Schuldenkrise CDS-Spekulation: An die Börse bringen und entschärfen

Treiben Spekulanten Griechenland über Derivate noch tiefer in die Schuldenkrise? Oder eher nicht, wie die deutsche Finanzaufsicht BaFin meint?

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Akropolis in Griechenland Quelle: dpa

Weltweit wettern Politiker und Notenbanker gegen den Derivatehandel, mit dessen Hilfe Spekulanten - allen voran wohl Hedgefonds und - natürlich - Banken die Schuldenkrise von Staaten weiter verschärfen könnten. Mario Draghi, schärfster Wettbewerber von Bundesbank-Chef Axel Weber im Kampf um  die Nachfolge von EZB-Chef Jean-Claude Trichet,  kritisiert, dass die Märkte heute gegen Banken, Unternehmen und Staaten wetten können, "ohne ein Interesses an einer Absicherung zu haben".

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel musste sich  in die sperrige Materie einarbeiten.  "Wir sind uns einig, dass wir  Finanzspekulationen unterbinden müssen", sagte Merkel am Dienstag. Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Griechenland fordern von der EU-Kommission eine entsprechende Richtlinie. Über diese soll der Handel mit derivativen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS) eingegrenzt werden.

Schnell 100 Prozent Gewinn mit Griechen-CDS

CDS  sind Konstrukte, mit denen sich Gläubiger, zum Beispiel ein Pensionsfonds, gegen den Zahlungsausfall von Schuldnern, zum Beispiel Griechenland, absichern können. Sie zahlen demjenigen, der ein CDS auflegt (das kann zum Beispiel wieder eine Bank sein oder auch ein Versicherer, der Fast-Pleite-Konzern AIG etwa war einmal der größte Emittent von CDS) , eine Prämie. Geht Griechenland pleite, zahlt die Bank dem Gläubiger den Schaden.

Um etwa griechische Anleihen für zehn Millionen Dollar  abzusichern, muss ein Anleihebesitzer aktuell um die 280 000 Dollar Versicherungsprämie pro Jahr zahlen. Im Dezember waren es noch unter 200 000 Dollar, Anfang Februar über 400 000 Dollar. 

Und genau da liegt das Problem. Mit Griechen-CDS - denn als solche werden die Versicherungsprämien verbrieft - sind locker binnen weniger Wochen 100 Prozent Gewinn drin. Das, so der Verdacht, lockt Spekulanten, die mit kleinem Einsatz fette Gewinne machen.

Staaten unter Druck

Staaten geraten dann schnell unter Druck:  Wenn die Versicherungsprämien signalisieren, dass griechische Anleihen unsicherer werden, verkaufen Anleger diese. Die Kurse fallen, die Renditen - die sich ja immer auf den Kurswert einer Anleihe beziehen, steigen. Steigende Renditen existierender Bonds bedeuten, dass Athen, wenn es neue Anleihen auflegt, auch für diese höhere Zinsen zahlen müssen. Die hohen Zinsen treiben die Staatsverschuldung weiter, am Ende steht der Staatsbankrott - und alles nur, weil der Schwanz (der kleine CDS-Markt) mit dem Hund (dem griechischen Staatsanleihemarkt) gewedelt hat.

Das Bundesfinanzministerium hat deshalb die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf das Thema angesetzt. Die aber hat , leider, "bislang keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass in jüngster Zeit verstärkt Kreditderivate, sogenannte Credit Default Swaps, zur Spekulation gegen griechische Staatsanleihen genutzt worden sind".

Hauptquartier von AIG in New Quelle: AP

"Wesentliche Ursache des Anstiegs" der CDS-Preise sei die "wachsende Nachfrage nach Kreditabsicherung für das Länderrisiko Griechenland". Die BaFin stützt sich auf Daten der US-amerikanischen Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) . Die zeigten zwar erhöhte Handelsumsätze in Griechenland-CDS,  das Nettovolumen der ausstehenden CDS-Kontrakte, also aller Kontrakte, die begeben worden sind und die irgendwann demnächst mal fällig werden, läge seit Mitte Januar bei unverändert rund neun Milliarden Dollar.  "Die der BaFin aktuell vorliegenden Marktdaten lassen damit nicht auf eine massive Spekulation schließen", so die Behörde. Fall geklärt, Akte zu.

In der WirtschaftsWoche-Redaktion entbrannte über dies BaFin-Mitteilung eine spannende Debatte: "Das zeigt doch, wie der politische Hase in diesem Spiel läuft", interpretiert ein geschätzter WiWo-Kollege diese BaFin-Mitteilung: "Die Politiker versuchen, die Fakten umzudeuten und  eine Spekulationswelle  gegen Griechenland zu suggerieren, damit sie sich dann auf  außergewöhnliche Umstände  berufen können, die es ihnen vertraglich möglich machen, finanzielle Hilfe zu gewähren und gegen die Klausel des Maastrichter Vertrags zu verstoßen, die es ihnen verbietet Griechenland beizustehen (No-Bail-Out-Klausel)".

