Anwälte packen aus So tricksen die Banken ihre Anleger aus

Immer öfter landen die Banken vor Gericht. Sie müssen sich gegen unzufriedene Anleger wehren – und sind dabei nicht zimperlich. Anwälte haben sieben Abwehr-Maschen identifiziert, die besonders beliebt sind.

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Der Münchner Anwalt Nikolaus Sochurek:

Kempten Die Finanzkrise fordert ihren Tribut. Immer mehr Beteiligungen an Unternehmen stellen sich als Fehlinvestition heraus. Die spektakulären Enthüllungen bei den Fondsgruppen S&K oder nun Infinus sind da nur die Spitze des Eisbergs. Anwälte schätzen, dass weit über 100.000 Anleger ihr Geld in hochriskante Unternehmensbeteiligungen gesteckt haben.

Oft wurden solche Fondsanteile im grauen Kapitalmarkt von Banken verkauft. Wenn etwas schief läuft, stehen die Berater der Banken daher sofort im Kreuzfeuer. Anleger wollen ihr Geld zurück – und immer öfter landen solche Auseinandersetzungen vor Gericht. Das ist für alle Beteiligten ein zweifelhaftes Vergnügen, denn es entwickelt sich ein zähes Ringen.

Das Problem aus der Sicht der Anwälte: Nicht nur zweifelhafte Verkäufer wurden durch die hohen Provisionen auf dem unregulierten Markt für Unternehmensbeteiligungen angelockt. Auch viele Banken packte die Gier. Graumarktprodukte seien daher selbst Kleinsparern verkauft worden, sagt etwa der Rechtsanwalt Thomas Diler von der Kanzlei Sommerberg in Bremen.

Doch was passiert, wenn nun wie bei S&K oder Infinus etwas schief läuft? Schließt die Bank vielleicht schnell einen Vergleich? Das passiert, doch oft wird es geheim gehalten von beiden Seiten. Offiziell sind dagegen umso häufiger Statements zu hören, dass die Banken grundsätzlich vor Gericht nicht nachgeben wollen und Vergleiche kaum möglich sind.

„Grundsätzlich ist die Tendenz festzustellen, dass Banken einen „Alles oder Nichts“ Kurs fahren, jedwede Ansprüche im außergerichtlichen Bereich zurückweisen und es auf gerichtliche Auseinandersetzungen ankommen lassen“, stellt Rechtsanwalt Nikolaus Sochurek aus München fest.

Allenfalls im Verlauf solcher Verfahren, insbesondere während der mündlichen Verhandlung, seien die beklagten Institute eventuell bereit, über einen Vergleich zu reden. Anleger brauchen also nicht nur starke Nerven, um wieder an ihr Geld zu kommen. Sie sollten auch die gängigen Abwehrstrategien der Gegenseite kennen. Sonst halten sie jahrelange Rechtsstreit womöglich gar nicht durch.


Die Banken werden immer aggressiver


In Zeiten extrem niedriger Zinsen haben windige Anlageberater oft leichtes Spiel. Denn sie bieten scheinbar attraktive Alternativen für magere Zinsen auf Spar- und Festgeldkonten an. Dass Verkäufer im grauen Kapitalmarkt dabei prächtig verdienen, ist vielen Anleger zunächst gar nicht bewusst. Erst wenn rauschende Party, etwa bei S&K, bekannt werden, horchen viele auf.

Anwälte warnen: „Leider steigt unserer Erfahrung nach mit zunehmender Provision an die Bank auch das Risiko des vermittelten Produktes. Je höher das Risiko und windiger das Finanzprodukt desto höher die Provision an die Vermittler“, sagt Diler. Er seine Kollegen stellen fest, dass für Schiffsfonds regelmäßig Provisionen von rund zehn Prozent oder mehr an die Beraterbanken zurückfließen.

Für ein nur kurzes Beratungsgespräch vereinnahm also die Bank rund zehn Prozent der Kundeneinlage. Dies sei ein lukratives Geschäft, das sich die Banken offenbar nicht entgehen lassen wollten. Zum Vergleich: Bei den Investmentfonds, die gesetzlich verpflichtet sind, diverse Kapitalanlegerschutzregelungen einzuhalten, hingegen werden regelmäßig nicht mehr als fünf Prozent an Provision gezahlt.

