Bürokratischer Wahnsinn Das A bis Z der unsinnigsten Regelungen
Die Forderung an die Politik, den Dschungel von Verordnungen zu bekämpfen, ist uralt. Es tut sich nichts. Eine Übersicht - von A wie Aufbewahrungsfrist von Steuerunterlagen bis Z wie Zweitwohnungsbesteuerung.
A - Aufbewahrungsfrist: Alte Steuerunterlagen türmen sich zu teuren Papierbergen
Altes Papier ist nicht gleich Altpapier. So will es der Gesetzgeber - und schreibt Fristen zur Aufbewahrung wichtiger oder auch unwichtiger Dokumente per Gesetz vor. Für Steuerunterlagen etwa beträgt die Frist derzeit zehn Jahre. Denn der deutsche Bürokrat frönt der Sammelleidenschaft, wobei er in diesem Fall fremdsammeln lässt. Laut einem Positionspapier dringt Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nun darauf, die Frist auf fünf Jahre zu verkürzen. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stemmt sich dagegen, obwohl Fachleute schätzen, dass die Wirtschaft allein durch die Fristverkürzung jährlich Bürokratiekosten in Höhe von 800 Millionen Euro einsparen könnte.
Die Archive der Unternehmen würden um Berge von Papier befreit. Rösler fordert, was in anderen Ländern längst umgesetzt ist. Nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags steht Deutschland im Vergleich besonders schlecht da. Dänemark, Großbritannien, Finnland, Frankreich oder Polen beispielsweise geben sich wesentlich unbürokratischer. Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen erscheint deshalb aus Sicht der Wirtschaft besonders naheliegend und vordringlich. Doch Schäuble verweist auf die langen Verjährungsfristen beim Delikt Steuerhinterziehung. Kürzere Aufbewahrungsfristen, so sein Argument, würden die Strafverfolgung erschweren. Warum Schäuble die Unternehmer als potenzielle Steuerhinterzieher einstuft, sagt er nicht. Seit Tagen wird zwischen den Ministerien verhandelt.
Bild: vision photos/R.Klostermeier
B - Bananenmarktordnung der EU: Wie müssen Bananen aussehen?
Eine Banane ist nur dann für EU-Bürger geeignet, wenn sie mindestens 14 Zentimeter lang und 2,7 Zentimeter dick ist, sie darf keine Beschädigungen aufweisen und noch nicht gereift sein, schließlich muss sie noch transportiert werden können und nachreifen. Diese Verordnung gibt es seit 1993 - ursprüngliches Ziel: In der EU produzierte Bananen gegenüber Importen aus Mittel- und Südamerika konkurrenzfähig zu machen und zu halten.
Damit nicht genug: Weil Qualitätsanforderungen nicht genügten, um die Bananen konkurrenzfähig zu machen wurde eben diese Verordnung eingeführt. Seit dem gibt es drei Arten von Bananen, die, die direkt aus einem EU-Staat kommen, solche, die in Afrika, der Karibik oder dem Pazifikraum angebaut werden und Bananen aus allen anderen Anbaugebieten. Je nach Herkunft werden unterschiedliche Einfuhrzölle erhoben - zumindest für die Bananen aus Übersee.
Bild: AP
C - Corporate Social Responsibility-Katalog: Firmen sollen soziales Engagement bilanzieren
Schon aus Gründen der Eigenwerbung fördern viele große und kleine Unternehmen soziale Projekte oder unterstützen Umweltschutzvorhaben. Die Krombacher Brauerei wirbt damit, für jeden Kasten Bier einen Quadratmter Regenwald zu retten. Damit kommen sie ihrer Corporate Social Responsibility (CSR) nach, der gesellschaftlichen Verantwortung. Der EU-Kommission reicht das allerdings nicht.
Statt Freiwilligkeit setzt sie auf sanften Zwang. Mit einem Katalog von Grundanforderungen an branchenweite CSR-Verhaltenskodizes will Brüssel dieses Engagement künftig verpflichtender gestalten und mit zusätzlichen Berichtspflichten versehen. Ein Vorschlag für eine „Rechtsvorschrift über die Transparenz der sozialen und ökologischen Information“ ist in Vorbereitung. Vertreter der deutschen Wirtschaft können da nur noch den Kopf schütteln. „Die Kommission greift damit massiv in die Gestaltungsfreiheit von Unternehmen ein.
Die bürokratische Last - insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen - wäre erheblich und stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen“, stellen die Spitzenverbände der Wirtschaft einhellig fest. Die von der EU-Kommission erhobene Forderung nach verpflichtenden Zielvorgaben ignoriere nicht nur das breite Engagement der Verbände. Es sei zudem rein formal ausgerichtet: „Was zählt, sind Erklärungen und Papier, nicht aber die gelebte Verantwortung.“ Die Wirtschaftsverbände fordern die EU-Kommission auf, zur Freiwilligkeit von Corporate Social Responsibility zurück zu kehren. Das aber wäre wahrscheinlich zu unbürokratisch.
