Aktuelle Rechtsprechung Steuern und Recht kompakt

Der Staat darf Steuern auch für die Vergangenheit erhöhen, aber unter Auflagen. Außerdem gibt es neue Urteile zum Elterngeld, Grundsteuer und Krankenversicherung.

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Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Quelle: dpa

Steuerrecht: Rückwirkung ist zulässig

Der Staat darf Steuern auch für die Vergangenheit erhöhen, aber unter Auflagen.

Für Steuerzahler ist es besonders ärgerlich, wenn Steuererhöhungen auch für die Vergangenheit gelten sollen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass solche rückwirkenden Steuererhöhungen nicht prinzipiell unzulässig sind. Gleichzeitig stellten die Richter klar, unter welchen Bedingungen sie gelten (1 BvL 6/07). So komme es darauf an, wie lange Steuerzahler auf die Gültigkeit der alten Regeln vertrauen durften. Sobald die Regierung einen Gesetzentwurf einbringt, der die strengeren Regeln enthält, sei dies zumindest infrage gestellt. Sind sich Bundesrat und Bundestag über das Gesetz uneinig, und spricht dann der Vermittlungsausschuss eine Empfehlung aus, macht das die Verabschiedung der strengeren Regeln noch wahrscheinlicher. Sobald der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat, müssten sich Steuerzahler definitiv darauf einstellen. Im konkreten Fall durfte eine 2001 vom Bundestag beschlossene Verschärfung der Gewerbesteuer zumindest für einige Tage rückwirkend gelten – exakt vom Datum der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses an, welche die neuen Regeln enthalten hatte. Ansonsten blieben die Richter bei ihrer Linie: Soll rückwirkend eine Wertsteigerung besteuert werden, darf die Steuer sich nur auf die Wertsteigerung seit Bekanntwerden der Änderung beziehen. Unzulässig bleibt es, nachträglich eine entstandene Steuerschuld abzuändern. Nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls kann das ausnahmsweise verfassungsgemäß sein.

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Elterngeld: Mehr Geld für Freiberufler

Ärzte, Anwälte und sonstige Freiberufler, die Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk zahlen, haben Anspruch auf höheres Elterngeld als gesetzlich Rentenversicherte mit gleichem Einkommen – allerdings nur noch für Geburten bis Jahresende. Ein Anwalt aus dem Saarland bekam damit recht (Bundessozialgericht, B 10 EG 15/11 R): Das Versorgungswerk zähle nicht zur Sozialversicherung, daher dürften die Beiträge bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt werden. Die erfreuliche Folge für ihn: Sein auszugleichendes Nettogehalt, und damit auch das Elterngeld, fällt höher aus. Der Anwalt hatte seine Klage damit begründet, dass er die Beiträge an das Versorgungswerk während der Elternzeit weiter zahlen müsse. Generell können Eltern bis zu 14 Monate lang zur Betreuung ihrer neugeborenen Kinder beruflich aussetzen und Elterngeld erhalten. Der Staat ersetzt bis zu 67 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens in den zwölf Monaten vor der Geburt, maximal 1800 Euro pro Monat. Zum Jahreswechsel tritt ein neues Elterngeld-Gesetz in Kraft, das auch Beiträge zu Versorgungswerken erfasst.

Krankenversicherung, Grundsteuer, Wohnfläche

Was der Chef alles wissen darf - und was nicht
Arbeitnehmer dürfen im Einstellungsgespräch lügen. Das bestätigte das Bundesarbeitsgericht 2012 in einem Urteil (BAG 6 AZR 339/11). Ein Lehrer hatte auf die Frage, ob gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren laufe, eine falsche Antwort gegeben. Als sich herausstellte, das gegen den Seiteneinsteiger ein Verfahren lief, kündigte der Arbeitgeber. Das sei nicht rechtmäßig, erklärten die Richter in der letzten Instanz. Nicht die einzige Frage, die Chefs nicht stellen dürfen... Quelle: dpa
Wenn sich der Vorgesetzte für den Mitarbeiter interessiert, ist das nicht immer in seinem Interesse. Wer beim Chef als krank, unflexibel oder finanziell angeschlagen gilt, muss mit schlechteren Karrierechancen rechnen. „Es kommt immer wieder zu Missverständnissen, was der Arbeitgeber von seinem Mitarbeiter wissen darf und was nicht“, sagt Marc Spielberger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Beiten Burkhardt. Quelle: dpa
Der Chef darf sowohl bei der Einstellung als auch während des Arbeitsverhältnisses Fragen stellen. Unzulässige Fragen dürfen Mitarbeiter allerdings falsch beantworten – es drohen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Bei legitimen Fragen muss der Angestellte allerdings wahrheitsgemäß antworten. Sonst riskiert der Mitarbeiter eine fristlose Kündigung oder Rückabwicklung des Arbeitsvertrages mit möglichen Schadenersatzansprüchen. Auf den folgenden Seiten erklärt Handelsblatt Online, welche Fragen zulässig sind – und welche nicht. Quelle: dpa
AusbildungDie Übersicht startet mit zulässigen Fragen. Dazu zählt etwa Angaben zu Ausbildung, Qualifikation und dem beruflichen Werdegang. „Der Arbeitgeber darf auch ins Detail gehen und nach Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten fragen“, sagt Spielberger. Selbst die Frage nach Vorbeschäftigungszeiten beim eigenen Unternehmen ist legitim, wenn der Mitarbeiter ein befristetes Arbeitsverhältnis abschließen möchte. Wer bei diesem Fragen falsche Angaben macht, riskiert eine außerordentliche Kündigung. Quelle: dpa
FlexibilitätIm Interesse des Arbeitgebers steht auch die Frage nach der Einsetzbarkeit des Mitarbeiters. Der Vorgesetzte darf etwa zur Bereitschaft zur Versetzung an andere Standorte oder Bereiche. Der Chef darf auch Fragen, ob der Mitarbeiter für Schichtdienste zu Verfügung steht. Quelle: AP
SpracheAuch nach Fremdsprachenkenntnisse und der Beherrschung der Muttersprache darf der Arbeitgeber fragen. „Aber nur wenn sie für die tatsächlicher Aufgabe des Mitarbeiters von Belang sind“, sagt Spielberger. Der Arbeitgeber darf zusätzlich nach Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis oder Staatsangehörigkeit fragen, etwa wenn der Mitarbeiter ins Ausland entsendet werden soll. Quelle: dpa
ZweitjobsEbenfalls erlaubt sind Fragen nach Nebenjobs, wenn sie den Job behindern könnten. Das gilt auch für bestehende Wettbewerbsverbote, etwa aus dem alten Job. Quelle: dpa