„Die Banken werden immer aggressiver, was die Vermittlung von Finanzprodukten betrifft“, stellt auch der Anwalt Andreas Lang aus Frankfurt fest. Offensichtlich bestehe ein großer Druck, solche Finanzprodukte auch zu verkaufen. Oft werde dabei „am tatsächlichen Bedarf des Anlegers vorbei beraten.“

Besonders auffällig sei, dass viele Banken geschlossene Fonds auch an ältere Anleger vermittelten, sagt Lang. Hier sei die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass Kunden die Rückzahlung des Kapitals gar nicht mehr erlebten. Schließlich geht es um Laufzeiten von bis zu 20 Jahren. Regelmäßig verwiesen die Banken dabei auf die angebliche Absicht des Anlegers, das Geld für die Erben anlegen zu wollen.

Für Anwälte sind solche offensichtlichen Fehlberatungen gute Ansatzpunkte vor Gericht. Doch ein Erfolg ist damit keineswegs garantiert. Denn die Banken geben nicht so schnell klein bei. Anwälte haben daher für Handelsblatt Online gängige Tricks der Banken identifiziert, mit denen sie sich aus der Verantwortung winden wollen.


Erste Masche: Keine außergerichtliche Einigung

Ob ein Vergleich möglich ist, kann von Fall zu Fall sowie von Bank zu Bank unterschiedlich sein. Peter Hahn, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Hamburg, stellt etwa fest: „Außergerichtlich sind beispielsweise die Sparda Bank und eine Postbank-Tochter selten einigungsbereit.“ Sein Kollege Walter Späth von Dr. Späth & Partner aus Berlin ergänzt: „Schlechte Erfahrungen habe ich mit der Commerzbank, ehemals Dresdner Bank, und der Targobank, ehemals Citibank, gemacht.“

Hier werde oftmals erst die Klage abgewartet. Das heißt, es kommt selten zu einer außergerichtlichen Einigung. Dies mit der Deutsche Postbank AG selbst zu erzielen, ist nach Hahns bisherigen Erfahrungen hingegen deutlich leichter. Denn das Institut verhalte sich kulanter.

Offen zeigt sich gelegentlich auch die Sparda Bank Hamburg. Bei DG-Fonds biete sie in der Regel außergerichtlich eine Quote von zwanzig Prozent an. Der Rest müsse dann gegenüber der DZ Bank AG gerichtlich geltend gemacht werden. Anders sieht es bei Schiffsfonds-Fällen aus . Da verhalte sich die Sparda Bank eG außergerichtlich recht störrisch und bisher nicht vergleichsbereit.

Anwalt Hahn glaubt jedoch, dass ihm die Zeit in die Hände spiel: „Hier muss zunächst der Ausgang einiger erstinstanzlicher Klagverfahren abgewartet werden, um vielleicht dort zu einem Stimmungswandel zu kommen“, sagt Hahn. Einigungsbereitschaft sieht er dagegen bei offenen Immobilienfonds, zum Beispiel beim CS Euroreal.

Da sei die Postbank auch außergerichtlich vergleichsbereit und unterbreite vernünftige Angebote, sagt Hahn. Er vermutet als Ursache, dass seine Kanzlei in diesem Bereich beim Landgericht Frankfurt am Main einige wichtige Grundsatzurteile erstritten hat. Bei Zertifikaten sei die Vergleichsquote ebenfalls gut: Hier habe seine Kanzlei viele Fälle mit der Postbank außergerichtlich reguliert.

Die Postbank bestätigt dies: „Zeigen sich Anhaltspunkte dafür, dass die Beratung fehlerhaft gewesen sein könnte, gehen wir dem mit aller Sorgfalt nach.“ Diese Prüfungen hätten bereits dazu geführt, dass man mit betroffenen Kunden oder deren Anwälten einvernehmlich Vergleiche geschlossen habe. Dies werde man auch weiterhin tun.

Allerdings könne eine eventuelle negative Wertentwicklung eines Produktes nicht mit einer Falschberatung gleichgesetzt werden, verteidigte sich das Institut. Diese unternehmerischen Beteiligungen wiesen in aller Regel bessere Renditechancen als andere Anlageprodukte auf. Investitionen in diese Produkte beinhalteten jedoch auch gleichzeitig ein höheres Risiko.


