Zertifikatekauf Jede Sicherung kostet Geld

Zertifikate können gegen fast jedes erdenkliche Risiko abgesichert werden. Doch jede spezielle Sicherung kostet auch extra Gebühren. Ein Überblick über die Faktoren, die Einfluss auf die Konditionen und die Preisbildung bei Zertifikaten haben.

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Der milliardenschwere Zertifikatemarkt soll nun klarerer Regeln bekommen, Symbol dpa Quelle: dpa

Was ist das wichtigste bei jedem Vertrag? Das Kleingedruckte natürlich. Denn in den engen, winzigen Zeilen am Ende der Paragraphensammlungen findet sich oft das, worauf es eigentlich ankommt. Das gilt bei Kaufverträgen über Zertifikate genauso wie bei jedem anderen Vertrag. Der Definition nach sind Zertifikate genau genommen abgeleitete Wertpapiere. Sie beziehen sich immer auf einen bestimmten Basiswert – das kann eine Währung, eine Aktie, ein Rohstoff, ein Index oder irgendein bunt zusammengewürfelter Wertpapierkorb sein – und leiten aus dessen Wertentwicklung ihren Preis ab. Das passiert über finanzmathematische Formeln, die sehr einfach sein können, wie zum Beispiel bei Indexzertifikaten. Ein Prozent Gewinn oder Verlust beim Dax bedeutet bei dieser Produktgattung zum Beispiel ein Prozent Gewinn oder Verlust für das jeweilige Zertifikat. Gerade Großanleger nutzen Indexzertifikate – Kleinanleger steigen in den Zertifikatehandel eher mit Garantiezertifikaten ein. Es geht aber auch komplizierter: wenn beispielsweise Renditeversprechen an Bedingungen geknüpft werden. Ein Zertifikat gewinnt zum Beispiel nur dann an Wert, wenn ausnahmslos alle Kurse in einem ganz bestimmten Aktienkorb in einem zuvor festgelegten Zeitrahmen eine ebenfalls festgelegte Mindestperformance erreichen – eine von vielen möglichen „Wenn-Dann“-Verknüpfungen. „Wir könnten theoretisch unendlich viele solcher Bedingungen miteinander verknüpfen,“ gibt ein Produktspezialist ganz offen zu. Das kann so weit gehen, dass Anleger, die ein bestimmtes Zertifikat kaufen, mit diesem Papier ein Vielfaches dessen an Gewinn erzielen können, was mit gleichem Kapitaleinsatz bei dem betreffenden Basiswert möglich wäre oder – das ist der umgekehrte Fall – mit einem anderen Zertifikat überhaupt jeden Verlust vermeiden. Solche Renditeversprechen haben natürlich ihren Preis. Dabei gilt: Je mehr ein Zertifikat getunt wird, desto mehr Einflussgrößen wirken auf seine Wertentwicklung. Dazu kann die Schwankungsheftigkeit des Basiswertes zählen, aber auch die Höhe der Dividenden, das Wechselkursverhältnis und die eingepreisten Kosten. Die entscheidende Einflussgrösse der Preisstellung für das jeweilige Zertifikat ist in der Regel der Kurs des Basiswertes. Abgesehen von einigen Ausnahmen wie zum Beispiel Reverse-Bonus- oder Twin-Win-Zertifikaten, die sogar bei fallenden Kursen an Wert gewinnen können, bewegen sich Basiswert-Kurs und Zertifikate-Preis mehr oder weniger korrelierend zueinander. Das „Mehr oder weniger“ wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Einfluss auf Zertifikate nehmen Die Volatilität gibt an, wie stark der Kurs eines Wertpapiers schwankt. Je höher die Volatilität, desto größere Kurssausschläge sind möglich. Bei Turbo-Zertifikaten spielt die Volatilität überhaupt keine Rolle. Deshalb eignen sich gerade in Zeiten heftiger Kursschwankungen Turbozertifikate gut als Spekulations- oder