Bild: dpa
D - Dienstwagenbesteuerung: Wie das Finanzamt die Freude am Firmenwagen verleidet
Für Arbeitnehmer, die einen Dienstwagen fahren, hat sich der Gesetzgeber etwas Besonderes einfallen lassen: Für die private Nutzung des Fahrzeugs veranschlagt der Fiskus monatlich pauschal ein Prozent des Bruttolistenpreises - und kassiert für diesen "geldwerten Vorteil" Steuern. Bei einem Fahrzeug mit einem Listenpreis von 48.000 Euro sind das 480 Euro im Monat beziehungsweise 5?760 Euro im Jahr. Bei einem Einkommensteuersatz von 42 Prozent müssen also 2?419 Euro an den Fiskus gezahlt werden - unabhängig davon, mit wie viel Rabatt der Arbeitgeber das Dienstfahrzeug tatsächlich eingekauft hat.
Doch das ist längst nicht alles: Denn außerdem muss der Dienstwagenbesitzer noch einen Zuschlag versteuern, mit dem die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten werden: monatlich 0,03 Prozent des Listenpreises pro täglich gefahrenem Kilometer. Bei 30 Kilometern am Tag macht das 432 Euro pro Monat oder 5.?184 Euro im Jahr. Komplizierter wird es, wenn der Dienstwagennutzer nachweist, dass er höchstens 15- mal im Monat die Strecke zur Arbeit gefahren ist, wobei Hin- und Rückfahrt einzeln zählen. Denn dann kann er beantragen, dass der Fiskus lediglich 0,02 Prozent des Listenpreises verlangt. Gleichzeitig darf der Fahrer allerdings auch die Pendlerpauschale in Höhe von 30 Cent je Entfernungskilometer geltend machen.
In dem Beispielfall würde dies das zu versteuernde Einkommen wiederum um 2.070 Euro mindern. Damit wird rasch klar, dass der Fiskus hier mit zweierlei Maß misst: Entweder ist der steuerpflichtige geldwerte Vorteil zu hoch bemessen - oder die steuermindernde Pendlerpauschale ist zu niedrig angesetzt. Fazit: So verderben die Steuergesetze dem Dienstwagenfahrer schnell die Freude an seinem Privileg. Was als Auszeichnung gedacht war, wird zur Belastung.
Bild: ullstein bild
E - E-Bilanz-Pflichtangaben: Der Fiskus holt sich so viele Daten, wie er nur kriegen kann
Bei moderner Datenverarbeitung geht dem Fiskus das Herz auf. Die neu gewonnenen Informationen eröffnen ungeahnte Möglichkeiten. Stellen alle Unternehmen standardisierte Daten und Kennzahlen zur Verfügung, fällt es leichter, etwa Unregelmäßigkeiten festzustellen. Bisher störte nur das Datenschutzrecht. Für viele Daten gab es bisher keine Rechtsgrundlage, sie zu erheben.
Doch jetzt holt sich der Staat die Erlaubnis durch die Hintertür mit der neuen elektronischen Bilanz (E-Bilanz). Betroffen sind kleine wie große Unternehmen, die deutlich mehr Pflichtangaben leisten müssen. Mussten sie für ihre Steuerbilanz bisher zwischen 100 und 200 Positionen ausfüllen, kommen mit der E-Bilanz bis zu 120 Positionen hinzu.
Schulungen für Mitarbeiter, neue Software und ein höheres Honorar für Steuerberater sind die Folge. Vor allem Personengesellschaften, bei denen Gesellschafter wechseln, müssen mit ihren Sonder- und Ergänzungsbilanzen viel Zeit investieren. Werden internationale Rechnungslegungsstandards angewendet, ist eine Umsetzung ebenfalls sehr aufwendig. Für Banken und Versicherungen gelten Spezialvorschriften. Bei Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Verkehrs- sowie kommunalen Eigenbetrieben sind Ergänzungen erforderlich.
Ursprünglich sollte die E-Bilanz bereits ab 2011 gelten. Nach Warnungen von Wirtschaft und Steuerberatern vor einem Chaos wurde der Stichtag verschoben. Nun ist die E-Bilanz erst für 2013 zwingend vorgegeben. Das Bundesfinanzministerium hat kleine Änderungen zugesagt. Erleichterungen für Unternehmen gibt es aber im Gegenzug nicht, urteilt Olaf Becker, Steuerberater aus Dortmund: "nur bürokratischen Zusatzaufwand ohne eine Erleichterung bei der Betriebsprüfung". Aber Vorsicht: Bei Betriebsprüfungen bietet der Fiskus oft eine andere Form der Erleichterung: Nachzahlungen.
Bild: ap
F - Fachkräfte-Visaantragsprozess: Wie ausländische Spezialisten bürokratisch lernen
Die deutsche Wirtschaft glänzt global. Sie freut sich über den Titel Exportweltmeister und ständig steigenden Absatz in aller Welt. Nur wenn es um den eigenen Arbeitsmarkt geht, da ist die deutsche Wirtschaft ganz provinziell. Was nicht so sehr an den Unternehmen liegt, sondern eher einem Hang zum Formalismus in deutschen Amtsstuben geschuldet ist. Denn dort müssen arbeitswillige Ausländer ein Visum beantragen. Und das kann sich ziehen. Laut dem nationalen Normenkontrollrat dauert es oft länger als sechs Wochen, bis ein Visum erteilt wird, obwohl für die reine Bearbeitungszeit nicht einmal ein halber Arbeitstag benötigt wird.