Zweite Masche: Berater in Unterfirmen auslagern


Wenn Anwälte einen Anlageskandal untersuchen, ist eine ihrer ersten Fragen oft: Wie war die Beratung? Wenn man dem Verkäufer womöglich ein Fehlverhalten nachweisen kann, steigen die Chancen auf Schadenersatz für den Anleger. Das wissen auch die Banken, und deshalb schützen sie sich neuerdings häufiger durch einen juristischen Kniff.

„Seit einiger Zeit werden die Beratungsleistungen einfach in eine Unterfirma geschoben“, erklärt Elke Schubert, Kapitalanlagerechtlerin und Partnerin der Kanzlei Bergdolt und Schubert, das Vorgehen der Banken. Das sei dann eine GmbH, die angeblich nichts mit der Bank zu tun hat. Der Haken: Für den Kunden ist solch eine Haftungsbeschränkung nicht ersichtlich. Denn: Es wird dasselbe Logo verwendet, und auf der Visitenkarte steht nur "Beratungs GmbH".

Der Vorteil für die Bank: Sie erklärt sich für nicht mehr zuständig. Dabei kann sich das Kreditinstitut sich sogar auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs berufen. Danach ist die Tochter-Beratungs-GmbH wie ein freier Anlageberater zu behandeln und muss über versteckte Provisionen nur aufklären, wenn diese Zahlungen über 15 Prozent liegen.

Ihr Kollege Bernd Jochem, Rechtsanwalt der Kanzlei Rotter in München, kennt das: „Bei Schadensersatzklagen wegen nicht erfolgter Aufklärung über die vereinnahmten Provisionen ist bei einigen Instituten nicht klar ist, wer genau beraten hat.“ So agiert bei den Sparda-Banken die Sparda International - ein Gemeinschaftsunternehmen der Sparda-Bank München mit der Sparda-Bank Villach/Innsbruck, wie es heißt.

Auch bei der Postbank müsse man immer schauen, ob der Berater für die Postbank AG agiert habe oder für die Postbank Finanzberatung AG, erklärt Anwalt Jochem. Er vermutet, dass versucht werde, dies zu verschleiern, um Klagen eventuell schon an formalen Problemen scheitern zu lassen. Der Anwalt erinnert sich da an Klagen gegen die Deutsche Bank AG, wo genau dies passiert war.


Dritte Masche: Identität der Berater verschleiern

Die Folge dieser Taktiken ist nach Einschätzung von Juristen: „Der unbehelligten Gewinnmaximierung sind so keine Grenzen mehr gesetzt“, wie Anwältin Schubert es ausdrückt. Ihr Fazit: „Es steckt schon eine gewisse Hybris im System.“ Wie wehrt man sich gegen solche Auslagerungen von Beratern?

Juristen argumentieren vor Gericht, dass der Anleger den rechtlichen Unterschied nicht erkennen konnte. Aus dem Namen sei schließlich nicht ersichtlich, dass es sich bei Postbank Finanzberatung AG um eine Nichtbank handelt. Wer dagegen von einem Berater der Deutschen Postbank AG betreut wurde, bewegte sich im rechtlichen Dunstkreis der Bank. Für diese gelten strengere Beratungsregeln.

„Teilweise arbeiteten einige Berater sowohl für die Deutsche Postbank AG als auch für die Postbank Finanzberatung AG“, erläutert Rechtsanwalt Walter Späth aus Berlin einen Trick. Diese hätten auch teilweise auf die Konten der Kunden bei der Deutschen Postbank AG zugreifen können. Nicht selten habe die Beratung in denselben Geschäftsräumen stattgefunden.

