Staatsfonds Warum Staatsfonds nicht als Vorbild taugen

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Mercedes-Benz-Produktion bei Quelle: dpa

Wie laienhaft die Fondsmanager zum Teil vorgehen, zeigen auch die Beispiele Morgan Stanley und Citigroup: Die schwer angeschlagene Citigroup hatte bei der China Development Bank (CDB) eine Beteiligung angefragt. CDB jedoch brauchte mit dem Hinweis, sie seien schließlich ein staatliches Institut, drei Tage für eine Entscheidung. Gleichzeitig hatte Citigroup-Chef Vikram Pandit auch in Abu Dhabi angeklopft und dort binnen Stunden die Zusage für 7,5 Milliarden Dollar.

Das juckte die ehrgeizigen Chinesen, die zu Weihnachten 2007 einer Bitte der ebenfalls klammen Morgan Stanley denn auch prompt nachkamen. Diesmal überwiesen die Chinesen ohne langes Zögern fünf Milliarden Dollar. Nun müssen sie zusehen, wie ihr Schnellschuss-Investment Woche für Woche an Wert verliert.

Allerdings: Wer viel Geld anlegen muss, hat zwangsläufig einen langen Atem. Die Kurse der Bankaktien könnten sich eines Tages erholen. Und Wang aus China oder Bader al-Saad aus Kuwait dürfen anders als Privatanleger zu Sonderkonditionen einsteigen. Morgan Stanley etwa zahlt CIC für die Milliardeneinlage einen Garantiezins von neun Prozent. Der lindert aktuelle und mögliche künftige Kursverluste. Abu Dhabi kassiert für ihre 7,5-Milliarden-Dollar-Spritze in die Citigroup bis zum endgültigen Umtausch in Aktien, der in zwei Jahren beginnen wird, pro Jahr üppige elf Prozent Garantiezins. Für die vom Staatsfonds Temasek (Singapur) ebenfalls eingesammelten 7,5 Milliarden Dollar bezahlt die Citigroup sieben Prozent, garantiert jährlich bis zum Jahr 2015. Bezahlen müssen die teure Nothilfe vor allem die Altaktionäre: Ihr Anteil an möglichen Gewinnen wird verwässert, ihre Dividenden sind nicht garantiert, sondern werden reihen- » weise gekürzt oder gar gestrichen. Während Staatsfonds zumindest eine gesicherte laufende Verzinsung verbuchen können, sind private Anleger außen vor. Ihnen bleibt nur die – sehr vage – Hoffnung, dass die Banken zu alter Ertragsstärke zurückfinden, um auch über die Vorzugsdividenden für Staatsfonds hinaus Geld auszuschütten.

Dass Fonds mit zunehmender Erfahrung besser werden, zeigt das Beispiel Singapur. Der Stadtstaat ist mit seinen beiden Fonds Temasek und GIC wesentlich erfolgreicher als China oder die Republik Korea. Singapurs Temasek etwa erwirtschaftete mit Staatsgeldern seit der Gründung 1974 eine Rendite von 18 Prozent pro Jahr.

Mit solchen Kunden verdienen westliche Finanzmanager Hunderte Millionen. Und für sie ist noch viel zu holen: Nach Schätzungen von Morgan Stanley soll sich das anzulegende Staatsfonds-Kapital bis 2015 auf 12.000 Milliarden Dollar annähernd vervierfachen. „Wer jetzt als ausländischer Manager einen Fuß in die Tür bekommt und dann ordentliche Ergebnisse abliefert“, so ein New Yorker Hedgefonds-Manager, „kann sich auf kontinuierliche Zuflüsse in der Zukunft freuen.“ Gerade die erfahreneren Fonds aus Singapur und dem Nahen Osten beschränken sich schon längst nicht mehr auf Aktien und Anleihen.

Auf den Nonstop-Flügen von New Yorks JFK Airport nach Abu Dhabi sollen in der ersten Klasse bereits Hedgefonds-Manager nebeneinander gesessen haben, die am nächsten Tag bei einem Wettbewerb vor denselben Herren im weißen Gewand bei Tee und Gebäck nacheinander um frisches Kapital konkurrierten. Auf ihren Visitenkarten finden sich in kleiner Schrift neben New York und London mittlerweile auch Singapur oder Dubai als Standorte.