Ein weiteres wichtiges Argument: Wenn das bodenlos verschuldete Griechenland Anlegern sechs bis sieben Prozent Anleihezins zahlen muss, ist das nicht viel, wenn man es mit ähnlich gefährdeten Unternehmen vergleicht.

Massive Spekulationen gegen den Euro

Ein anderer, nicht minder geschätzter Kollege, weist aber darauf hin, dass es noch nichts zu bedeuten habe, wenn die BaFin "nichts nachweisen" konnte. In vielen Insiderverfahren an der Börse sei ihr das schließlich auch nicht gelungen. Die Positionen auf einen fallenden Euro an der Chicagoer Terminbörse CME lägen schließlich nahe ihrem Allzeithoch, was auf massive Spekulationen gegen den Euro hindeute. Und in ein Produkt auf den erst im September 2009 - primär für US-Banken - in London aufgelegten Risikoindex Itraxx Western Europe seien seit November über 80 Milliarden Euro geflossen - auch das im Prinzip Gelder, mit deren Hilfe gegen europäischen Staaten gewettet wird.

So ganz sicher, dass es keine gezielte Spekulation gibt, scheint auch die BaFin nicht zu sein. Das zeigt schon ihre vorsichtige Wortwahl. Sie räumt ein, dass "das Bruttovolumen ausstehender CDS-Kontrakte auf griechische Staatsanleihen ...mit rund 83 Milliarden Dollar mehr als das Doppelte des Vorjahresstandes (41,1 Milliarden Dollar) betrug". Das Bruttovolumen spiegele aber "eher" den Handelsumsatz wider. Indikator für mögliche Spekulationen sei hingegen "eher" das Nettovolumen, so die BaFin. Das klingt verdächtig nach "nix genaues weiss man nicht". 

Und: Wenn die Umsätze mit CDS sich verdoppelt haben, wieso spricht das gegen zunehmende Spekulation? Spekulationswellen zeichnen sich doch gerade dadurch aus, dass eine fixe Zahl vorhandener Produkte (in diesem Fall die ausstehenden CDS für  9  Milliarden Dollar netto)  in zunehmendem Tempo hektisch hin- und her gehandelt werden, und das bei steigenden Kursen, natürlich. Was braucht es denn noch mehr?

Keine aktuellen Zahlen zu CDS

Hinzu kommt: Die Daten, auf die sich die BaFin bezieht, sind einen Monat alt - warum eigentlich gibt es keine frischeren? Hinzu kommt der Verdacht, dass die von der US-Stelle erhobenen Daten längst nicht alle CDS-Geschäfte von Hedgefonds, Banken-Ablegern in London und so weiter erfassen. CDS-Geschäfte laufen "over the counter" - also abseits geregelter Börsen. Seit über einem Jahr reden Politiker und Aufseher davon, dass sich dies ändern müsse, dass CDS-Geschäfte zumindest an Börsen abgerechnet werden müssten (Clearing). Passiert ist wenig. Nur ein kleiner Teil des Geschäfts läuft freiwillig jetzt über die US-Terminbörse Intercontinental Exchange. Der Konzern Deutsche Börse, der auch in das Geschäft will, weist hier nur verschwindend geringe Umsätze aus.

Damit die Frage, ob Spekulanten Staaten in die Bedrouille bringen können, befriedigend beantwortet werden kann, muss der CDS Handel an die Börsen getrieben werden. Für Entscheidungen brauchen wir Zahlen. An den US-Rohstoffbörsen werden Marktteilnehmer sogar unterteilt, in große Spekulanten, kleine Spekulanten und "Commercials", also Marktteilnehmer aus der Industrie, die sich gegen Preisschwankungen der von ihnen gelagerten und künftig benötigten Rohstoffe absichern wollen.

Zugegeben: Weil viel Handel auch bei Rohstoffen abseits der Börse abläuft -  Investmentbanken etwa sichern sich aktuell grosse Lagerhauskapazitäten und handeln Derivate ebenfalls einfach untereinander -  herrscht auch bei Rohstoffen nicht  völlige Klarheit. Aber Börsendaten, aufgeschlüsselt nach spekulativen CDS-Käufern und solchen, die tatsächlich Anleihen besitzen und diese absichern wollen, wären ein Anfang auf dem Weg, die "Massenvernichtungswaffen Derivate" (Warren Buffett) zu entschärfen.  .

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