Anlegeranwalt Andreas Tilp "Ich empfehle der Telekom einen Gesamtvergleich"

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"Die Prospekthaftung ist das schärfste Schwert in Anlegerprozessen"

Ein Vergleich im Rahmen eines Musterverfahrens vor einem deutschen Gericht würde also nichts bringen, weil trotzdem mit jedem Kläger einzeln ein Vergleich erreicht werden muss?

Nein, auch das KapMuG erlaubt zwischenzeitlich Vergleiche. In einem kleinen Verfahren gegen Constantin Medien, die frühere EM.TV, hat das auch schon stattgefunden. Der Vergleich ist aber nur dann allgemeingültig, wenn weniger als 30 Prozent widersprechen. Der Telekom würde ich nach dem BGH-Urteil einen Gesamtvergleich empfehlen. Sonst muss sie in 2.700 Prozessen gegen mehr als 900 Anwaltskanzleien antreten.

Die wichtigsten Fakten zum Telekom-Urteil

Ist es realistisch, dass die Telekom klein beigibt?

Wenn die Telekom es drauf anlegen würde, könnte sie das Verfahren noch um Jahre hinauszögern. Ob ihr das etwas nützen würde, bezweifele ich aber. Schon wegen der öffentlichen Wirkung: Laut BGH hat die Deutsche Telekom beim Dritten Börsengang in ihrem Börsenprospekt ihre Beteiligungsverhältnisse an Sprint – Zitat – verschleiert. Verschleiern kann man aber nicht fahrlässig, sondern mindestens grob fahrlässig oder gar vorsätzlich. Es dürfte ihr daher nicht gelingen, auf einfache Fahrlässigkeit zu plädieren. Ein zügiges Abschließen der Anlegerprozesse müsste eigentlich in ihrem Sinne sein.

Sie glauben nicht, dass die Telekom sich weiter gegen Schadenersatz sperrt?

Die Prospekthaftung ist das schärfste Schwert in Anlegerprozessen. Ich gehe davon aus, dass das OLG bis Ende 2015 feststellt, dass die Telekom schuldhaft gehandelt hat und auch beurteilt, ob eine Kausalität zwischen dem falschen Börsenprospekt und den Käufen der T-Aktie durch die Kläger besteht, etwa durch Beeinflussung der Anlagestimmung am Markt. Beides - Verschulden und Kausalität - wird vom Gesetz zu Lasten der Telekom im Rahmen einer Beweislastumkehr vermutet. Bejaht das OLG dies, sind Schadenersatzzahlungen an die Anleger nicht mehr zu verhindern. Dann wäre eine Verzögerungstaktik eher schädlich. Mit den Verzugszinsen von fünf Prozent über Basiszins jährlich seit 2003, die die Telekom auf den zu entstandenen Schaden zu zahlen hat, wird es nur immer teurer. Schon heute übersteigen die Verzugszinsen die eingeklagte Schadensumme.

Wie geht es für die Kläger nach der OLG-Entscheidung weiter?

Danach geht es für die 17.000 klagenden Anleger deutlich schneller. Sie müssen dann nicht einmal nachweisen, dass sie den Börsenprospekt überhaupt gelesen haben. Sie können direkt von dem zuständigen Landesgericht den Schadenersatz von der Deutschen Telekom zusprechen lassen. Sollte die Telekom allerdings erneut den BGH anrufen, würden sich die Verfahren weiter verzögern. Dann wäre wohl erst 2018 mit ersten Zahlungen an die Kläger zu rechnen.

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