Und es sei auch hin und wieder das Logo der Deutschen Postbank AG verwendet worden. Aufgrund seiner Ermittlungen für die Prozesse ist Späth der Ansicht: „Die Identität der Berater wurde meiner Ansicht nach teilweise bewusst verschleiert.“ Das heiße: „Den Anlegern wurde teilweise vorgegaukelt, dass sie von einem Mitarbeiter der Deutschen Postbank AG beraten wurden.“

Anwalt Späth weiß noch mehr: „Gegen den Vorstand der Postbank Finanzberatung AG wurde ja inzwischen bereits Strafanzeige wegen gewerbsmäßigen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Hannover gestellt – wegen der Vermittlung fehlerhafter Anlageprodukte an Anleger.“ Hierzu heißt es seitens der Postbank: „Das erwähnte Strafverfahren gegen den Vorstand der Postbank Finanzberatung AG wurde eingestellt, weil sich keinerlei Hinweise auf strafbare Handlungen ergeben haben.“


Vierte Masche: Auf Zeit spielen


Je länger ein Verfahren dauert, um so entnervter reagieren oft die Betroffenen. Auf diesen menschlich verständlichen Mechanismus setzen auch die Banken, wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollen.
„Außergerichtlich wird grundsätzlich gemauert und verschleppt, der Anspruch wird von sich gewiesen“, sagt Helge Petersen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Kiel. „Selbst nach einem Urteilsspruch ist noch alles offen, denn die Banken nutzen grundsätzlich alle Instanzen.“

Ein Beispiel: Im Juli 2011 forderte Anwalt Petersen Geld von einer Bank. Parallel dazu wurde die Schlichtungsstelle angerufen. Im Januar 2012 fiel der Spruch Schlichtungsstelle negativ aus. Die Kanzlei reichte dann im Februar 2012 Klage ein. Petersen: „Man zankte sich und schrieb sich hin und her, machte Vergleichsangebote, meist in unglaublich niedrigen Sphären.“

Im Oktober 2012, also fast anderthalb Jahre später, fiel dann das erstinstanzliche Urteil. Im November 2012, also einen Monat später, folgte die Berufung durch die Bank beim Oberlandesgericht. Im September 2013 nahm die Bank ihre Berufung zurück. In diesem Fall sollte einen Tag später das Urteil gefällt werden. Insgesamt zog sich das Verfahren also mehr als zwei Jahre hin.

Grundsätzlich sieht Petersen höhere Chancen in der Berufung. Doch auch bei der Berufung dauere es dann, so Petersen, oft fast ein Jahr, bis es zu einem neuen Urteilsspruch komme. Eine Chance, Geld zu sehen, ergibt sich meist erst ganz zuletzt. „Viele Banken nehmen in der höheren Instanz die Berufung kurz vor dem Urteilsspruch zurück“, weiß Petersen.

Der Grund für die Prozesstaktik gerade bei spektakulären Anlageskandalen: Wenn Urteile über ein Jahr nicht bestätigt werden, wird der Fall in der Öffentlichkeit vergessen. Damit vermeidet die Bank einen Verlust an Reputation.

Das Fazit des Anwalts: „So kann man verschleppen, taktieren und warten, dass geschädigte Anleger entweder schlechte Vergleichsangebote annehmen.“ Manche würden zudem von weiteren Schritten absehen, weil das Geld ausgeht oder sie sogar die Urteilssprüche gar nicht mehr erleben.

„Zunehmend versuchen Banken Rechtsstreitigkeiten auszusitzen“, stellt auch Andreas Lang fest. Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Frankfurter Kanzlei Nieding und Barth erklärt sich das so: „Da Prozesse gegen Finanzinstitute aufgrund der im Raum stehenden Summen und der damit einhergehenden hohen Streitwerte teuer sind, scheuen viele Anleger den Gang vor Gericht.“

Diese Scheu vor dem Prozess sei den Banken natürlich bewusst. Sie habe zur Folge, dass in außergerichtlichen Auseinandersetzungen eine Regulierung des Schadens oft abgelehnt werde. Getreu dem Motto: Erst mal abwarten, ob der Kunde auch tatsächlich klagt. Zudem seien viele Anleger nicht rechtsschutzversichert, so Lang. Sie würden dann schon deshalb oft nicht prozessieren.

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen sei damit andererseits die „Erfolgsquote“ auf Seiten der Banken sehr hoch. „Klagt der Anleger dann doch, etwa weil er eben rechtsschutzversichert ist oder aber die Kosten eines Klageverfahrens nicht scheut, unterbreiten Banken im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens sehr oft schnell ein Vergleichsangebot“, weiß der Jurist.


