Bafög-Rechner - Tool der Woche Viel Aufwand, viel Bürokratie – und viel Ertrag?

Für viele Studierende ist Bafög essentiell. Oft jedoch fürchten sie die teilweise Rückzahlung und den hohen Aufwand. Eine undankbare Arbeit, die sich aber rentiert. Der Bafög-Rechner unterstützt bei der Kalkulation.

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Viele junge Leute können sich ein Studium ohne Bafög nicht leisten. Quelle: dpa

Frankfurt Die Abiturprüfungen sind geschrieben und hoffentlich auch bestanden. Für viele Schüler stellt sich dann die Frage, wie es weitergeht. Etwa 80 Prozent von ihnen zieht es sofort vom Klassenzimmer in den Hörsaal. Doch ein Hochschulstudium ist teuer – allen voran, wenn es Studierende in eine andere Stadt zieht und sie nicht mehr von den Eltern unterstützt werden.

Für viele junge Erwachsene ist der Bafög-Zuschuss die einzige Chance, ein Hochschulstudium finanzieren zu können. Keine Frage: Der bürokratische Aufwand für einen Antrag ist enorm und kompliziert, die Berechnung erst recht. Studierende haben Anspruch auf einen Zuschuss, wenn ihnen die erforderlichen Mittel für Lebensunterhalt und Ausbildung nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Bei der Kalkulation sind die Einkünfte der Eltern, persönliche Lebensumstände und die eigene finanzielle Situation hinreichend. Ein Antrag würde sich für viele lohnen.

Grundsätzlich kann jeder einen Antrag auf Förderung stellen, der aktuell in einer Ausbildung steckt. Die Art der Ausbildung – Universität, Fachhochschule oder Berufsschule – spielt keine Rolle. Jedoch wird nur die Erstausbildung gefördert: Wechseln eingeschriebene Studenten die Fachrichtung oder brechen ein Studium ab, kann die Förderung verweigert werden. Im Jahr 2015 bezogen 611.376 Studierende in Deutschland Bafög. Die Quote wird von Jahr zu Jahr geringer, zuletzt sank sie von 19 auf 15 Prozent. Gleichwohl: Vier von fünf Bafög beziehenden Studierende geben an, dass sie sich das Studium ohne den Zuschuss nicht leisten könnten.

Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), glaubt, dass viele trotzdem absichtlich auf ihren Anspruch verzichten. Zum einen schrecke sie die Last der Rückzahlung ab. „Ich kann nur empfehlen, den Antrag zu stellen, zumal erst fünf Jahre nach Förderende maximal nur 10.000 Euro in kleinen Raten zurückzuzahlen sind“, sagt Meyer auf der Heyde. Die halbe Förderung ist also tatsächlich ein Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss, die andere Hälfte ein zinsloses Darlehen.

Für Schüler ist Bafög gar ein Vollzuschuss – sie müssen nichts zurückzahlen. Anspruch haben aber nur diejenigen Schüler, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen. In der Regel ist zudem eine abgeschlossene Vorausbildung notwendig. Ein Beispiel: Anspruch hätte ein Schüler, der nach seinem Hauptschulabschluss noch das Abitur anstrebt und von zuhause ausgezogen ist.

Und der Zeitaufwand? Auch der hemmt. Wer einen Erstantrag stellt, braucht laut Statista in der Regel fünfeinhalb Stunden. Dieter Drohnen, Präsident des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, schätzt, dass vier von zehn Studierenden aus diesem Grund keinen Antrag stellen, obwohl der Mehraufwand ihr Einkommen stärken würde. Hierbei soll der Bafög-Rechner des Handelsblatts helfen: Dieser kalkuliert den voraussichtlichen Förderzuschuss – und zeigt, ob sich der bürokratische Aufwand überhaupt lohnt.


Scharfe Kritik am Bafög-Satz

Ist der Antrag genehmigt, beginnt die Förderung relativ schnell. Durchschnittlich unterstützt der Bund Studierende mit einem Förderbetrag von monatlich 448 Euro. Im vergangenen Jahr wurde der Höchstsatz für Antragsteller, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, um 9,7 Prozent auf 735 Euro erhöht.

Dennoch gibt es derzeit erneut heftige Kritik: Eine neue DSW-Studie kommt zu dem Schluss, dass die staatliche Förderung viel zu niedrig bemessen sei. „Sie deckt die wirklichen Kosten nur in begrenztem Umfang und wird den sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen der Studierenden nicht mehr gerecht“, kritisiert DSW-Präsident Dieter Timmermann. Er fordert die Politik auf, die Sätze erneut anzuheben – andernfalls landeten viele Studierende in der Armutsfalle. Konkret: Laut DSW benötigt ein Studierender für Miete, Lebensmittel, Versicherung, Lernmittel, Fahrtkosten und weitere Posten circa 1000 Euro im Monat – Bafög allein genüge derzeit also nicht.

Auch das Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie ermittelte eine „Unterdeckung“ schon beim monatlichen Bafög-Grundbedarf. Die Wohnpauschale reiche nicht aus, um davon die tatsächliche Miete zu bezahlen. In diesem Zusammenhang warnt Meyer auf der Heyde vor „verdeckter Armut“. Die Wohnpauschale genüge lediglich für einen Platz im Wohnheim. Daher würden viele Studierenden am Essen sparen. Das hat auch Bildungsökonom Dohmen festgestellt: „Bei den Ausgaben für Essen werden zum Teil Beträge angegeben, die eine gesunde und ausgewogene Ernährung unwahrscheinlich erscheinen lassen.“

Der stärkste Kostentreiber laut der Studie: die Posten für Miete und Gesundheit. Insbesondere im unteren Einkommensbereich könnten die Eltern oftmals nicht ausreichend unterstützen. Im Portmonee hat demnach nur genug, wer nebenbei noch arbeitet.

Ein Dilemma: Denn wer Bafög bezieht, muss ganz genau drauf achten, was er sich monatlich dazu verdient. Für Angestellte oder freiwillige Praktikanten liegt die Grenze bei 450 Euro, bei selbstständiger Arbeit bei 370 Euro. Stipendien werden in den meisten Fällen teils oder gänzlich aufs Bafög angerechnet. Wird der eigene Antrag abgelehnt, ist in manchen Bundesländern ein Widerspruchsverfahren möglich. In den anderen Ländern müssen abgelehnte Studenten gleich einen Anwalt engagieren und vor Gericht die Ablehnung anfechten.

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