Steuerrecht: Rückwirkung ist zulässig
Der Staat darf Steuern auch für die Vergangenheit erhöhen, aber unter Auflagen.
Für Steuerzahler ist es besonders ärgerlich, wenn Steuererhöhungen auch für die Vergangenheit gelten sollen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass solche rückwirkenden Steuererhöhungen nicht prinzipiell unzulässig sind. Gleichzeitig stellten die Richter klar, unter welchen Bedingungen sie gelten (1 BvL 6/07). So komme es darauf an, wie lange Steuerzahler auf die Gültigkeit der alten Regeln vertrauen durften. Sobald die Regierung einen Gesetzentwurf einbringt, der die strengeren Regeln enthält, sei dies zumindest infrage gestellt. Sind sich Bundesrat und Bundestag über das Gesetz uneinig, und spricht dann der Vermittlungsausschuss eine Empfehlung aus, macht das die Verabschiedung der strengeren Regeln noch wahrscheinlicher. Sobald der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat, müssten sich Steuerzahler definitiv darauf einstellen. Im konkreten Fall durfte eine 2001 vom Bundestag beschlossene Verschärfung der Gewerbesteuer zumindest für einige Tage rückwirkend gelten – exakt vom Datum der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses an, welche die neuen Regeln enthalten hatte. Ansonsten blieben die Richter bei ihrer Linie: Soll rückwirkend eine Wertsteigerung besteuert werden, darf die Steuer sich nur auf die Wertsteigerung seit Bekanntwerden der Änderung beziehen. Unzulässig bleibt es, nachträglich eine entstandene Steuerschuld abzuändern. Nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls kann das ausnahmsweise verfassungsgemäß sein.
Recht einfach: Urteile zu Adventskränzen
Ein Mann aus Krefeld entzündete zum Frühstück eine Kerze auf dem Adventsgesteck. Dann ging er in den Garten. Durch ein Fenster sah er ab und zu nach der Kerze. Das Gesteck fing Feuer. Tisch und Teppich wurden beschädigt. Die 8600 Euro Schaden wollte die Hausratversicherung nicht tragen. Zu Recht, entschieden die Richter. Der Versicherte habe grob fahrlässig gehandelt, da er das Risiko durchaus erkannt hatte (Landgericht Krefeld, 5 O 422/05).
Ein Mann aus Oldenburg wollte sich von einem Adventsgesteck, das ihm seine Freundin geschenkt hatte, nicht trennen. Als er im Hochsommer die Wohnung verließ, übersah er die Kerze. Sie brannte herunter und entzündete Tannenzweige und -zapfen. Das Feuer griff auf die Couch über. Auch auf diesem Schaden von 18 000 Euro blieb der Mann trotz Feuerversicherung sitzen. Jedem müsse klar sein, dass ein altes Gesteck „Quelle potenziell höchster Gefahr“ sei (Oberlandesgericht Oldenburg, 2 U 300/00).
Liebhaber. Ein Mann aus Mönchengladbach wollte seine Freundin an Weihnachten mit einem Frühstück erfreuen. Er machte Kaffee und entzündete die Kerzen am Adventskranz. Als er seine Freundin wecken ging, wurde er aufgehalten. Angesichts ihrer „körperlichen Reize“ habe er den Kranz vergessen. Die Brand- und Rußschäden von über 30 000 Euro musste die Hausratsversicherung tragen. Der Mann sei von seiner Freundin abgelenkt worden, so die Richter. Dafür müsse man Verständnis haben (Oberlandesgericht Düsseldorf, 4 U 182/98).
Elterngeld: Mehr Geld für Freiberufler
Ärzte, Anwälte und sonstige Freiberufler, die Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk zahlen, haben Anspruch auf höheres Elterngeld als gesetzlich Rentenversicherte mit gleichem Einkommen – allerdings nur noch für Geburten bis Jahresende. Ein Anwalt aus dem Saarland bekam damit recht (Bundessozialgericht, B 10 EG 15/11 R): Das Versorgungswerk zähle nicht zur Sozialversicherung, daher dürften die Beiträge bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt werden. Die erfreuliche Folge für ihn: Sein auszugleichendes Nettogehalt, und damit auch das Elterngeld, fällt höher aus. Der Anwalt hatte seine Klage damit begründet, dass er die Beiträge an das Versorgungswerk während der Elternzeit weiter zahlen müsse. Generell können Eltern bis zu 14 Monate lang zur Betreuung ihrer neugeborenen Kinder beruflich aussetzen und Elterngeld erhalten. Der Staat ersetzt bis zu 67 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens in den zwölf Monaten vor der Geburt, maximal 1800 Euro pro Monat. Zum Jahreswechsel tritt ein neues Elterngeld-Gesetz in Kraft, das auch Beiträge zu Versorgungswerken erfasst.