Die meiste Zeit geht - im Zeitalter des Internets - durch Postwege verloren. Oft dauert es schon 14 Tage, bis die deutsche Botschaft im Land des Bewerbers Unterlagen per Post zur Bearbeitung nach Deutschland schickt. Weitere 18 Tage kosten dann Liegezeiten beim Bundesverwaltungsamt, der kommunalen Ausländerbehörde und Arbeitsagentur, die alle an dem Visum beteiligt sind. „Wir wollen einen Programmierer und einen Produktionsleiter aus Kaliningrad in unser Entwicklungsteam nach Hamburg holen“, berichtet der Geschäftsführer der Hamburger Onlinespiele-Firma Intenium, Konstantin Nikulin.
Auf die beiden Spezialisten werde man noch „zwei, drei Monate oder länger warten.“ Importweltmeister - von dringend benötigten Fachkräften - wird Deutschland so schnell also nicht.
Bild: ap
G - Gelangensbestätigung: Firmen droht hoher Aufwand schon beim Export geringster Güter
Ab 1. Juli 2012 droht Unternehmern eine neue Verordnung, bei deren Titel die Rechtschreibprüfung auf dem PC kapituliert: die Gelangensbestätigung. Sie steht für neue Nachweispflichten bei Exporten. Für Lieferungen in andere EU-Staaten - und seien es auch nur fünf Bleistifte - muss ein gesetzlich vorgeschriebener Belegnachweis erbracht werden. Die Frachtpapiere der Spediteure reichen nicht mehr. Stattdessen müssen die Kunden auf einem Formblatt, das es in Deutsch, Englisch und Französisch gibt, den Empfang der Ware bestätigen.
Die Neuregelung soll helfen, Umsatzsteuerbetrug zu verhindern. Allerdings sei es praktisch unmöglich, im Ausland die vorgeschriebene rechtsverbindliche Unterschrift des Empfängers zu bekommen, insbesondere wenn noch ein Zwischenhändler eingeschaltet sei, monieren die Verbände. Überdies würde viel Geld unnütz ausgegeben. Selbst wenn jede Bestätigung nur fünf Minuten dauerte, entstünden etwa dem Chemiekonzern BASF Mehrkosten von 1,6 Millionen Euro pro Jahr.
Bei kleineren Firmen wie der Florett GmbH in Cham, die Spezialschuhe produziert und versendet, wird das ein echtes Problem, erklärt Geschäftsführer Martin Hübner: "Wie bringt man wohl die Verkäuferin eines Schuhhauses in Südfrankreich oder der Ostslowakei dazu, so ein Schreiben, das sie noch nicht einmal versteht, zu unterzeichnen und an uns zurückzuleiten?" Auch da hülfe wohl ein Rechtschreibprogramm nicht weiter, auch wenn es kostenlos wäre.
Bild: dpa
H - Herstellungskostennachweis: Wie der Fiskus Umbauten unattraktiv macht
So ein Haus zu renovieren, kann eine schwierige Angelegenheit sein. Was die Umbauten so schwierig macht, ist nicht etwa der Grad des handwerklichen Geschicks - sondern die Definitionsvollmacht der Behörden. Für die ist nämlich Renovieren nicht gleich Renovieren. Stattdessen unterscheidet das Amt zwischen Herstellung und Instandhaltung.
Herstellungskosten entstehen Hauskäufern, die ein altes Gebäude modernisieren. Aber nur, wenn die Summe, die innerhalb von drei Jahren nach dem Kauf für die Renovierung fällig wird, 15 Prozent des Kaufpreises übersteigt. Denn im anderen Fall geht der Fiskus nicht von Herstellungs-, sondern von Instandhaltungs- und Modernisierungskosten aus. Eine Unterscheidung, die Hauskäufern wohl nur dann einleuchtet, wenn sie im Hauptberuf Steuerberater sind. Und die sie im Zweifel viel Geld kostet, wenn es um die Abschreibung geht.
Denn während Instandhaltungs- und Modernisierungskosten sofort als Betriebsausgaben steuermindernd geltend gemacht werden dürfen, erhöhen Herstellungskosten aus Sicht des Finanzamts den Kaufpreis des Gebäudes. Damit müssen sie über dessen Nutzungsdauer abgeschrieben werden - und das sind meistens 50 Jahre.
Bild: picture-alliance
I - Informationspflicht: Sie trifft Handwerker genauso wie die Chemiebranche
Informationspflicht ist ein Tarnwort. Es bedeutet in die Wirklichkeit übersetzt Papiergeraschel. Beispiel Chemiebranche: Die arbeitet sich noch an der Umsetzung der europäischen „Reach“-Gesetzgebung zur Registrierung chemischer Stoffe ab, da drohen bereits neue Belastungen. Die EU-Kommission hat die so genannte Seveso-Richtlinie neu gefasst. Für die Chemiewirtschaft heißt das: schärfere Vorschriften zur Beherrschung der Gefahren bei Unfällen mit gefährlichen Stoffen und vor allem mehr Dokumentation über den Umgang mit selbigen.