Absicherungsinstrument. Bei Anlagezertifikaten wiederum kommt es ganz auf die Konstruktion an, ob und wie sehr die Volatilität Einfluss auf den Preis hat. So gibt es zum Beispiel Zertifikate wie die beiden Volatilitäts-Papiere von Goldman Sachs (DE000GS0DVX3 und DE000GS0DVD5), die direkt auf Veränderungen eines Volatilitätsindex reagieren. Aber auch indirekt kann die – jüngst wieder deutlich gestiegene – Volatilität auf die Preisbildung von Anlagezertifikaten wirken. Zum Beispiel bei Discountzertifikaten, einer der beliebtesten Zertifikatetypen. Ihr Prinzip: Mit einem Discountzertifikat erwirbt der Anleger den zugrunde liegenden Basiswert – also zum Beispiel eine Aktie oder einen Index – mit einem Abschlag. Im Gegenzug für diesen Discount partizipiert er nur bis zu einem vorher bestimmten Höchstbetrag, auch Cap genannt, an Kurssteigerungen des Basiswerts. Finanziert wird der Rabatt mit den einbehaltenen Dividenden und dem Verkauf von Call-Optionen auf den Basiswert an der Terminbörse. Daher rührt auch die Gewinnbeschränkung. Denn mit dem Verkauf einer Call-Option verzichtet der Verkäufer auf zukünftige Gewinne, die über den Basiswert der Option hinausgehen. Der Preis von Optionen wiederum steigt und fällt mit der Volatilität. Für Discountzertifikate bedeutet dies, dass in Zeiten hoher Volatilität höhere Rabatte möglich sind, während die Konditionen schlechter werden, wenn die Volatilität sinkt. Auch die Dividenden haben einen Einfluss auf die Konditionen und die Preisbildung bei Zertifikaten. Bei den meisten Anlagezertifikat-Typen werden die Dividenden nicht direkt an den Anleger weitergereicht, sondern dazu verwendet, den jeweiligen Bonus-, Schutz oder Garantiemechanismus zu finanzieren. Um beim Beispiel Discountzertifikat zu bleiben: Neben der Volatilität ist auch hier die erwartete Dividendenzahlung des Basiswertes die entscheidende Einflussgröße bei der Preisbildung. Denn die Dividendenausschüttungen, die der Emittent für den jeweiligen Basiswert über die komplette Laufzeit erwartet, werden dem Käufer des Discountzertifikats als Rabatt gutgeschrieben. Der Wechselkurs spielt nur bei Zertifikaten eine Rolle, deren Basiswert außerhalb des Euro-Raums notiert ist. Das ist bei den meisten ausländischen Aktien, aber auch bei Rohstoffen der Fall. Denn ganz gleich, ob Öl, Weizen oder Metalle gehandelt werden: Als Handelswährung gilt hier der US-Dollar. Das macht Spekulationen auf fallende oder steigende Rohstoffpreise zuweilen zu einer Währungsspekulation. Denn ein Wertverfall des Dollar schlägt auch voll auf den Preis des jeweiligen Zertifikats durch. So kann das Zertifikat selbst dann an Wert verlieren, wenn der Kurs des Basiswerts in seiner Heimat- oder Handelswährung steigt. Zertifikate mit Währungsabsicherung beugen solchen Szenarien vor. Sie werden Quanto genannt. Das Quanto steht dafür, dass das jeweilige Zertifikat die Entwicklung des Basiswertes ohne Währungseinflüsse nachvollzieht. Wer beispielsweise ein Quanto-Indexzertifikat auf den US-amerikanischen S&P 500 kauft, braucht den Dollar nicht mehr im Blick zu halten. Ein Plus des Index kann durch einen schwachen Dollar so nicht mehr ins Minus gerissen werden. Die Devisenabsicherung kostet je nach Währung bis zu vier Prozent – was ein gutes Geschäft ist, wenn der Dollar zehn Prozent an Wert verliert. Es bedeutet aber auch einen zusätzlichen Verlust, falls