Kurssturz Solar Millennium kippt US-Pläne

Die Erlanger Solar Millennium ändert in den USA plötzlich ihre Strategie. Damit ist der Bau des weltgrößten Solarkraftwerks gefährdet. Der Aktienkurs bricht um 25 Prozent ein.

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Das Parabolrinnen-Kraftwerk Quelle: dpa

Der schon sicher geglaubte Bau des weltgrößten Solarkraftwerks steht plötzlich wieder in den Sternen. Die Erlanger Solar Millennium verkündete am Donnerstagmorgen, die ersten 500 Megawatt des 1000-Megawatt-Projekts als Photovoltaik-Kraftwerke umsetzen zu wollen - und nicht wie bislang geplant als Solarthermie-Kraftwerke.

Das Problem: Mit dieser Technik hat Solar Millennium bislang keine Erfahrung, anders als im Solarthermie-Geschäft gibt es Konkurrenten mit deutlich größerem Knowhow. "Ich habe noch bis vergangene Woche gegen diese Entscheidung gekämpft", gibt Solar-Millennium-Chef Christoph Wolff im Gespräch mit der WirtschaftsWoche zu.

Größtes Solarkraftwerk der Welt gefährdet

Noch wichtiger für Anleger der börsennotierten Solar Millennium ist, dass mit der technischen Kehrtwende auch die Umsetzung des kalifornischen Blythe-Projekts wieder gefährdet ist. Denn mit dem Schritt verliert Solar Millennium nicht nur staatliche Kreditgarantien über 2,1 Milliarden Dollar - die noch im April als wichtigen Erfolg gefeiert wurden -, sondern auch Genehmigungen der California Energy Commission. Laut "Commission Decision" vom September 2010 gilt die Entscheidung nur für das bislang beantragte Solarthermie-Projekt. Für ein Photovoltaik-Projekt wären demnach neue Genehmigungen nötig.

"Der Genehmigungsprozess muss in Teilen neu durchlaufen werden", bestätigte Wolff der WirtschaftsWoche. Welche Genehmigungen davon genau betroffen seien, werde derzeit noch analysiert. Grund für die plötzliche Umkehr, sei das aktuelle Umfeld in den USA und der Preisverfall bei Photovoltaik-Modulen. "Der Druck auf Photovoltaik zu wechseln, wurde immer größer", so Wolff. Mit einer Umsetzung von Blythe als Solarthermie-Kraftwerk hätte Solar Millennium ohne jegliche Risikovorsorge nur eine niedrige einstellige Rendite erzielen können: "Damit hätten wir die Existenz des Unternehmens gefährdet." Als Photovoltaik-Kraftwerk soll sich das Projekt nun eher lohnen.

Der plötzliche Umschwung ist jedenfalls ein Paukenschlag. Denn trotz aller Querelen und Skandale, etwa der aufsehenerregende Abgang von Kurzzeit-Chef Utz Claassen nach nur 74 Tagen Anfang 2010 oder die aktuellen Berichte über Ermittlungen wegen möglicher Insidergeschäfte, punktete Solar Millennium bislang mit seiner Solarthermie-Erfahrung. Günstiger, zuverlässiger und umweltfreundlicher als die weit verbreiteten Photovoltaik-Kraftwerke sollten diese Kraftwerke sein. Dank Stromspeicher können sie sogar nachts Strom liefern.

Erst im Juni war im kalifornischen Blythe der Grundstein für das "größte Solarkraftwerksprojekt der Welt" gelegt worden. Sogar US-Innenminister Ken Salazar war beim symbolischen Spatenstich dabei. Anfang 2011 hatte Solar Millennium noch vollmundig verkündet: "Das Jahr 2011 beginnt für die Branche der solarthermischen Stromerzeugung unter guten Vorzeichen." Die US-Förderung für Solarthermie habe sich deutlich verbessert.

"Aktionäre sollten auf der Hut sein"

Die Abkehr auf Raten begann im Mai. Damals gab die US-Tochter Solar Trust of America ein Joint-Venture mit dem deutschen Photovoltaik-Unternehmen Solarhybrid bekannt. Zur Erklärung hießt es in einer Mitteilung von Solar Millennium vom 18. Mai: "Auf Flächen, die für solarthermische Kraftwerke aufgrund ihrer Beschaffenheit oder geringen Größe weniger geeignet sind, will Solar Millennium zukünftig auch Photovoltaik einsetzen, vor allem auch in Ergänzung zu Parabolrinnen-Anlagen zur wirtschaftlichen Nutzung unebener Gelände oder von Randflächen der Projektstandorte."

Der komplette Schwenk zur Photovoltaik (PV) wurde nun kurzfristig beschlossen. Die Pläne sind daher noch nicht weit gediehen. "Solar Trust of America und Solar Millennium sind mit führenden PV-Modulproduzenten und möglichen Generalunternehmern für das Blythe-Projekt in Verhandlung", heißt es in der heutigen Unternehmensmeldung. Vom bisherigen Partner, dem US-Baukonzern Kiewit, oder auch Solarhybrid ist in der Mitteilung nicht die Rede. "Wir reden jetzt über größere Partner, Global Player, die auch in die Finanzierung einsteigen", sagt Wolff.

Viele Aktionäre von Solar Millennium wenden sich jedenfalls mit Schrecken ab: Der Kurs verlor heute mehr als 25 Prozent und steht aktuell bei knapp acht Euro. Die WirtschaftsWoche hatte erstmals im August 2009 und dann erneut im Januar 2010 kritisch über Solar Millennium berichtet. Im Artikel vom 18. Januar 2010 heißt es: "Aktionäre und Anleihekäufer sollten auf der Hut sein - allen Erfolgsmeldungen zum Trotz." Damals notierte die Aktie bei 44 Euro.

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