Kann der Umgang mit Chemikalien auch erhebliche Gefahren bergen, so gilt das in weitaus geringerem Maße für die Tätigkeit von Handwerkern, Gewerbetreibenden und Kaufleuten. Doch auch für sie gilt seit Mai 2010 eine umfängliche„Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV). Danach müssen Kunden zum Beispiel die Name und Anschriften der zuständigen Handwerkskammer beziehungsweise Industrie- und Handelskammer genannt werden.
Erforderlich ist auch eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der Dienstleistung - etwa die „Erbringung von Malerarbeiten“. Und gewünscht ist noch weitaus mehr: die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Einträge in Handelsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister sowie nicht zuletzt Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung. Das nervt die Dienstleister - und dürfte für die Kunden nur in den seltensten Fällen überhaupt von Interesse sein.
Bild: ap
J - Jagdschein: Der Amtsschimmel und das Jägerlatein
Ursprünglich waren die Menschen Jäger und Sammler, sozusagen von Berufs wegen. Wer dagegen heute einen Hirsch erlegen will, muss zuerst den Amtsschimmel besiegen. Der Jäger in spe braucht - noch bevor er sich mit Gewehr und Munition ausstattet - einen Jagdschein, den die "untere Jagdbehörde" ausstellt. Dazu muss eine bestandene Jägerprüfung nachgewiesen werden. Diese erfordert die Teilnahme an einem Lehrgang mit mindestens 60 Stunden Theorie und 60 Stunden Praxis - weit mehr als beim Autoführerschein.
Zudem müssen eine Jagdhaftpflichtversicherung und ein Nachweis der persönlichen Zuverlässigkeit nach dem Waffengesetz vorgelegt werden. Dafür bekommt der Neujäger nicht irgendeinen Jagdschein, sondern den Tages- oder Jahresjagdschein, den Jugend- oder Falknerschein. Vor der Schein-Verlängerung werden die Voraussetzungen erneut kontrolliert. Wer den Jagdschein trotz dieser bürokratischen Hürden bekommen hat, darf aber nicht automatisch jagen.
Das Jagdrecht steht in Deutschland den Grundeigentümern zu, die es auf ihrem eigenen Land ausüben dürfen oder sich örtlichen Jagdgenossenschaften anschließen müssen. Die wiederum verpachten dann Jagdrechte an Jäger. Natürlich nur an solche mit Jagdschein. Wenn alles vorhanden ist - Jagdprüfung, Jagdschein, Jagdpacht und Jägerglück - muss der Betroffene noch die Jagdsteuer entrichten. Die bringt dem Fiskus 20 Millionen Euro pro Jahr - und schafft Planstellen in der Verwaltung.
Bild: dpa
K - Kleinteile-Vorschrift: Der Fiskus lähmt Firmen mit Abschreibungsregeln
Teile und herrsche! Dieser Rat stammt von den alten Römern. Teile und schreibe ab! Dieser Rat stammt vom Steuerberater. Denn Kleinteile oder "geringwertige Wirtschaftsgüter" muss ein Unternehmer in drei Gruppen aufteilen, bevor er sie abschreiben darf. Alles, was bis zu 150 Euro kostet, Kulis oder Taschenrechner, wird sofort komplett angesetzt. Kostete das Telefon oder die Espressomaschine für das Büro aber zwischen 150,01 und 1000 Euro, darf das Teil nur über fünf Jahre abgeschrieben werden, egal wie schnell es unbrauchbar wird. Es wandert in die "Poolabschreibung".
Doch für Kleinkram, der ab 2010 angeschafft wurde, gilt eine andere Grenze: Alles was seither bis 410 Euro gekostet hat, darf nach einem Wahlrecht sofort abgeschrieben werden. Um diese Option nutzen zu können, muss die Firma ein gesondertes Verzeichnis führen, in dem sie sämtliche Güter, die zwischen 150 und 410 Euro gekostet haben, auflistet. Doch Vorsicht, nutzt ein Unternehmer dieses Wahlrecht, darf er die bisherige "Poolabschreibung" für Güter bis zu einem Wert von 1000 Euro, nicht nutzen. Ernst & Young zum Beispiel bildet Sammelposten für die Poolabschreibung, erklärt Peter Englisch, der dort das Mittelstandsgeschäft leitet.
Da rasches Abschreiben die Liquidität eines jeden Betriebes schont, muss nun jeder Unternehmer alljährlich nachrechnen, welche Option die günstigere ist: Sofortabschreibung bis 410 Euro oder Poolabschreibung "Bei einem größeren Betrieb mit unzähligen PCs und Handys", sagt Englisch, "wäre das aber eine wahre Sisyphos-Arbeit." Aber das klingt dann wieder zu griechisch.
Bild: dapd
L - Landwirtschafts-Verordnung: Die geplante EU-Agrarreform schafft Probleme
Vor allem in der Landwirtschaft blüht die Bürokratie. Dabei war es das eigentliche Ziel der EU-Agrarpolitik, dem Bauernstand das Leben leichter zu machen. Doch in Wahrheit steht hinter jedem Landwirt mittlerweile ein Bürokrat. So müssen beispielsweise Junglandwirte allein sechs bis sieben verschiedene Regelkataloge durcharbeiten, um Zuschüsse aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes zu erhalten.
