Historische Wertpapiere Sammler zahlen Rekordpreise für prominente Wertpapiere

Sammler zahlen derzeit Rekordpreise für Raritäten. Wie der Markt funktioniert, worauf es bei der Auswahl von Aktien und Anleihen ankommt.

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Wertpapiere

Applaudiert wird ab 4000 Euro immer. Doch 29.000 Euro für Los 776, eine 137 Jahre alte Aktie der Deutschen Bank, ist auch für die 50 überwiegend männlichen und älteren Sammler im Saal „Mainhatten“ des noblen Frankfurter NH Hotels etwas Besonderes. Gut 20 Prozent Provision inklusive Mehrwertsteuer kommen für den Käufer noch dazu. Der vervollständigt dafür seine Sammlung mit der zweitältesten noch erhaltenen Aktie der Bank. Der Käufer bleibt anonym – er hat schriftlich geboten.

Nach 1752 Losen hat am Abend jedes zweite der Stücke, die im Saal in Alben auf Tischen rundherum auslagen, einen neuen Besitzer gefunden. Das Wolfenbütteler Auktionshaus Freunde Historischer Wertpapiere (FHW) meldet für seine 98. Auktion einen Versteigerungsrekord von 384.036 Euro Zuschlagssumme.

Historische Wertpapiere sind Relikte aus der Zeit, als Aktionäre und Anleihebesitzer nicht nur elektronisch verbriefte Besitzrechte erwarben, sondern als ihnen noch effektive Stücke ausgehändigt wurden. Die an der Börse wertlos gewordenen Papiere, auch Nonvaleurs genannt, verkaufen sich derzeit zu Rekordpreisen. „Die Auktion in Frankfurt hat gezeigt, dass sich der Markt gedreht hat“, sagt Matthias Schmitt vom Historischen Wertpapierhaus (HWPH) aus dem bayrischen Zorneding. Die Rekordmarke setzte Mitte November die Spielcasino-Anleihe Monte Carlo Bond 1, die inklusive Spesen für gut eine Million Dollar an einen Sammler ging. Historische Aktien sind nicht nur Liebhaberei. Mit einem Portfolio seltener Stücke ließen sich seit 1982 acht bis zehn Prozent Rendite pro Jahr einfahren.

Seltene Dachboden-Funde

Das Gros der effektiven Stücke, wie die auf Papier gedruckten Aktien oder Anleihen genannt werden, ist zwar hübsch anzusehen, aber als Massenware unter 100 Euro zu haben. Wirklich wertvoll sind nur seltene Papiere, von denen pro Serie weniger als zehn Stück existieren. Auch deren Wert ist nicht garantiert: „Geht irgendwo der Dachboden auf, ist der Preis erst einmal ruiniert“, sagt Michael Rösler vom Auktionshaus FHW. Will heißen: Durch Zufallsfunde kann der Markt mit zuvor raren Papieren überschwemmt werden. Das passiere jedoch nur überaus selten. Der Nachschub an echten Sammlerstücken ist praktisch versiegt.

Größtes Problem für den Markt war bis zum Sommer 2009 der Reichsbankschatz. Rund 30 Millionen Stück alte Papiere aus dem Ostteil Deutschlands waren nach dem Zweiten Weltkrieg an die DDR gefallen und gingen nach der Wiedervereinigung an den Bund. Dass dieser die Papiere irgendwann verkaufen würde, war klar. „Das hat erst einmal viele Preise verdorben“, sagt Rösler von FHW. Und sorgte bis zur letzten Versteigerung im Juni 2009 für Verunsicherung in der Szene. Denn wie beim Aktienhandel an der Börse bestimmen Angebot und Nachfrage die Preise.

Zwischen 2003 und 2009 kamen etwa 22 Millionen Stücke in fünf Auktionen auf den deutschen Sammlermarkt. Weitere 2,5 Millionen ausländische Papiere überprüft das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen derzeit auf ihre Gültigkeit. Wahrscheinlich wird dieses Jahr darüber entschieden, ob die Behörde diese auf den Sammlermarkt wirft, vernichtet oder weiterhin lagert. Dasselbe Verfahren steht etwa vier Millionen Wertpapieren mit Hakenkreuz-Aufdruck bevor.

Wertvolle Raritäten

Von den ausländischen Papieren stammen viele aus China, Russland und Lateinamerika, heißt es bei der Behörde. „Doch darunter sind vor allem Staatsanleihen, von denen ohnehin schon ganze Paletten vorhanden sind“, sagt Schmitt von HWPH. Sie werden kaum gesammelt, und ihre Preise sind ganz unten, sodass neue Stücke den Markt nicht bewegen werden.

Kenner picken sich Rosinen heraus. Bei seltenen Papieren kann es schnell mal zu einem Bieterwettstreit kommen. Erst kürzlich übertrumpften sich beim Auktionshaus Mario Boone in Antwerpen zwei Sammler im Kampf um ein Transferzertifikat, eine Art Aktien-Vorläufer, der englischen Eisenbahngesellschaft Midland Railway von 1848. Aufgerufen wurde das Zertifikat zu 8000 Euro, der Zuschlag kam schließlich bei 12 000 Euro. Das Besondere an dem Stück: Es trägt die Originalunterschrift von George Stephenson, dem Hauptbegründer des Eisenbahnwesens.

„Solche seltenen Stücke werden immer teurer“, sagt der frühere Sammler Jakob Schmitz, der heute Berater des Museums Wertpapierwelt im schweizerischen Olten ist. Dort wird auch das Midland-Railway-Papier künftig zu sehen sein. Der Markt sei durch das Internet mittlerweile transparent, sagt er. Beliebte Sammelgebiete sind Eisenbahnen, DM-Papiere und Automobil-Aktien.

„Aus jedem Land der Erde mindestens ein Wertpapier aus der bedeutendsten Branche, am besten das wichtigste Unternehmen dort und im Idealfall mit einer Unterschrift einer prominenten Persönlichkeit“ – so hat Schmitz sein Sammelgebiet definiert. Auch Neulinge sollten nicht wahllos kaufen, sondern eine Sammlung mit System aufbauen, also ein Gebiet definieren und sich dann um Vollständigkeit bemühen. Schmitz hat seine in 25 Jahren zusammengetragenen 7000 Papiere 2001 an eine Stiftung verkauft, die heute das Oltener Museum betreibt.

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