Fünfte Masche: Harte Linie vor Gericht


Vor Gericht präsentieren sich die Banken oft sehr siegessicher. „Die Strategie vieler Kreditinstitute ist nach wie vor, den Korb möglichst hoch zu hängen“, sagt der auf Kapitalanlagerecht spezialisierte Rechtsanwalt Jens Graf aus Düsseldorf. Auf diese Taktik fallen offenbar auch Juristen herein.

Erstaunlicherweise scheine es auch etliche Kollegen zu geben, die sich dieser Tätigkeit nicht so gern unterziehen, stellt Graf fest. „Das kenne ich schon von früher im Grauen Kapitalmarkt. Dort ist großen Ankündigungen oft nichts gefolgt“, meint der Jurist. Für ihn scheinen alle Banken und auch Sparkassen „gleich“ vorzugehen. Dennoch hat Graf auch immer wieder Einzelfälle, in denen von der „harten Tour“ abgewichen wird.

„Hofft man dann jedoch beim nächsten Aufeinandertreffen mit der gleichen Bank für einen anderen Mandanten wieder auf ein Abweichen, ist davon plötzlich keine Rede mehr“, hat er festgestellt. Dennoch sieht der Jurist keinen Anlass zur Entmutigung: Seine Kanzlei gewinne rund 80 Prozent der Fälle, die bis zum Ende durchgefochten würde. Der Prozesserfolg sei kein Ausnahme- oder Glücksfall.

Die harte Linie der Banken bekommt auch Rechtsanwältin Anne-Katrin Brendle-Weith von der Tübinger Kanzlei Tilp zu spüren. Schon oft hat sie „Null Einigungsbereitschaft“ festgestellt. Ihre Erfahrung mit der Kooperationsbereitschaft der Banken ist schlecht. „Jeder Sachverhalt wird gleich behandelt. Eine Beschäftigung mit dem individuellen Fall erfolgt nicht.“

Und auf jedes Anspruchsschreiben erhalte man dieselben teilweise wortgleichen Antworten, sagt die Anwältin. Dennoch lohne es sich für die Sache zu kämpfen, wie viele siegreiche Urteile zugunsten von Anlegern beweisen. Auch die Informationspolitik der Banken spielt eine Rolle.

Teilweise würden Urteile, bei denen die Bank gewonnen hat, sehr positiv heraus gestellt, stellt Walter Späth fest. In anderen Fällen schließe das Institut dann heimlich Vergleiche mit Anlegern. Damit sollen andere Anleger jedoch nichts mitbekommen. Denn diese sollen denken, sie hätten schlechte Chancen.


Sechste Masche: Beratern die Schuld geben


Wenn es um Schuldzuweisungen geht, dann sind die Banken nicht zimperlich. Auch die eigenen Berater werden da nicht geschont, wie der Münchner Rechtsanwalt Nikolaus Sochurek festgestellt hat. Die Postbank Finanzberatung AG befinde sich auch mit zahlreichen ehemaligen Handelsvertretern in rechtlichen Auseinandersetzungen. Zahlreiche dieser ehemaligen Anlageberater vertritt er.

Die Postbank Finanzberatung AG verteidige sich in diesen Verfahren damit, dass der Beratungsvertrag nicht mit der Postbank oder der Postbank Finanzberatung AG zu Stande gekommen sei, sondern mit dem agierenden Anlageberater persönlich. Auf diese Weise werde versucht, die Haftung auf die Berater persönlich abzuwälzen, stellt der Anwalt fest.

Viele Handelsvertreter waren Mitte letzten Jahres gekündigt worden. Die Haftungsrisiken nun auf die ehemaligen Berater zu schieben, sei allerdings eine Strategie, der kein Erfolg beschieden sein werde. Denn es handele sich bei den Anlageberatungen unter dem Dach der Postbank Finanzberatung AG aus rechtlicher Sicht um sogenannte unternehmensbezogene Geschäfte.

Der richtige Haftungsadressat sei somit die Postbank beziehungsweise die Postbank Finanzberatung und nicht einzelne Berater persönlich, meint Sochurek. Seine Kanzlei gehe daher auch grundsätzlich nicht gegen Berater persönlich vor. „Ebenso wenig würde ich dem Kunden eines Supermarktes, der sich an faulen Eiern vergiftet, dazu anraten, den Kassierer zu verklagen“, sagt der Anwalt. Dies wäre schlichtweg der falsche Haftungsadressat.

