Interview mit Dirk Müller "Wir sind in der Endphase"

Das Finanzsystem steht am Abgrund. Nur ein Neustart kann helfen, meint Dirk Müller, Börsenmakler und Bestseller-Autor. Im Interview erklärt er, warum der Fehler im System liegt und der Euro nicht funktioniert.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Börsenmakler und Quelle: AP

Herr Müller, die Finanzkrise begann mit einer Immobilienkrise, dann kam die Bankenkrise, jetzt haben wir die Staatsschuldenkrise – wie kommen wir da wieder raus?

Indem wir ganz von vorn anfangen. Unser Finanzsystem ist am Ende. In den USA beträgt die Gesamtverschuldung der Bürger, des Staates und der Industrie bereits 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das ist historisch einmalig. Das führt dazu, dass ein großer Teil dessen, was die Bürger erwirtschaften, für Zinsdienste abfließt. Diese Zinsen werden in der Regel nicht wieder in die Wirtschaft investiert, sondern stapeln sich bei denjenigen, die bereits sehr viel besitzen. Das soll nicht klassenkämpferisch klingen – ich gehöre keiner Partei an. Ich erkläre nur, wie das System funktioniert beziehungsweise dass es nicht ewig funktioniert.

Sie meinen, der Fehler liegt im System?

Unser Finanzsystem ist so beschaffen, dass es alle paar Jahrzehnte  neu gestartet werden muss. Der grundlegende Fehler ist folgender: Alles Geld, was wir erzeugen, ist Schuldgeld. Das heißt: Geld entsteht, indem jemand einen Kredit aufnimmt. Allem Geld, das im Umlauf ist, steht auf der anderen Seite Kredit gegenüber. Wenn die Staaten extrem hohe Schulden haben, dann muss auf der anderen Seite jemand sein, der genau diese Summe an Vermögen hat. Wenn die Bundesrepublik jährlich 40 Milliarden an Zinsen für ihre Schulden zahlt, dann muss irgendjemand 40 Milliarden an Zinsen kassieren.

Dann gleicht sich doch alles wieder aus.

Das könnte man meinen. Das Problem ist nur: Über die Jahrzehnte sammelt sich das Geld bei immer weniger Menschen an, während die Masse immer weniger davon hat. Für den Bürger spielt es am Ende gar keine Rolle, wo in diesem System die Schulden liegen – er zahlt am Ende immer; er zahlt seine eigenen Schulden sowieso, die des Staates über die Steuern, und die der Unternehmen über die Produkte, die er kauft, weil da die Zinsen in die Preise eingerechnet sind.

Die privaten Haushalte in Deutschland sind vermögend.

Die privaten Haushalte in Deutschland haben fünf Billionen Euro an Vermögen. Aber das Geld ist sehr ungleich verteilt. Die Hälfte der Bevölkerung hat davon nur vier Prozent. Und die obersten zehn Prozent besitzen fast zwei Drittel dieses Vermögens. Das geht so lange gut, bis die Masse die Zinslast nicht mehr tragen kann, bis sie den Gürtel nicht mehr enger schnallen und der Staat keine Leistungen mehr streichen kann.

Haben wir nichts aus vergangenen Krisen gelernt?

Nur weil wir in den letzten Jahrzehnten keine Staatspleiten in Europa hatten, denken wir, wir seien schlauer als vorherige Generationen. Das sind wir nicht. Wir machen die gleichen Fehler.  Nur eines ist anders: Früher gab es die Globalisierung nicht. Die Staaten waren relativ abgeschlossene Systeme. Wenn einer zusammengebrochen ist, hat das nicht gleich alle anderen mitgerissen. Wenn das jetzt passiert, dann ist das nicht mehr beschränkt auf ein oder zwei Länder. Deshalb hat die aktuelle Krise eine ganz andere Dimension als frühere.

Inhalt
  • "Wir sind in der Endphase"
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%