Basis für die neue Gemeinschaftliche Agrarpolitik - kurz GAP genannt - sind sieben Verordnungsvorschläge, die ab 2014 gelten sollen. Sie sollen die Agrarwirtschaft unter anderem ökologischer machen - in erster Linie machen sie sie aber bürokratischer. Entsprechend skeptisch sieht der Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament die geplante Reform. Sein Fazit: "Der angekündigte Bürokratieabbau findet nicht statt, schlimmer noch: Die Kommission bläht die Bürokratie unnötig auf", sagt Michael Theurer.
Der Liberale weiß den Europäischen Rechnungshof hinter sich. Er hat jetzt festgestellt, dass die beabsichtigte Reform zu unkonkret, gleichzeitig aber auch zu kompliziert sei. Deshalb würden die Verwaltungskosten allein für die Direktzahlungen an die Landwirte um 15 Prozent steigen. Brüssel zeige jedoch nirgendwo auf, wo man diesen Mehraufwand durch Entbürokratisierung in anderen Bereichen ausgleichen könne. Dieses "greening", mahnte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, dürfe nicht zu "blühender Bürokratie" führen. Dürfte nicht. Aber wird.
Bild: dpa
M - Mindestbesteuerung: Gewinne und Verluste dürfen nicht verrechnet werden
An Gewinnen beteiligt sich der Fiskus stets gerne, in dem er Steuern kassiert. Ganz anders sieht es aus, wenn ein Steuerzahler Verluste macht und versucht, diese zur Reduzierung seiner Steuerbelastung zu nutzen. Wer glaubt, das zu versteuernde Einkommen setze sich aus den positiven und negativen Gesamteinkünften zusammen, der macht die Rechnung ohne den Fiskus. Denn der hat eine "Mindestbesteuerung" erfunden.
Diese verhindert, dass Verluste uneingeschränkt mit positiven Einkünften verrechnet werden können. Folglich ergeben 50.000 Euro Verlust aus Vermietung und 50.000 Euro Gewinn aus Gewerbebetrieb keineswegs ein Gesamteinkommen von Null. Doch diese Vorschrift ist so kompliziert, dass Unternehmer und Steuerberater daran verzweifeln. Damit sie begreifen, was der Gesetzgeber mit §4 Abs. 4a Einkommensteuergesetzes gemeint haben könnte, hat der Fiskus 12 Seiten mit Beispielrechnungen veröffentlicht. Anhand derer wird erläutert, in Wahrheit aber verschleiert, worum es dem Staat wirklich geht: Er nimmt lieber, als dass er gibt.
Bild: dpa
N - Nanotechnologie-Richtlinie: Die EU-Kommission erweitert ihre Kontrollrechte
Die EU-Kommission soll die Einigung Europas vorantreiben. So lautet ihr Arbeitsauftrag. In Wirklichkeit aber ist die Kommission damit beschäftigt, die Ausweitung ihres Wirkungskreises voran zu bringen. Und das beginnt im Kleinsten. Zum Beispiel bei der Nanotechnologie. Das ist einer der verheißungsvollsten Zukunftstechnologien.
Dabei geht es um die Verarbeitung kleinster Teile. Schon heute sind die Kleinstpartikel in Hunderten von Anwendungen und Konsumgütern enthalten. Die Palette reicht von Zahnpasta über Batterien bis hin zu Farben und Kleidung. Zudem können diese Stoffe zu Fortschritten in Bereichen wie Medizin und Umweltschutz führen. Unsicherheit besteht über die möglichen Risiken. Deshalb sieht die Kommission Regulierungsbedarf. Reguliert werden aber kann nur, was zuvor definiert wurde. Und das hat die Kommission gemacht. Sie beschreibt ein Nanomaterial als ein Material, "das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder als Agglomerat enthält, und bei dem mindestens 50 Prozent der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm haben."
Wer genau nachmisst, kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Die Definition der EU mache beinahe alle Alltagsprodukte zu "Nano", weil fast alle auf dem Markt befindlichen Farbpigmente und Füllstoffe darunter fielen, kritisiert der Verband der Chemischen Industrie. Der Kommission gehen damit Tausende Produkte ins Netz, die sie künftig genauer beobachten kann - mit dem gebotenen bürokratischen Aufwand.
Bild: dpa
Ö - Öl-Zertifizierungsindustrie: Warum Öl im Behördendeutsch nicht gleich Öl ist
Biosprit im Tank soll dem Autofahrer ein reines Gewissen geben und - noch wichtiger - die Umwelt entlasten. Aber nicht jeder Biosprit ist auch wirklich bio. Manche Produzenten roden dafür Regenwälder, andere verfeuern Lebensmittel. Damit Sprit aus solcher Produktion nicht in EU-Tanks landet, haben sich Brüssels Eurokraten einfallen lassen, was ihnen besonders gerne einfällt: ein Zertifizierungswesen. Beziehungsweise deren sieben.
