SEC unter Beschuss Merrill Lynch soll vor Lehman-Tricks gewarnt haben

Neue Enthüllungen zur Pleite von Lehman Brothers: Die Investmentbank Merrill Lynch soll schon Monate vor dem Zusammenbruch des Konkurrenten geahnt haben, dass an dessen Zahlen etwas faul ist. Laut einem Medienbericht hat Merrill deshalb Lehman bei der Finanzaufsicht angezeigt - doch die soll weggesehen haben.

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Quelle: ap

DÜSSELDORF. Eigentlich könnte der Fall Lehman Brothers für die US-Börsenaufsicht SEC schon jetzt kaum peinlicher sein. Schließlich hatte die Ex-Investmentbank laut offiziellem Untersuchungsbericht Monate vor ihrem Zusammenbruch im September 2008 mit allerhand Tricks ihre Bilanzen geschönt - und niemand, weder die SEC, noch die Notenbank Fed oder die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, hatten etwas gemerkt.

Nun kommt auch noch ans Licht, dass die SEC und die New Yorker Fed sogar explizite Warnungen der Lehman-Konkurrentin Merrill Lynch ignoriert haben sollen. Laut einem Bericht der "Financial Times" (FT) unter Berufung auf Ex-Merrill-Manager hatten Experten der Investmentbank die Aufsicht verständigt, weil ihnen bei den Lehman-Zahlen etwas faul vorkam.

Demnach hat sich Merrill an die Finanzaufsicht gewandt, nachdem Lehman seine Zahlen für das erste Quartal 2008 vorgelegt hatte. Darin hatte sich Lehman-Chef Richard Fuld gebrüstet, dass seine Bank gesünder und vor allem flüssiger sei als die Konkurrenz, einschließlich Merrill Lynch.

Eine Behauptung, die die übrigen Investmentbanken in Erklärungsnot brachte. Bei Merrill begannen Investoren offenbar besorgt zu fragen, warum Lehman so viel besser dastehe. "Wir bekamen Anrufe von unseren Geschäftspartnern und Anlegern", sagte ein ehemaliger Merrill-Banker der FT. "Und weil wir den Zahlen nicht trauten, verständigten wir schließlich die Aufsicht". Der Verdacht: Lehman habe unzulässigerweise regulatorisches Kapital zur Liquidität hinzugezählt und sich so schöngerechnet.

Die Regulierer jedoch hätten die Warnungen schlichtweg ignoriert, so der Vorwurf des Ex-Merrill-Bankers. Weder die SEC noch die New Yorker Fed wollten sich konkret dazu äußern.

Allerdings dürfte nun der Druck auf die Regulierer zunehmen. SEC-Chefin Mary Schapiro, erst seit Anfang 2009 im Amt, hatte am Mittwoch von "eklatanten Mängeln" bei der Aufsicht gesprochen. Die Kontrollen ihrer Behörde bei den Investmentbanken seien "schrecklich mangelhaft" gewesen. Die SEC musste wegen Aufsichtsmängeln in der Finanzkrise heftige Kritik einstecken und hat mittlerweile einige Kompetenzen verloren.

Schapiro reagierte mit ihrer Kritik auf den 2200 Seiten starken offiziellen Untersuchungsbericht zur Lehman-Pleite des New Yorker Insolvenzgerichts, der am Montag veröffentlicht worden war. Darin beschreibt Gutachter Anton Valukas, wie die Investmentbank über Jahre trickste, um ihre Bilanz zu schönen.

Demnach verkaufte Lehman jeweils zum Quartals-Stichtag große Teile der Kredite und Investments an andere Banken und nutzte dafür kurzfristige "Repurchase Agreements", kurz "Repos". Das ist üblich, allerdings bleiben die Posten normalerweise in der Bilanz.

Lehman aber konstruierte die Deals unter dem Namen "Repo 105" laut Bericht so, dass sie aus den Zahlen verschwanden - und die Bilanz wie durch ein Wunder wesentlich risikoärmer aussah. Laut Ermittler Valukas eine "faktische Irreführung" der Öffentlichkeit. Eine Strafverfolgung von Ex-Lehman-Chef Fuld und drei Finanzdirektoren sei zumindest möglich.

Die Merrill-Vorwürfe passen da gut ins Bild. Die Lehman-Konkurrentin hatte sich, selbst schwer angeschlagen, am Wochenende des Lehman-Untergangs in letzter Sekunde in die Arme der Großbank Bank of America gerettet. In der Folge dieses Deals, an der das Großinstitut noch heute schwer zu tragen hat, mussten erst Merrill-Chef John Thain und später auch Bank-of-America-Chef Kenneth Lewis ihren Hut nehmen.

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