Finanzkrise Nicht nur die USA verantwortlich für Finanzkrise

Warum deutsche Vorwürfe, allein die USA hätten die Finanzkrise zu verantworten und die Welt damit ins Unglück gestürzt, falsch sind und was jetzt gemeinsam zu tun ist.

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Lehman-Pleite in New York: In der Krise hilft nur ein großer Wurf Quelle: Laif

Dieser Tage ist es in Deutschland und anderen europäischen Staaten gängige Praxis, die USA als Quelle für die Finanzkrise, die Rezession und die damit verbundenen negativen Effekte auf einzelne Branchen und den Arbeitsmarkt an den Pranger zu stellen.

Der Vorwurf: Jenseits des Atlantiks hätten ein ungezügelter Turbokapitalismus, ein ungedeckter Konsumrausch und unregulierte Kapitalmärkte zum Zusammenbruch der US-Wirtschaft und in der Folge auch der deutschen Wirtschaft geführt.

Sicherlich gibt es gute Gründe, dass die Amerikaner ihre Geld- und Fiskalpolitik und die extrem niedrige Sparquote selbstkritisch hinterfragen. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass die gezähmte Marktwirtschaft rheinischer Natur nun bewiesen habe, sie sei für den Menschen besser, hieße, die Augen vor dem eigenen Versagen in der Krise zu verschließen. Sind es etwa die kapitalistischen Amerikaner, die die Schuld an dem Quasi-Zusammenbruch der Landesbanken haben und die jetzt nur noch durch das Geld der Steuerzahler überleben können?

In Deutschland müssen Banken nicht erst verstaatlicht werden, sie sind es doch größtenteils bereits. Etwa 40 Prozent des Bankenmarkts werden durch öffentlich-rechtliche (Landesbanken, KfW Bankengruppe) oder quasi-staatliche (IKB) Kreditinstitute dominiert. Den Rest des Marktes teilen sich die klassischen Privatbanken (Deutsche Bank, Commerzbank mit Dresdner Bank und Postbank) sowie die Genossenschaftsbanken.

In Deutschland sind vor allem staatliche Banken in Seenot geraten

Anders als in den USA, wo die Giganten der Wall Street sowie kleinere Privatbanken in Konkurs gingen oder die Rekapitalisierung durch die US-Regierung in Anspruch nehmen mussten, sind in Deutschland zumindest bislang vor allem die staatlichen Banken durch die Finanzkrise in Seenot geraten. Gemessen an der Bilanzsumme, ist ihr relativer Abschreibungsbedarf erheblich höher. Die Landesbanken sind stark reguliert und werden von Aufsichtsräten, in denen auch aktive und ehemalige Politikern sitzen, in ihrem Geschäftsgebaren überwacht.

Wie konnte es also zu einer solchen Anhäufung von Risiken kommen? Deutschland zeigt, dass der Staat sicher nicht der bessere Banker ist, sondern es für ihn nur leichter ist, mit dem Geld der Steuerzahler zu spielen. Beim freien Handel in einer Marktwirtschaft braucht es immer zwei – einen, der etwas freiwillig verkauft, und einen, der es freiwillig kauft. Wer von vornherein weiß, dass er gerettet wird, der kann bewusst oder unbewusst auch schon einmal höhere Risiken eingehen.

Jackson Janes (li.) ist Direkter, Tim Stuchtey Senior Research Fellow des American Institute of Contemporary German Studies (AICGS), einer der angesehensten unter den deutsch-amerikanischen Denkfabriken.

Wer sich deshalb zu besten Konditionen dank großzügiger Übergangsregelungen am Kapitalmarkt Geld leihen kann, um dies mit einem Zinsaufschlag in angeblich sichere US-Hypotheken zu investieren, wird dies, ohne lange darüber nachzudenken, auch tun. Und wenn die Aufsicht durch Menschen erfolgt, die nur alle vier Jahre (und nur sehr mittelbar) zur Rechenschaft gezogen werden, dann sind keine allzu kritischen Nachfragen zu erwarten.

Nein, Deutschland, es waren nicht allein die USA, die diese Banken in Schieflage gebracht haben, es war dein eigener Staat mit einer falschen Regulierung, der jetzt parteiübergreifend versucht, von der eigenen Schuld abzulenken, indem er auf andere zeigt. Eine neue Weltfinanzordnung braucht nicht mehr Regulierung und auch nicht unbedingt eine angeblich bessere europäische oder gar deutsche Regulierung. Sie braucht die richtige Regulierung, die Europäer und Amerikaner nun am besten gemeinsam erarbeiten sollten.

Denn zwei Dinge hat die Krise deutlich gezeigt: Die Regulierung der Finanzmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks weist deutliche Schwächen auf. Eine Welle, die in New York ihren Ausgang nimmt, lässt sich auf weltweit verflochtenen Finanzmärkten nicht durch unterschiedliche Regulierungsrahmen in London oder Frankfurt aufhalten.

Man kann über den Sinn und Zweck von schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen geteilter Meinung sein, doch in einer Krise wie dieser hilft nicht Stückwerk, sondern nur ein großer Wurf. Steuererleichterungen, wie beispielsweise die Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung vom Beginn der großen Koalition, wären weitere Möglichkeiten. Darüber hinaus könnte der zügige Abbau von internationalen Handels- und Investitionsschranken einen langfristigeren Wachstumsschub auslösen.

Dazu bedarf es aber einer klaren und entschiedenen Führung seitens einer der größten Volkswirtschaften der Welt – Deutschland. Ohne Deutschland in der Führungsposition hat sich bislang politisch in Europa wenig bewegt. Zudem bedarf es einer engen Abstimmung zwischen Berlin und der neuen Regierung in Washington. Die wirtschaftliche Situation verbietet es deshalb, dass sich Deutschland bis zur Wahl im September 2009 mit sich selbst beschäftigt und sich bei der Führung Europas auf die tschechische Präsidentschaft verlässt.

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