Rund um diese sieben Zertifizierungssysteme entsteht nun eine regelrechte Zertifizierungsindustrie. Irgendjemand muss die ganzen Zertifikate ja ausstellen. Große Hoffnungen auf Entbürokratisierung und Vereinfachung erscheinen daher unbegründet. Was das in der Praxis bedeutet, weiß Julian Sels, geschäftsführender Gesellschafter der Neusser Ölmühle Sels. Da er in seinen Mühlen vor allem Rapsöl herstellt, das je nach Marktlage zu Biokraftstoff oder zu Speiseöl verarbeitet wird, muss er beide Ölsorten zertifizieren lassen. So braucht er für Biokraftstoffe das EU-Nachhaltigkeitszertifikat, das aber in den jeweiligen Mitgliedsländern nicht immer akzeptiert wird und zudem immer wieder modifiziert wird.
Entscheidend ist für ihn, ob die Rapssaat nachhaltig ist oder nicht - und nicht immer bekommt er darauf rechtzeitig Antwort. Eine Vereinheitlichung der Anforderungen wäre daher eine Erleichterung. Im Moment ist die Lage so, dass das Öl für den Tank höhere Anforderungen erfüllen muss als das Öl für den menschlichen Verzehr. Aber das lässt sich ändern, am besten mit einem neuen Zertifikat.
Bild: dpa
P - Publizisten-Sozialversicherung: Wenn eine Abgabe zum Mysterium wird
Damit die Kunst nicht brotlos bleibt, arbeiten selbstständige Künstler und Publizisten gerne auch einmal für Unternehmen. Für die Arbeitsleistung müssen die Unternehmen den sogenannten Auftraggeberanteil zur Künstlersozialversicherung zahlen. Um zu prüfen, ob diese Zahlung wirklich fällig ist, verschickt die Deutsche Rentenversicherung ein Formular, das nicht weniger als neun Seiten umfasst - und das in den Unternehmen für tiefe Ratlosigkeit sorgt.
Die Fragen, mit denen sich die Privatwirtschaft beschäftigen muss, sind oft schlichter Natur: Sind überhaupt selbstständige Künstler beauftragt worden? Und wenn ja, unterliegen diese der Abgabepflicht? Für den normalen Mittelständler ist das schwer zu beantworten. Das fängt schon bei der Frage an: Was ist überhaupt ein Künstler? Der Gesetzgeber sagt zwar, was für eben jenen an Abgaben gezahlt werden muss, schweigt aber dazu, wer genau als Künstler zu werten ist. Vom Auftraggeber wird auch verlangt, zu beurteilen, ob Aufträge "nicht nur gelegentlich" erteilt werden. Doch die Formulierung "nicht nur gelegentlich" ist nicht eindeutig definiert.
Auch hier ist eine Kenntnis der geltenden Rechtsprechung erforderlich. Das gleiche gilt für die Frage, ob der Auftrag wirtschaftlich bedeutend ist. Der Steuerzahlerbund meint: "Der beste Weg zum Bürokratieabbau bestünde darin, die Künstlersozialabgabe abzuschaffen." Das Problem: Das würde zwar weniger Bürokratie, aber auch weniger soziale Absicherung der Künstler bedeuten. So wird der Künstler zum Bürokratiefan - wider Willen.
Bild: dpa
Q - Qualifizierungs-Genehmigung: EU-Geld gibt es - aber nur mit viel Geduld
Die EU gibt, die EU nimmt. Sie gibt etwa Geld, um Menschen über Qualifizierungsmaßnahmen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Und sie nimmt, ja raubt demjenigen Zeit, der diese Hilfe in Anspruch nehmen will. Der Anspruchsberechtigte muss sich durch Anträge, Nachweise und Dokumentationspflichten kämpfen.
Wie die Bürokratie wuchert, musste etwa eine Berufsfachschule erfahren, die ein neues Schulungsprogramm einführen wollte. Die notwendigen Maschinen wurden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert. Außerdem erhielt die Schule Geld aus dem Europäischen Sozialfonds für die Ausarbeitung der Lehrpläne. Obwohl beide Investitionen der Einführung des Schulungsprogramms dienten, mussten die Formalitäten zweimal erledigt werden.
Absurd mutet die Maßnahme an, mit der Empfänger von Geld aus dem Europäischen Sozialfonds bisher Projektauslagen nachweisen mussten: Sie sollten die Busfahrkarten der Schulungsteilnehmer aufbewahren. Leider verblassten die Stempel auf den Tickets, so dass der Nachweis später nicht mehr gelang. Überall das gleiche Bild: Im Forschungsbereich dauert es im Schnitt 350 Tage, bis eine Finanzhilfe bewilligt wird. Und haben Institutionen Geld aus dem Kohäsionsfonds erhalten, mit dessen Hilfe der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt in Europa gefördert werden soll, müssen sie die Unterlagen bis zu 15 Jahre aufbewahren. Wer mit der EU zu tun hat, entdeckt vor allem eines: die Langsamkeit.
