Milliardenbetrug Madoff-Skandal schädigt deutsche Anleger

Der US-Betrugsskandal um den Vermögensverwalter Madoff trifft auch deutsche Fondssparer. Ihre Dachfonds kauften sich über Luxemburg und Irland in Madoffs Schneeballsystem ein. Wieder einmal versagten Kontrollen und Sicherheitssysteme. Tausende Anleger bangen jetzt um ihr Kapital.

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Bernhard Madoff: Der einst Quelle: REUTERS

Es geht doch: Am 30. Dezember verkündete die US-Wertpapieraufsicht SEC das Ende eines Schneeballsystems, in dem neu angelockte Investoren unwissentlich die vermeintlichen Gewinne ihrer Vorgänger finanzierten. Dabei hätten die Initiatoren „"nbedarfte Mitglieder einer eng verbundenen Gemeinschaft ausgenutzt“, sagt SEC-Direktorin Linda Chatman Thomsen. 23 Millionen Dollar sackten die Betrüger von Creative Capital Consortium bei Einwanderern aus Haiti ein.

Doch der kleine Erfolg ist zurzeit eher peinlich für die SEC. Denn er lässt noch unfassbarer erscheinen, dass die Behörde den 50-Milliarden-Betrug von Wall-Street-Legende Bernard Madoff jahrelang übersehen konnte – trotz zahlreicher Verdachtsmomente. Creative Capital ließ die SEC nach nur zwölf Monaten hochgehen. Madoff aber drehte unbehelligt ein immer größeres Rad – mindestens 16 Jahre lang. Bitter für deutsche Anleger: Seit Jahren konnte die Luftnummer über offiziell zugelassene Investmentfonds auch in deutschen Anlegerdepots landen.

Mit Madoffs Schneeballsystem ist die Illusion geplatzt, dass die strengen deutschen Regeln für Fonds Anleger vor Schaden schützen. Banken, Wirtschaftsprüfer und Vermögensverwalter haben versagt. Jetzt ist endgültig klar: Auch offiziell in Deutschland zugelassene Fonds sind nicht garantiert seriös.

Wie kamen Madoff-Anteile in deutsche Depots? Die Schlüsselrolle in dem Skandal spielt in Europa die österreichische Bank Medici. Das kleine 16-Mitarbeiter-Institut war zuständig für die Anlageentscheidungen des in Irland offiziell als Investmentfonds notierten „Thema US Equity Fund“ mit einem Volumen von rund einer Milliarde Euro und des in Luxemburg von der dortigen Finanzaufsicht zugelassenen "Herald Lux US Absolute Return“, der bei Anlegern seit seiner Gründung im März 2008 rund 200 Millionen Euro einsammelte.

Die Anleger haben unverdächtige Dachfonds gekauft

Die Herald-Verwaltungsgesellschaft holte sich gut beleumundete Personen in den Verwaltungsrat, unter anderem den früheren Vorstand der Commerzbank-Fondsgesellschaft Adig (heute Cominvest), Friedrich Pfeffer. Geholfen hat das nichts. Beide Fonds wurden von Madoff bestückt. Wo das Vermögen dieser Fonds geblieben ist, beschäftigt derzeit mindestens drei Finanz-Aufsichtsbehörden in Europa. Thema und Herald wurden unter anderem von dem Dachfondsanbieter UBS Sauerborn (laut Eigenwerbung „eine der ersten Adressen für die Vermögensverwaltung von Hochvermögenden in Deutschland“) in deren Vermögensstrategiefonds gepackt. Der frühere Mainzer und inzwischen nach Liechtenstein übersiedelte Vermögensverwalter Bernd Greisinger setzte sie massiv in sechs seiner BG-Dachfonds ein, die er an arglose deutsche Anleger verkaufte. Insgesamt sind rund 40 Dachfonds betroffen, die von geschätzt weit über Zehntausend deutschen Anlegern gekauft wurden.

