Temposünder Radarkontrollen: Richter akzeptieren Fotos nicht mehr als Beweis

Temposünder müssen derzeit oft kein Bußgeld zahlen, weil Richter Fotos nicht mehr als Beweis akzeptieren – wegen einer Gesetzeslücke.

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So viel nehmen deutsche Städte mit Blitzern ein
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat 150 Städte befragt, wie hoch ihre Einnahmen aus Geschwindigkeitskontrollen im Jahr 2012 gewesen sind. Nicht im Ranking enthalten sind Großstädte wie Berlin, Hamburg und München, da die Städte trotz gesetzlicher Auskunftspflicht nicht auf die Anfrage des DAV reagiert haben. "Von den angeschriebenen Städten haben wir bisher nur 34 Fragebögen, zum Teil mit unvollständigen Angaben, zurückbekommen. Sechs dieser Städte haben außerdem die übermittelten Daten nicht zur Veröffentlichung freigegeben", sagte Jens Dötsch vom DAV gegenüber der Bild-Zeitung. Quelle: dpa
Die meisten Radarfallen gibt es übrigens in Berlin: In der Hauptstadt stehen 22 festinstallierte Blitzer. Hinzu kommen 100 mobile Geschwindigkeitskontrollen. Zweitplatzierter ist Düsseldorf mit 37 stationären und mobilen Radarfallen. Danach kommt Hamburg mit 34 Blitzern, Stuttgart mit 32, Freiburg mit 24 sowie Bremen und Aalen mit je 20 Blitzern. Die 34 Städte, die der DAV ausgewertet hat, haben zusammen mehr als 500 stationäre und mobile Blitzsysteme. Quelle: dpa
Platz zehn: PforzheimDie baden-württembergische Stadt Pforzheim hat laut DAV-Angaben im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Euro durch Radarkontrollen eingenommen. Zweckgebunden sind die Gelder, die Raser an die Kommunen zahlen übrigens nicht. Sie fließen in den Gesamthaushalt.
Platz neun: MünchenDie bayerische Landeshauptstadt verdiente an Autofahrern mit Bleifuß vergangenes Jahr 1,9 Millionen Euro. Quelle: AP
Platz acht: BonnAuch die frühere Bundeshauptstadt Bonn konnte sich 2012 über Zusatzeinnahmen aus den Radarkontrollen freuen: Insgesamt flossen 2,5 Millionen Euro in den Haushalt der Stadt. Und es dürfte künftig noch mehr werden: Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen dürfen nämlich künftig ohne polizeiliche Zustimmung blitzen. Radarfallen können also auch in Bonn in Zukunft unabhängig von dem Gefahrenpotential einer Verkehrsstelle aufgebaut werden. Der DAV vermutet hinter dieser Regelung Abzocke der Autofahrer. Quelle: dpa
Platz sieben: FrankfurtNach Meinung des Deutschen Anwaltverein werden die anderen Bundesländer dem Beispiel Nordrhein-Westfalen folgen. Allein dem hessischen Frankfurt könnte eine solche Lockerung der Blitzer-Richtlinien einiges einbringen. Im vergangenen Jahr verdiente die Bankenstadt am Main 2,7 Millionen Euro mit Rasern. Quelle: dpa
Platz sechs: NürnbergIm fränkischen Nürnberg konnte sich die Stadtverwaltung 2012 über 2,8 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen freuen. Quelle: dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber mal wieder ausgebremst. Schon vor einigen Wochen hoben die Richter ein Bußgeld gegen einen Temposünder auf, den eine automatische Videoaufnahme überführt hatte. Die verdachtsunabhängige Aufnahme verstoße gegen das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, sagten die Richter. Jetzt zeigt sich, dass das Urteil weitreichende Folgen hat: Inzwischen liegen erste Entscheidungen vor, in denen Amtsgerichte auch Temposünder freisprechen, die – wie üblich – durch das Foto eines Blitzgeräts und nicht durch ein Video überführt werden sollen. Solche Fotos seien nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht mehr als Beweis verwertbar, erklärten etwa die Amtsgerichte in den sächsischen Städten Grimma und Eilenburg.

Was Raser wissen müssen

Nach Ansicht der Richter ist die Aufnahme und Speicherung eines Fotos ebenfalls ein Eingriff in das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, der nur legitim wäre, wenn es eine gesetzliche Grundlage gäbe. Die fehlt aber. „Da gibt es eine Gesetzeslücke“, sagt Anwalt Frank Seutter von der Kanzlei Buse Heberer Fromm. Das Bundesverkehrsministerium teilte mit, der Sachverhalt werde derzeit „juristisch geprüft“.

Sieben Spritspartipps

Die Straßenverkehrsbehörden sind nervös. „Wenn Fahrzeughalter derzeit auf Anfrage angeben, sie wüssten nicht, wer ihr Auto zum fraglichen Zeitpunkt gefahren hat, sind die Beamten in einer schwierigen Situation“, sagt Seutter. Denn ihr Beweis – das Foto – droht ihnen vor Gericht um die Ohren gehauen zu werden.

Keine Probleme gibt’s aber, wenn Fahrer per Laser gemessen und direkt herausgewunken werden. Dann sehen die Beamten, wer am Steuer sitzt – und sind nicht auf ein Foto angewiesen.

Hinweis: Dieser Artikel ist von 2009 und gibt nicht die aktuelle Rechtslage wider - diese erklärt Verkehrsstrafrechtsexperte und Rechtsanwalt Christian Demuth hier.

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