Hedgefonds-Manager lieben sie, deutsche Politiker dagegen bereiten Abwehrmaßnahmen gegen die Investoren aus dem Nahen und Fernen Osten vor. Die bemühen sich wacker, Ängste zu zerstreuen. In Dubai werden neugierige Fragesteller aus Europa an Sylvain Denis verwiesen. Der Brite hat es zum Chef des Private-Equity-Geschäfts der Dubai International Capital (DIC) gebracht und betont eilig, die Araber „seien ein ganz gewöhnlicher, auf Vermögenserhalt und Gewinnsteigerung“ bedachter Investor ohne sonstige Interessen, schon gar nicht politischer Natur. DIC hat ein Portfolio mit Anteilen an bekannten Unternehmen wie Sony, HSBC und EADS aufgebaut. Kuwaits KIA ist schon seit 1974 an Daimler beteiligt, ging durch alle Höhen und Tiefen und machte den Top-Managern in Stuttgart niemals Ärger.

Die mussten allerdings immer wieder kleine menschliche Sonderwünsche der Scheichs erfüllen, die gern als Erste auf dem Globus neu entwickelte Exemplare der Mercedes-Luxusklasse fahren wollten. „Ich kann für meinen Teil sagen, dass wir nur beste Erfahrungen mit dem Engagement der Kuwaitis bei uns gemacht haben“, beruhigt Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Richtig ernst aber machen die Staatsfonds in der Finanzindustrie. China will aktuell mit der Beteiligungsgesellschaft J.C. Flowers ein Vier-Milliarden-Dollar-Paket schnüren, um weiter „in die US-Finanzindustrie zu investieren“. Katar möchte seine Beteiligungen im westlichen Bankensektor auf bis zu 15 Milliarden Dollar ausbauen. Die erneute, zur Zeichnung anstehende milliardenschwere Kapitalerhöhung der krisengeschüttelten UBS wird der neue Großaktionär Singapur möglicherweise mittragen. In Finanzkreisen wird von einer engen Zusammenarbeit zwischen den von der EU seit der Liechtenstein-Affäre zunehmend unter Druck gesetzten Schweizern und der Steueroase Singapur gemutmaßt, die über finanzielle Engagements gefestigt werden soll.

Auch Chinesen und Araber werden von nichtfinanziellen Motiven getrieben: „Sie investieren dort, wo chinesische Unternehmen expandieren wollen. Der Schwerpunkt liegt zudem auf kommerzielle Auslandsbanken mit einem starken Standbein in Asien, wo die Chinesen eigene Kapitalmarktexpertise entwickeln möchten“, so Huw van Steenis, Analyst bei Morgan Stanley in London. Dubai dagegen lege Wert auf Investments in Börsenbetreiber, die helfen sollen, die Kapitalmärkte und die Vermögensverwaltung am Golf auszubauen. Zudem seien für die Scheichs Großbanken interessant, die mit einer langjährigen Erfahrung in Schwellenländern aufwarten können, wie etwa HSBC.

Stephen Jen, Analyst bei Morgan Stanley, erwartet einen „steigenden Einfluss“ der Staatsfonds in der Finanzindustrie. Das Analystenteam der US-Bank hat eine Rangliste der lukrativsten Ziele aufgestellt. Kriterien: starke Stellung in Asien und in Schwellenländern, moderne Vermögensverwaltung, weltweit operierende Handelsabteilung, offene Aktionärsstruktur. An erster Stelle ist demnach ein weiterer Ausbau von Staatsfondsbeteiligungen an der Credit Suisse wahrscheinlich, dahinter folgt die UBS. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann darf auf Gelder aus dem Morgenland hoffen: Auf Platz 5 findet sich schon das größte deutsche Geldhaus, auf Platz 21 die Deutsche Börse. Uninteressant für Staatsfonds ist laut Studie dagegen beispielsweise die vom Großaktionär Deutsche Post dominierte und auf den Heimatmarkt beschränkte Deutsche Postbank.

Angesehene Kapitalmarktkenner warnen davor, sich abzuschotten. Kapital aus dem Ausland fließe sicher nicht aus „dunklen politischen Motiven ruchloser ausländischer Regierungen“, sagt Investmentlegende Warren Buffett. Nach Ansicht des früheren US-Notenbankchefs Alan Greenspan müssten die USA sogar ein Interesse daran haben, ihre Finanzmärkte für Investitionen ausländischer Staatsfonds offen zu halten: „Meine Vermutung lautet, dass die meiste Kritik an Staatsfonds aus reinem Protektionismus geäußert wird.“

Hochrangige Manager und Funktionäre zeigen ebenfalls wenig Berührungsängste. So ist IOC-Vize Thomas Bach Aufsichtsratschef des von den Kuwaitis beherrschten deutschen Holzmaschinen-Weltmarktführers Weinig. Der ehemalige Sony-Chef Nobuyuki Idei und Ex-BMW-Chef Helmut Panke heuerten Ende 2007 als Berater bei Dubai International Capital an. An Panke interessiert die Araber womöglich nicht nur die Automobil-Expertise: Der 61-Jährige sitzt auch im Verwaltungsrat der kapitalsuchenden UBS.

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