Beratercheck Was deutsche Kanzleien besser machen

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Eat what you kill

Wo es die fleißigsten und die frustriertesten Mitarbeiter gibt
Platz 1: Indien Quelle: AP
Platz 2: Brasilien Quelle: dpa
Platz 3: Türkei Quelle: dpa
Wackelkandidat China Quelle: dpa
Mittelmaß Deutschland Quelle: dpa
Hintere Plätze Quelle: dpa/dpaweb
... Japan und Frankreich, jeweils mit einem Engagement-Wert von weniger als 50 Prozent. „Eine der Ursachen könnten in diesen Ländern noch die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise sein“, sagt Kienbaum-Berater Pfau. Quelle: dpa

Die Crux: Qua Vorgabe aus der US-Zentrale musste das Hamburger Büro Hollensteiners Honorarangebot ablehnen.

Selbst die Art, wie Kanzleien unter den Partnern ihre Gewinne aufteilen, schlägt auf die Beziehung zu den Mandanten unmittelbar durch: In deutschen Kanzleien wird meist der Gewinn durch die Partner geteilt, im angelsächsischen System orientiert sich der Gewinn des Einzelnen an seinem individuellen Umsatz. Im brachialen Branchenjargon heißt das: Eat what you kill – frei übersetzt etwa so viel wie „Mandanten, die du erlegt hast, gehören dir“.

Dieses Selbstverständnis lässt nicht nur die Sprache verrohen – es macht Partner innerhalb der Kanzlei zu erbitterten Konkurrenten. Statt sich in ihrer Arbeit zu unterstützen, drängeln sie sich in Aufträge ihrer Kollegen hinein oder booten sogar die eigenen Kollegen aus. Das Fazit eines Insiders: „Das angelsächsische Honorarverteilungssystem schadet den Mandanten.“ Denn: „Dabei kann ein Kunde nicht sicher sein, ob er den besten Partner einer Sozietät für sein Problem bekommt, weil es sich kein Partner leisten kann, Mandanten und Fälle an andere Partner weiterzureichen – selbst wenn sie kompetenter sind.“ Im Klartext: Er würde Geld verlieren.

Hinzu kommt: Weil britische und amerikanische Kanzleien viel mehr angestellte Anwälte an Bord haben, rücken sie ihren Kunden gern mit Zehn-Mann-Teams auf die Pelle. Leerzeiten ihrer hoch bezahlten Top-Juristen können sie sich nicht leisten, also müssen alle möglichst ständig beschäftigt sein. Auf einen Partner kommen im Schnitt fünf angestellte Anwälte, die den Fall letztlich abarbeiten. Bei deutschen Kanzleien sind es in der Regel nur zwei.

„Man hat öfter den Eindruck, dem angelsächsischen Kanzleinachwuchs die Ausbildung zu zahlen“, so ein Konzern-Justiziar, der zuweilen vergeblich darauf pocht, einen Partner zu Gesicht zu bekommen. „Nach der Akquise machen die sich rar.“

Verständlich, dass sich laut Umfrage 20 Prozent der Unternehmen ärgern, wenn die Chefbehandlung nur noch bei jeder dritten Visite stattfindet.

Wie Unternehmen Anwaltsmandate vergeben

Und um das Mandat zu bekommen – etwa um sich mit dem Namen des Klienten auf der Referenzliste schmücken zu können –, jagen manche in Pitches der Konkurrenz mit Dumpingpreisen die Kunden ab. Immerhin monierte jedes dritte der befragten Unternehmen, dass Anwälte Mandate aufblähen, um ihr unter den Selbstkosten abgegebenes Billigangebot auszugleichen – und so wieder auf ihre erst erhofften und intern kalkulierten Summen zu kommen.

Eine britische Kanzlei etwa, klagt der Chefjustiziar eines Berliner Immobilieninvestors, habe ein auf 215.000 Euro veranschlagtes Honorar ohne Vorwarnung am Ende auf 250.000 Euro hochgeschraubt. Der Grund: Weil in der auf Fusionen spezialisierten Abteilung der Kanzlei mangels Übernahmen gerade Flaute war, setzte sie andere Anwälte kurzerhand wie unnötigerweise gleich mit an den Fall. Und als die kanzleiinternen Richtlinien keinen Nachlass zuließen, verlor sie den Mandanten.

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