wieder, wird es teuer für die Haushalte“, sagte FI-Chef Thedéen. Weil eventuelle Privatinsolvenzen auch die Banken enorm belasten würden, befürwortet er eine Obergrenze des Verschuldungsgrades.

Mit einer solchen Deckelung der Kreditaufnahme oder dem Abbau der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten von Hypothekenzinsen tut sich die Politik allerdings schwer. Durch solche Maßnahmen wird der finanzielle Spielraum der Wähler schließlich erheblich eingeschränkt. Einig sind sich die Politiker nur, dass etwas gegen die hohe Privatverschuldung getan werden muss.

Nur wo der Hebel genau angesetzt werden soll, ist noch umstritten. 

 

 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%