Zwar nahm der Herald-Fund Anleger erst ab einer Mindestanlage von 50.000 Dollar auf, viele kamen aber schon mit 5000 Euro zum Zuge, weil ihre Fondsverkäufer Aufträge einfach bündelten. Angelockt wurden Investoren durch Werbung, wie beispielsweise der des Fondsvermittlers Infos aus Reutlingen: „7 % p. a. ohne Schwankungen – ist das seriös?“, schrieb Infos noch am 26. November 2008 an Anleger. Die Antwort gab Infos-Chef Thomas Geissler gleich selbst: "Die Unterlagen sagen Ja. Der Herald Fund ist ein Klon des seit 18 Jahren erfolgreichen Thema Fund, welcher wegen Überfüllung seit vielen Jahren geschlossen ist.“

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Ein süddeutscher Anleger erinnert sich noch an eine Werbeveranstaltung, für die extra eine VIP-Lounge im Stuttgarter Gottfried-Daimler-Stadion angemietet und bei der auch Herald angepriesen wurde. Für die Anleger, die direkt in die Fonds Herald und Thema investiert haben, bedeutet das Debakel einen Totalverlust. Dachfondsanleger kommen glimpflicher davon, da nie das gesamte Geld eines der 40 Dachfonds nur in diese zwei Fonds floss. Aber sie können manche Fonds derzeit weder verkaufen, noch erfahren sie, welchen Wert ihr Vermögen noch hat.

Kontrollen versagen. Die Anleger haben unverdächtige Dachfonds gekauft, die wiederum in 10 bis 30 einzelne Fonds investieren und bei denen eigentlich viele Instanzen kontrollieren und sichern sollen. Auf die häufig wortreich beschriebenen Expertisen der Dachfondsmanager bei der Fondsauswahl haben sich viele Privatanleger verlassen. Ein Fehler mit Folgen: "Wir entdecken immer wieder, dass ein Großteil der Dachfondsmanager Fonds nur anhand von Performance und Charts auswählt. Die Strategie, das Investmentteam, die Kosten und eine Analyse der Fondsgesellschaft spielen meist nur ein nachrangige Rolle“, sagt Werner Hedrich, Leiter Fondsresearch beim Fondsdatenanbieter Morningstar.

Dachfondsmanager, die genauer hinschauten, entdeckten durchaus Ungereimtheiten: „Wir haben nicht bei Madoff investiert, weil er weder einen unabhängigen Fondsverwalter noch einen unabhängigen Broker hatte“, sagt Roman Rosslenbroich, Chef des Hamburger Investmenthauses Aquila Capital. "Außerdem machte er jedes Jahr Gewinn, das schafft langfristig niemand, solche Zahlen sollten stutzig machen“, so Rosslenbroich.

Die deutsche Fondsbranche ging seit jeher davon aus, dass sie aus dem IOS-Skandal um den Anlagebetrüger Bernie Cornfeld in den Siebzigerjahren gelernt hätte. Cornfeld hatte über panamaische Dachfonds ein Pyramidensystem aufgebaut und ausgeplündert. Die nach dem IOS-Desaster gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben- und Kontrollteilung zwischen der Depotbank, der Fondsgesellschaft und den Wirtschaftsprüfern sollte Anleger wirksam schützen: Die Fondsgesellschaft oder ein von ihr eingesetzter Berater entscheidet über die Wertpapiere, die in das Fondsdepot wandern. Sie muss sich dabei an Vertragsbedingungen halten, die der Anleger im Verkaufsprospekt des Fonds nachlesen kann. Die Depotbank soll die Anlageentscheidungen des Fondsmanagers kontrollieren und mit den Vorgaben aus den Vertragsprospekten abgleichen. Will der Fondsmanager zum Beispiel Derivate kaufen, die laut Vertragsbedingungen nicht erlaubt sind, muss die Depotbank ihm dies verweigern.

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