Bild: ap
R - Regen-Steuer: Selbst was vom Himmel kommt, wird erfasst und abgerechnet
In Deutschland fallen pro Jahr zwischen 400 und 2?000 Liter Regenwasser auf jeden Quadratmeter. Und zwar völlig kostenlos. Das freut auch den durchschnittlichen Garten- und Eigenheimbesitzer. Und er versucht, das Wasser sinnvoll zu nutzen. Schließlich werden Wasser und Abwasser jährlich teurer, der Regen bringt also finanziellen Segen.
Das Regenwasser wird dabei in unter- oder oberirdischen Regenspeichern gesammelt und über Pumpen von dort zu den einzelnen Zapfstellen transportiert. Ein Vier-Personen-Haushalt kann so rund 70 000 Liter Trinkwasser pro Jahr sparen - zum Ärger der Kommunen, denen Wasser- und Abwassergebühren entgehen. Denn von versiegelten Flächen wie Dächern, Parkplätzen und Straßen in die öffentliche Kanalisation ablaufendes Wasser wird bislang meist nicht als Abwasser erfasst. Seine Abführung wurde über die erhobenen kommunalen Abwassergebühren mitfinanziert.
Diese wiederum berechneten sich nach dem Frischwasserverbrauch. Im Klartext: Je mehr Regenwasser Verbraucher abzweigen, desto weniger nehmen die Kommunen ein. Theoretisch. Praktisch aber sind viele Kämmerer, je nach Bundesland, auf eine gute Lösung gekommen: Sie besteuern nicht nur Trink- und Ab-, sondern auch Regenwasser. Und da kann niemand sparen.
Bild: dpa
S - Steuerauskunfts-Vorschrift: Wie das Finanzamt doppelt zur Kasse bittet
Den Unterschied zwischen einer Vorschrift und einer Ermessensentscheidung kann jeder Bundesbürger erfahren, der Ärger mit seiner Steuererklärung hat. Weil das Steuerrecht noch lange nicht so übersichtlich ist wie versprochen, hat die Politik dem Bürger zwar das Recht eingeräumt, vom Finanzamt verbindliche Auskunft zu seinen Fragen zu bekommen. Theoretisch. Denn in der Praxis ist es immer auch eine Ermessensentscheidung, ob der Fiskus Auskunft gibt. Ein genereller Anspruch auf klare Worte vom Amt besteht also nicht. Sprich: Je kreativer der Steuerbeamte im Erfinden von Ausreden ist, desto weniger Auskünfte muss er erteilen. Der Bürger muss alleine klarkommen.
Immerhin hat er dann wenigstens Geld gespart, wenn er sich nicht einen teuren Steuerberater leistet. Denn findet sich das Finanzamt tatsächlich bereit, eine Auskunft zu erteilen, wird eine Gebühr von 50 Euro je 30 Minuten Bearbeitungszeit fällig - mindestens jedoch 100 Euro je Auskunft. Zumeist richtet sich die Höhe der Gebühr allerdings nach dem Streitwert. Liegt dieser, beispielsweise bei einer Auskunft über die Abschreibungen bei einem Investitionsvorhaben, bei 500 000 Euro, beträgt die Gebühr 2 965 Euro. Dabei ist die Auskunft doch Teil der allgemeinen Steuerfestsetzung. Sie müsste kostenlos sein - und nicht die Anfrage des Steuerbürgers umsonst.
Bild: dpa
T - Tachographen-Pflicht: Elektronische Fußfessel lähmt Handwerker
Der Tachograph ist ein Instrument der Bürokraten, um vor allem Handwerkern das Leben schwer zu machen. In der Theorie soll der deutsche Handwerker innovativ sein, sich nach den Bedürfnissen seiner Kunden ausrichten und am besten auch noch deutsche Handwerkskunst in die Welt aussenden - so wie es sich für einen Werktätigen in einer globalisierten Wirtschaft gehört.
In der Praxis sorgt der Staat dafür, dass Handwerker am besten nur in der eigenen Nachbarschaft werkeln - mit einer Art elektronischer Fußfessel für Maurer, Dachdecker oder Elektriker. Denn der Tachograph muss in jedes Fahrzeug über 3,5 Tonnen, mit dem sich Handwerker mehr als 50 Kilometer vom Betriebsgelände entfernen. Das Gerät dokumentiert Lenkzeiten und Pausen - und soll so die Einhaltung der vorgeschriebenen maximalen Fahrtzeit kontrollieren. Schon ein einziger Auftrag in einer etwas weiter entfernten Nachbarstadt erfordert den Einbau und den Kauf von Fahrerkarten und Softwareprogrammen.
Jeder Fahrer, der den Wagen nutzt, benötigt eine Fahrerkarte für das Gerät, sobald er nur ein einziges Mal mit Arbeitsmaterialien weiter als 50 Kilometer zu einem Kunden unterwegs ist. Je nach Mitarbeiterzahl eines Betriebs kann das mehrere Tausend Euro kosten. Die Tachograph-Daten müssen zwei Jahre lang aufgehoben werden. Nun steht die Überarbeitung der Verordnung an. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat eine Ausnahme für Transporte bis zu 150 Kilometer gefordert - und dafür den Europäischen Preis für die beste Idee zum Bürokratieabbau erhalten.