Teilweise fordert die Postbank auch bereits bezahlte Vergütungen, das heißt Provisionen, von den einzelnen ehemaligen Handelsvertretern zurück. Auch diese Rückforderungen hält der Anwalt in vielen Fällen für unberechtigt.

Das Verhalten der Postbank Finanzberatung AG hält er jedoch für unüblich. Dass die eigenen Berater ins Fadenkreuz der Haftungsansprüche geschoben würden, um sich selbst schadlos zu halten, hält für recht einzigartig.


Siebte Masche: Anlegern die Schuld zuschieben

Und wenn nicht die Berater, dann bleiben immer noch die Anleger selbst als Sündenböcke. Vor Gericht gelingt das mitunter leichter als gedacht, weil es auch den Richtern gelegentlich schwerfällt, in der komplexen Materie den Durchblick zu behalten.

„Wir haben noch viel zu oft Schwierigkeiten, auch den beteiligten Gerichten klarzumachen, um was es sich bei „Rückvergütungen“ tatsächlich handelt“, erklärt Anwalt Graf. „So einige scheinen bis heute damit Probleme zu haben, sich bewusst zu machen, dass Banken Schmiergelder kassiert haben. Und das nicht zu knapp.“ Das gelte auch für die angeblich aktuell erfolgende Information der Kundschaft.

Wenn die Anbieter ihren Kunden allein mitteilten, es „flössen Provisionen“, verstünden diese in der Regel nicht, um was es sich dabei tatsächlich handeln würde. Das wiederum bedeute, dass die aktuelle Informationspraxis der Anbieter bei objektiver Betrachtung nicht genügen könne. Anwalt Graf nennt das Prinzip: „Wer nicht versteht, wovor man ihn warnen will, bleibt schutzwürdig.“

Wer die Information dagegen sehr gut verstehe, seien die Kreditinstitute, sagt Graf. Manchmal habe man das Gefühl, sie agierten auf einer „Euphoriewelle“. Denn eigentlich wollen sie ihre Provisionen nicht offenlegen. Doch dann stellten sie fest, dass auch bei unkommentierter Offenbarung der Zusammenhänge der Normalkunde nicht verstehe, was man mit ihm mache.

Vor Gericht verursache dies oft zusätzliche Probleme. Denn die Gerichte hielten oft mehr oder minder unverhohlen den Anleger für einen, der erst zocke und Steuern sparen wolle und dann noch mit Hilfe der überlasteten Gerichte sich als schlechter Verlierer erweise und Schadensersatz einfordere.

Rechtsanwalt Christian Luber von der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei CLLB Rechtsanwälte in München bestätigt dieses Verhalten der Kreditinstitute: „Die Strategie der Banken ist es nicht selten, den Kunden die Verantwortung für die Zeichnung von spekulativen Kapitalanlagen zuzuschieben. Und das ist eigentlich bei allen größeren Banken so.“


Was noch offen ist


Fazit: Dass Banken Provisionen kassieren und darüber nicht aufklären, ist nicht neu. Dass viele geschädigte Anleger klagen, ist auch nicht neu. Doch wie Banken nun agieren, um sich schadlos zu halten, das ist interessanter als gedacht.

Allerdings sei angemerkt: Einiges darf erst gar nicht geschrieben werden. Beispielsweise über Vergleiche diverser Banken mit Klägern. Hier werden Anlegeranwälte gleich im Vergleich dazu verpflichtet, nichts an die Presse weiterzugeben.

Das ist auch kein Wunder. Wenn erst einmal andere geschädigte Anleger erfahren, dass ihre Bank jetzt Vergleiche schließt, würden sie von dieser Bereitschaft doch auch gern profitieren. So ist dann auch zu erklären, dass manche der angefragten Kanzleien so reagierten: "Wir haben uns verglichen, aber das dürfen Sie nicht schreiben." Viele Namen, die für den einen oder anderen Anleger interessant sein dürften, konnten daher hier nicht genannt werden.

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