Krankenversicherung: Nur zwangsläufige Kosten absetzbar

Ein Rentnerpaar machte 2006 eine Reihe von Krankheitskosten, die ihre Krankenversicherung IKK nicht bezahlte, als außergewöhnliche Belastung geltend. Insgesamt waren es 10 471 Euro. Das Finanzamt akzeptierte jedoch nur 76 Euro für Praxisgebühren und Eigenleistung im Krankenhaus. Die Finanzbeamten stuften den geringen Betrag als zumutbare Eigenbelastung ein. Damit blieb das Paar ohne Steuernachlass. Die Höhe der zumutbaren Eigenbelastung bemisst sich nach dem Einkommen und der Anzahl der Kinder. Im Fall der Rentner waren es sechs Prozent von 56 283 Euro Bruttoeinkommen, also 3376 Euro. Für die übrigen Krankheitskosten, beispielsweise eine Kur für 2698 Euro und eine Sauerstofftherapie für 1790 Euro, fehle der Nachweis, dass die Behandlungen medizinisch notwendig seien, so das Finanzamt. Gegen den Bescheid klagte das Rentnerpaar. Das Finanzgericht Baden-Württemberg schlug sich jedoch auf die Seite des Finanzamts (5 K 3889/11). Die Rentner hätten vor Beginn der Kur ein Attest eines Amts- oder Vertrauensarztes vorlegen müssen, so die Richter. Da die Sauerstofftherapie nicht medizinisch anerkannt sei, seien die Kosten hierfür auch nicht zwangsläufig. Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Steuerrechts liegt nur vor, wenn die Kosten unvermeidbar sind, um die Gesundheit des Steuerzahlers zu erhalten oder wieder herzustellen. Der Steuerzahler muss beweisen, dass es sich um unvermeidbare Kosten handelt. Alle Folgekosten einer Krankheit sowie Therapien, die nur den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern, aber nicht eine bestimmte Krankheit heilen, können Steuerzahler nicht absetzen (Bundesfinanzhof, III R 45/03).

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Grundsteuer: Bei Leerstand weniger zahlen

Wer eine Immobilie vermietet, kann einen teilweisen Erlass der Grundsteuer beantragen, wenn mindestens 50 Prozent der Mieterträge durch Leerstand ausfallen. Allerdings muss sich der Eigentümer nachweislich darum bemüht haben, die leer stehenden Räume zu marktgerechten Konditionen zu vermieten. Marktgerecht bedeutet nicht, dass der Vermieter die Immobilie bei einem Überangebot an Wohn- oder Gewerberäumen zu Niedrigpreisen anbieten muss.

Es reicht, wenn sich der Eigentümer an dem jeweiligen Mietspiegel der Gemeinde orientiert. Jetzt entschied der Bundesfinanzhof, dass das Finanzamt bei größeren Immobilien mit zahlreichen Wohn- und Gewerberäumen für jede einzelne Einheit prüfen muss, ob der Vermieter für einen Leerstand verantwortlich ist (II R 8/12 ). Nur für die schuldlos leer stehenden Räume gebe es einen Steuernachlass.

Wohnfläche: Kleiner als angegeben

Das Amtsgericht Frankfurt hat eine Mieterin zur Zahlung der vollen Miete verdonnert, obwohl ihre Wohnung kleiner als angenommen ist. Anders als in einer Maklerannonce angegeben, war die Wohnung nur 62 statt 74 Quadratmeter groß (33 C 3082/12). Der Bundesgerichtshof hatte 2010 hingegen entschieden, dass Mieter sich auf eine solche Annonce berufen dürften (VIII ZR 256/09).

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