Krankenversicherung, Grundsteuer, Wohnfläche
Krankenversicherung: Nur zwangsläufige Kosten absetzbar
Ein Rentnerpaar machte 2006 eine Reihe von Krankheitskosten, die ihre Krankenversicherung IKK nicht bezahlte, als außergewöhnliche Belastung geltend. Insgesamt waren es 10 471 Euro. Das Finanzamt akzeptierte jedoch nur 76 Euro für Praxisgebühren und Eigenleistung im Krankenhaus. Die Finanzbeamten stuften den geringen Betrag als zumutbare Eigenbelastung ein. Damit blieb das Paar ohne Steuernachlass. Die Höhe der zumutbaren Eigenbelastung bemisst sich nach dem Einkommen und der Anzahl der Kinder. Im Fall der Rentner waren es sechs Prozent von 56 283 Euro Bruttoeinkommen, also 3376 Euro. Für die übrigen Krankheitskosten, beispielsweise eine Kur für 2698 Euro und eine Sauerstofftherapie für 1790 Euro, fehle der Nachweis, dass die Behandlungen medizinisch notwendig seien, so das Finanzamt. Gegen den Bescheid klagte das Rentnerpaar. Das Finanzgericht Baden-Württemberg schlug sich jedoch auf die Seite des Finanzamts (5 K 3889/11). Die Rentner hätten vor Beginn der Kur ein Attest eines Amts- oder Vertrauensarztes vorlegen müssen, so die Richter. Da die Sauerstofftherapie nicht medizinisch anerkannt sei, seien die Kosten hierfür auch nicht zwangsläufig. Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Steuerrechts liegt nur vor, wenn die Kosten unvermeidbar sind, um die Gesundheit des Steuerzahlers zu erhalten oder wieder herzustellen. Der Steuerzahler muss beweisen, dass es sich um unvermeidbare Kosten handelt. Alle Folgekosten einer Krankheit sowie Therapien, die nur den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern, aber nicht eine bestimmte Krankheit heilen, können Steuerzahler nicht absetzen (Bundesfinanzhof, III R 45/03).
Schnellgericht: Aktuelle Urteile kompakt
Vermieter dürfen ihren Mietern als Betriebskosten fiktive Kosten in Rechnung stellen, wenn sie selbst Arbeiten erledigen. Im konkreten Fall durfte eine Eigentümergesellschaft die von ihrem Personal erbrachten Hausmeister- und Gartenpflegearbeiten so abrechnen, als ob von ihr ein externer Dienstleister beauftragt worden wäre (Bundesgerichtshof, VIII ZR 41/12).
Arbeitgeber dürfen ohne begründeten Verdacht schon vom ersten Krankheitstag an ein ärztliches Attest zur Arbeitsunfähigkeit von ihren Mitarbeitern verlangen (Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 886/11).
Wenn Fußballanhänger gegnerischen Fans ihre Westen oder Jacken abnehmen, ist das kein Bagatelldelikt. Wenn sie noch nicht entschieden haben, ob sie die Kleidung vernichten oder behalten wollen, begehen die Fans klassischen Raub (Oberlandesgericht Nürnberg, 1 St OLG Ss 258/12).
Eine vom Vermieter installierte Gastherme muss so leistungsfähig sein, dass Mieter ihre Badewanne zügig mit warmem Wasser von mindestens 41 Grad füllen können. Braucht die Wannenfüllung 42 Minuten und erreicht das Wasser nur 37 Grad, reicht das nicht (Amtsgericht München, 463 C 4744/11).
Grundsteuer: Bei Leerstand weniger zahlen
Wer eine Immobilie vermietet, kann einen teilweisen Erlass der Grundsteuer beantragen, wenn mindestens 50 Prozent der Mieterträge durch Leerstand ausfallen. Allerdings muss sich der Eigentümer nachweislich darum bemüht haben, die leer stehenden Räume zu marktgerechten Konditionen zu vermieten. Marktgerecht bedeutet nicht, dass der Vermieter die Immobilie bei einem Überangebot an Wohn- oder Gewerberäumen zu Niedrigpreisen anbieten muss.
Es reicht, wenn sich der Eigentümer an dem jeweiligen Mietspiegel der Gemeinde orientiert. Jetzt entschied der Bundesfinanzhof, dass das Finanzamt bei größeren Immobilien mit zahlreichen Wohn- und Gewerberäumen für jede einzelne Einheit prüfen muss, ob der Vermieter für einen Leerstand verantwortlich ist (II R 8/12 ). Nur für die schuldlos leer stehenden Räume gebe es einen Steuernachlass.
Wohnfläche: Kleiner als angegeben
Das Amtsgericht Frankfurt hat eine Mieterin zur Zahlung der vollen Miete verdonnert, obwohl ihre Wohnung kleiner als angenommen ist. Anders als in einer Maklerannonce angegeben, war die Wohnung nur 62 statt 74 Quadratmeter groß (33 C 3082/12). Der Bundesgerichtshof hatte 2010 hingegen entschieden, dass Mieter sich auf eine solche Annonce berufen dürften (VIII ZR 256/09).