der Dollar steigt. Denn dann fallen nicht nur die Kosten an, der Anleger sieht auch nichts von dem Währungsgewinn. Die große Unbekannte bei der Preisbildung von Zertifikaten. Anders sieht es bei Quantozertifikaten auf japanische oder schweizerische Aktien aus. Hier kostet das Quanto kein Geld, sondern bringt sogar noch zusätzlichen Gewinn. Die Emittenten sichern mögliche Währungsschwankungen am Terminmarkt nicht über Devisenoptionen ab, sondern über Zinspapiere. Jörg Kukies von Goldman Sachs nennt die Faustregel: „Ist das ausländische Zinsniveau höher als dasjenige in der Euro-Zone, kostet die Währungsabsicherung Geld. Ist das Zinsniveau niedriger, können sogar Quanto-Gewinne anfallen.“ Apropos Kosten: Dieser Faktor ist oft die große Unbekannte bei der Preisbildung von Zertifikaten. Denn anders als bei Indexzertifikaten, bei denen sich die Wertentwicklung des Zertifikats direkt mit der Wertentwicklung des Basiswertes vergleichen lässt, lassen sich bei den meisten der rund 130 000 Papieren allein schon durch die geringere Transparenz leicht Kosten verstecken – auffälligerweise umso mehr, je weniger Konkurrenten vergleichbare Produkte auf denselben Basiswert anbieten und je komplexer die Struktur ist. „Wie hoch die tatsächlichen Kosten bei einem Zertifikat sind, lässt sich allerdings oft nicht so leicht allein aus einem Vergleich der Performances der Zertifikate herleiten, denn die Emittenten achten darauf, dass die Parameter sich von den Produkten der Konkurrenz unterscheiden“, sagt Marcus Jendraszek, Zertifikate-Fondsmanager bei der Vermögensverwaltung Dahl & Partner. So gibt es beispielsweise derzeit fast keine direkt miteinander vergleichbaren Bonuszertifikate: Die Emittenten variieren den Bonuslevel, die Barriere und die Laufzeit. Kennziffern wie die erzielbare jährliche Bonusrendite sind dann selbst bei identischen Basiswerten schwer vergleichbar. Bei der mit Abstand beliebtesten Zertifikatekategorie, den Garantieprodukten, sind zwar Merkmale wie der garantierte Mindestzins oder die Laufzeit durchaus vergleichbar. Garantiezertifikate auf gängige Aktienindizes wie Dax, Euro Stoxx 50 und Co. sind allerdings eine Rarität. Hingegen kennt der Einfallsreichtum der Emittenten bei der Kreation von Basiswerten für Garantieprodukte keine Grenzen: Aktienkörbe, Rohstoffe und selbst die Zinsdifferenz von Bundesanleihen dienen als Basiswert. Das Phänomen fällt auch bei Express-, Sprint, Outperformance- und anderen Zertifikatetypen auf. Markus Straub, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hat eine Erklärung dafür: „Je komplizierter ein Zertifikat ist, und je weniger der Anleger nachvollziehen kann, wie sich der Preis eines Zertifikats zusammensetzt, desto besser lassen sich Preisaufschläge verstecken“. Emittenten von Zertifikaten haben es allerdings in Deutschland auch besonders leicht, beim Anleger abzukassieren. „Der Zugang zu einem transparenten Terminmarkt, der allein durch Nachfrage und Angebot geregelt wird, bleibt privaten Anlegern weitestgehend verschlossen“, erklärt Markus Straub. Denn bei Zertifikaten machen die Emittenten den Preis, nicht der Markt. Sie nutzen unter anderem Optionen der Terminbörse Eurex als Bauteile. Die vielen Zertifikaten zugrunde liegenden exotischen Optionen steuert die eigene Handelsabteilung bei. Aus diesen Bauteilen und den Basiswerten selbst werden