Rohstoffhändler Giganten in Öl

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Ähnlich wie bei Glencore denken auch die Partner von Trafigura über einen Börsengang nach. Der würde aber nur einen Teil der Firma umfassen: Wie die anderen Ölhändler betreibt Trafigura in Häfen Tanks und Terminals. "Diese industriellen Aktivitäten könnten wir in ein separates Unternehmen auslagern, das wir dann an die Börse bringen", sagt Weir. Konkrete Pläne gebe es noch nicht.

Für Handelshäuser ist ein Börsengang nicht zwingend erforderlich – Banken finanzieren ihnen ihre Aktivitäten liebend gern. Dabei geht es oft um gewaltige Summen. Selbst die Genfer Mercuria, die kleinste der Big Five, benötigt für ihre Geschäfte Kreditlinien von mehr als 15 Milliarden Dollar; die Finanzierung teilen sich 40 internationale Banken.

Gunvors Russland-Connection

Weil Ölhändler gute Kunden der Kreditinstitute sind, schauen diese zuweilen nicht ganz genau hin, mit wem sie da eigentlich Geschäfte machen. Zu den Handelshäusern mit einem eher undurchsichtigen Hintergrund gehört die Gunvor Group, die ihren Umsatz 2010 um knapp ein Viertel auf 65 Milliarden Dollar anheben konnte. Die Gesellschaft, die vor allem Rohöl aus Russland vertreibt, hat sich an einer der feinsten Adressen Genfs niedergelassen – am Quai du Général Guisan, unmittelbar am Genfer See.

Gegründet wurde das Unternehmen 1997 von dem schwedischen Ölhändler Torbjörn Törnqvist und dem gebürtigen Russen Gennadi Timtschenko, der heute finnischer Staatsbürger ist.

Immer wieder blühen Gerüchte auf, dass Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin indirekt an Gunvor beteiligt sei. So berichtete John Beyrle, US-Botschafter in Moskau, im November 2008 in einem Kabel nach Washington, staatliche Ölexporte hätten favorisierten Händlern Milliardenprofite gebracht, allen voran Gunvor, die gerüchteweise eine der Quellen von Putins geheimem Reichtum seien.

Das alles wird von Gunvor heftig dementiert. "Es ist schlicht falsch, zu behaupten, dass Ministerpräsident Putin irgendeinen Anteil oder irgendein finanzielles Interesse an Gunvor hat", stellt ein Firmensprecher fest. Dies sei auch in der Vergangenheit nie der Fall gewesen. Die beiden Hauptaktionäre seien vielmehr Timtschenko und Törnqvist. Allerdings bestreitet der Gunvor-Sprecher nicht, dass Putin und Timtschenko sich aus früheren Tagen ganz gut kennen.

Vitol, der stille Marktführer

Anders als Gunvor ist es Vitol gelungen, sich weitgehend aus den Schlagzeilen herauszuhalten. Das 1966 gegründete Unternehmen ist – noch vor Glencore – der größte unabhängige Ölhändler der Welt. Darauf deutet freilich wenig hin am Firmensitz in Genf, 28, Boulevard du Pont d’Arve. Im Erdgeschoss des Gebäudes befinden sich eine Diskothek und ein Fitnessstudio. Im fünften Stock schicken die Vitol-Händler Öltanker auf die Reise – von Abu Dhabi nach China oder von Lagos nach Wilhelmshaven. Von der Hektik, die an den Rohstoffbörsen von Chicago herrscht, ist in dem Handelssaal nichts zu spüren. Mit ruhiger, eher gedämpfter Stimme verhandeln die Trader am Telefon; leise klackern Computertastaturen. Viele Experten sind auf Reisen. Der Transport riesiger Ölmengen will organisiert sein; Schiffe müssen gechartert und Tanks reserviert werden. Ohnehin ist es hilfreich, persönliche Kontakte zu den Geschäftspartnern zu pflegen und Informationen aus erster Hand zu bekommen.

Vergangenes Jahr konnte Vitol die Umsätze um 36 Prozent auf 195 Milliarden Dollar steigern. Vitols enormes Wachstum ist zu einem Großteil auf die gestiegenen Ölpreise zurückzuführen. Doch auch die umgeschlagenen Volumina an Rohöl, Ölprodukten und Flüssiggas stiegen um 25 Prozent auf 394 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Der gesamte Ölverbrauch Deutschlands beträgt pro Jahr etwa 105 Millionen Tonnen.

Trotz der Absatzrekorde ist Vitol-Chef Ian Taylor offenbar nicht ganz zufrieden – die Gewinne (die nicht bekannt gegeben werden), haben sich vermutlich nicht ebenso erfreulich entwickelt wie die Umsätze. "2010 war ein solides Jahr, 2009 hingegen ein gutes", sagt Vitol-Manager Mark Ware mit Sinn für feine Unterscheidungen. Der Ölhandel ist ein vertracktes Geschäft: Höhere Preise bringen nicht zwingend höhere Gewinne. Arbitrage-Händler können nur gut verdienen, wenn die Notierungen heftig schwanken. 2010 aber war die Volatilität der Ölpreise, im Unterschied zum Vorjahr, relativ gering.

Überdies nehme die Konkurrenz zu, sagt Vitol-Manager Ware. Die Gewinne, die Zwischenhändler lange ungestört erzielen konnten, wollen die Ölproduzenten nun selbst einstreichen. Vor allem russische Ölkonzerne gründen zunehmend eigene Vertriebsgesellschaften. Lukoil ist bereits in der Schweiz präsent. Jetzt folgen Rosneft, TNK BP und vielleicht auch Gazprom. Dem Vernehmen nach denkt Saudi Aramco ebenfalls daran, eine Marketing-Tochter in der Schweiz zu gründen.

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