Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Mitglieder des Bundeskabinetts mehr als nur Auszüge aus dem jüngsten Jahresgutachten der fünf Wirtschaftsweisen gelesen haben. Dabei würde sich die Lektüre lohnen, etwa die von Seite 350. „Im internationalen Vergleich ist die Belastung des Faktors Arbeit nach wie vor hoch“, rügt der Sachverständigenrat dort. Und wie es aussieht, können die Ökonomen den Satz eins zu eins ins nächste Gutachten übernehmen.
Denn auch 2016 bleibt die Steuer- und Abgabenlast der Bundesbürger hoch. Das zeigen die Berechnungen von Volker Stern, Ökonom beim Bund der Steuerzahler (BdSt), die er exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat. Stern analysierte anhand von drei Musterhaushalten, wie sich die Änderungen bei Steuern und Abgaben auf das verfügbare Einkommen auswirken.
Die wichtigsten Änderungen - 2016 in Zahlen
...im Jahr sind das maximale Bruttoeinkommen, auf das in den alten Bundesländern Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung anfallen – 1800 Euro mehr als 2015. In den neuen Ländern liegt die Grenze bei 64 800 Euro (plus 2400 Euro). Der Rentenbeitragssatz bleibt voraussichtlich unverändert bei 18,7 Prozent, wovon Arbeitnehmer und Arbeitgeber je die Hälfte zahlen. Der Maximalbeitrag von Arbeitnehmern steigt daher um rund 168 Euro im Jahr (neue Bundesländer: 224 Euro). Für die Arbeitslosenversicherung sind weiter drei Prozent Beitrag fällig, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer ebenfalls teilen.
...pro Jahr können Steuerzahler an Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu einem berufsständischen Versorgungswerk und zu einer Rürup-Rente als Sonderausgaben steuerlich geltend machen. Diese werden zu 82 Prozent angesetzt. Neurentner müssen 72 Prozent ihrer Rente lebenslang versteuern.
...pro Jahr ist das Limit, bis zu dem die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Versicherten Beiträge berechnen – ein Anstieg von 1350 Euro. Vom GKVBeitrag von 14,6 Prozent zahlen Arbeitnehmer 7,3 Prozent sowie den kassenindividuellen Zusatzbeitrag. Im Schnitt wird dieser 2016 auf 1,1 Prozent steigen. Um in eine private Krankenversicherung wechseln zu dürfen, müssen Versicherte wenigstens 56 250 Euro verdient haben.
...beträgt der neue steuerliche Grundfreibetrag. Bei Paaren ist es doppelt so viel. Auf Einkünfte bis zu dieser Höhe im Jahr fällt keine Steuer an.
...bleiben pro Kind zusätzlich steuerfrei, wenn die so errechnete Steuerersparnis größer ist als das bereits ausgezahlte Kindergeld. Liegt die Kindergeld-Auszahlung hingegen über dieser rechnerischen Steuerersparnis, bleibt es beim Kindergeld allein.
Dabei berücksichtigte er auch versteckte Steuern, wie die auf Konsumprodukte zu zahlende Mehrwertsteuer, spezielle Verbrauchsteuern (auf Benzin, Zigaretten, Strom, Heizöl) sowie Kommunalabgaben, etwa für Müll und Abwasser. Grundlage waren haushaltstypische Verbrauchs- und Konsummengen. Um Progressionseffekte zu erfassen, unterstellte Stern eine Lohnerhöhung von 2,8 Prozent.
Ergebnis: Inklusive der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, die methodisch zu den Lohnkosten hinzugerechnet werden, überweist ein gut situiertes Kölner Doppelverdiener-Ehepaar (zwei Kinder, Eigenheim) 56,4 Prozent des Bruttoeinkommens an Staat und Sozialkassen – 0,1 Punkte weniger als 2015.
Beim Dresdner Mittelschicht-Ehepaar (Alleinverdiener, zwei Kinder) sinkt die Last marginal um 0,2 Punkte auf 48,6 Prozent. Der Gutverdiener-Singlehaushalt in Göttingen wird mit 62,3 Prozent abkassiert (minus 0,1 Punkte). Die Änderungen im Überblick finden Sie auf der nächsten Seite.