Komplettpakete geschnürt und den Anlegern mit einem Preisaufschlag als Zertifikate verkauft. Wie hoch der Preisaufschlag gegenüber den Herstellungskosten an der Terminbörse ist, das bestimmen zunächst die Emittenten selbst und dann der Anleger, indem er kauft oder eben nicht. Gerade bei Indexprodukten ist das Angebot der Konkurrenz eine Preisbremse. Im Rahmen von neuen Märkten kann es lohnen, zunächst zu warten, ob die Konkurrenz ein ähnliches Produkt lanciert. Denn auch in der Zertifikatebranche gilt manchmal: Lieber gut kopiert als schlecht erfunden. Die wichtigsten Nebenkosten beim Zertifikatekauf im Überblick: Ausgabeaufschlag, Spread und Managementgebühren sind wichtige Kennzahlen. Es lohnt sich, Zertifikate und ihre jeweiligen Konstruktionen miteinander zu vergleichen. Manche Emittenten bieten auf ihren Web-Sites übersichtlich alle notwendigen Daten. Ist das nicht der Fall, sollten dieVerkaufsprospekte kritische geprüft werden. Verkaufsprospekt und Broschüre lesen: Zu jedem Zertifikat werden vom Emittenten ein Verkaufsprospekt und eine Broschüre veröffentlicht. Zusätzlich müssen Änderungen in der Zusammensetzung von Aktienkörben bekannt gegeben werden. Vor allem die Verkaufsprospekte sind oft schwer verdauliche Lesekost. Trotzdem lohnt ein prüfender Blick. Denn hier wird meist erklärt, wie der Basiswert des Zertifikats berechnet wird und wie hoch die Kosten sind. Die Unterlagen werden in der Regel im Internet auf den Homepages der Emittenten veröffentlicht und können dort heruntergeladen werden. Basiswert sorgfältig auswählen: Handelt es sich bei einem Basiswert nicht um einen Standardindex, eine einzelne Aktie, Währung oder einen Rohstoff, sondern um eine Art Basket, ist es ratsam, die Zusammensetzung genau zu prüfen. Grundsätzlich gilt: Anleger sollten nur Zertifikate mit Basiswerten kaufen, deren Zusammensetzung transparent ist und deren Wertentwicklung sie nachvollziehen können. Auf den Emittenten achten: Zertifikate sind nachrangige Schuldverschreibungen. Wird der Emittent insolvent, ist auch eine „garantierte“ Auszahlungszusage wertlos. Deshalb sollten Anleger grundsätzlich nur Zertifikate renommierter Emittenten kaufen. Limit setzen: Ein Limit ist ein Orderzusatz, der im Wertpapierhandel die Grenze bezeichnet, bei deren Über- oder Unterschreiten eine Wertpapierorder ausgeführt wird. Anleger sollten genau definieren, wie viel sie für ein Zertifikat zahlen wollen und wann sie verkaufen möchten. Glossar Ausgabeaufschlag: Eine Art Verkaufsprovision. Anders als bei Fonds wird sie bei Zertifikaten nur bei der Emission fällig. Nach der Emission sind Zertifikate, die mit diesem Aufschlag platziert wurden, in der Regel preisgünstiger. Spread: Die Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs nach der Emission. Faustregel: Ein Spread von weniger als 0,5 Prozent ist preiswert, ein Spread von mehr als 1,5 Prozent ist eher teuer. Managementgebühren: Sie werden in der Regel dann fällig, wenn die Zusammensetzung eines Zertifikats aktiv von Experten gemanagt wird – ähnlich wie bei Fonds. Allerdings gehen nicht alle Emittenten gleich transparent mit diesen Kosten um. Während manche Emittenten die Managementgebühren ihrer aktiv gemanagten Zertifikate auf ihrer Web-Site veröffentlichen, schreiben andere die Kosten nur in ihre Verkaufsbroschüren.

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