Bild: Pressefoto
U - Umsatzsteuer: Wie Existenzgründern das Leben schwergemacht wird
Der Existenzgründer ist der moderne Held jedes Wirtschaftspolitikers. Was er nicht alles sein soll, der Existenzgründer: innovativ, tatkräftig, wagemutig . So beschwört es der Wirtschaftspolitiker immer wieder. Nur wenn der Existenzgründer dann auf die Bürokratie stößt, dann wird er vom Wirtschaftspolitiker gerne alleine gelassen.
So spürt, wer sich in Deutschland aufmacht, ein Unternehmen zu gründen, schnell: Zuerst kommt die Bürokratie, dann das Geschäft. Nirgends zeigt sich das so deutlich wie bei der Umsatzsteuer. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerverkürzung im Jahr 2002 gab es auf einmal eine Sonderregelung für Existenzgründer. Grundsätzlich umfasst der Zeitraum für eine Umsatzsteuervoranmeldung ein Kalendervierteljahr.
Nach der Sonderregelung müssen Existenzgründer innerhalb der ersten zwei Kalenderjahre Voranmeldungen der Umsatzsteuer generell jeden Monat abgeben. Das ist teuer - und macht Arbeit. Eigentlich wollte die Politik mit dieser Reform Betrug bei Umsatz- und Mehrwertsteuer verhindern. Die Wirtschaftsverbände stellen nun fest: Den Betrug hat die Änderung nicht eingedämmt. Die erfolglose Regelung zur belastet stattdessen seitdem vor allem ehrliche Existenzgründer - und macht sie allenfalls zu frustrierten Helden der Arbeit.
Bild: dpa
V - Verpflegungspauschale: Das Schnitzel kann nur auf kurzen Dienstreisen abgesetzt werden
Die Pauschale ist ein Instrument, um Schnitzel für den Fiskus zu Geld zu machen. Wer auf Dienstreise oder Montage geht, muss häufiger auswärts essen. Da das in der Regel teurer als zu Hause ist, hat der Staat die Verpflegungspauschale erfunden, um dem Steuerbürger den Mehraufwand zu erstatten.
Doch das Absurde: Geht eine Dienstreise in den vierten Monat, kann der Monteur das Schnitzel plötzlich nicht mehr absetzen. Das liegt daran, dass der Reisende in seiner Steuererklärung nicht die tatsächlichen Kosten, sondern Pauschalen ansetzt. Und die laufen nach drei Monaten aus. Wer nun länger auswärts isst, muss also erst zurück nach Hause, bevor ihm der Mehraufwand erstattet wird.
Das ist vor allem für die Baubranche ein Problem: Viele Baustellen existieren viele Monate, wenn nicht Jahre. So war die Lindner AG zwei Jahre mit dem Innenausbau der Deutschen Bank in Frankfurt beschäftigt. Veronika Lindner, Inhaberin der Firma mit 6?000 Beschäftigten, versteht nicht, warum die Verpflegungspauschale nach drei Monaten ausläuft. "Für den Monteur auf einer Baustelle fernab seines Wohnortes kostet das Schnitzel im vierten Monat doch immer noch genauso viel wie in den ersten drei Monaten." Lindner muss die Monteure alle drei Monate zu anderen Baustellen senden. Eine unsinnige Schnitzeljagd.
Bild: dpa
W - Wärmeschutzverordnung: Energiesparen wird für Bauherren zum Alptraum
Kreatives neues Betätigungsfeld der Bürokratie, als nach dem ersten Ölpreisschock der 1970er-Jahre das Thema Energiesparen Mode wurde. Eine bis dato weitgehend verordnungsfreie Zone konnte erobert werden. Mit der Wärmeschutzverordnung beglückte der Gesetzgeber 1977 deutsche Immobilienbesitzer.
In der im Amtsdeutsch kurz WSchVO genannten Verordnung wurden Mindestanforderung an den baulichen Wärmeschutz von Neubauten definiert. Seitdem ist die Verordnung mehrfach an den Stand der Technik angepasst worden. Damit auch die Bürokraten nicht arbeitslos werden, muss seit 1995 zudem für Neubauten ein Wärmebedarfsausweis ausgestellt werden.
Zum 1. Januar 2002 wurde die WSchVO dann abgeschafft - und zusammen mit der Heizungsanlagenverordnung durch eine neue Vorschrift ersetzt: die Energieeinsparverordnung. Noch in diesem Jahr will der Gesetzgeber die Bundesbürger mit der vierten Fassung dieser Verordnung erfreuen. So viel ist jetzt schon klar: Auf Bauherren kommt mit der Novelle der Energieeinsparverordnung nicht nur mehr Bürokratie zu, sie müssen auch mit höheren Kosten rechnen. Kräftig die Hände reiben dürften sich dagegen Energieberater, Bauunternehmen, Handwerker, Architekten und die Herstellter von Dämmmaterial und Energiespartechnologie. Und so gibt es neben den vielen Leidtragenden auch manchmal den einen oder anderen Bürokratie-Gewinner.
Bild: dpa
X-fache Meldeanforderungen: Warum Sozialbeiträge so aufwendig sind
Dafür, dass Bürokraten sich den Namen ausgedacht haben, klingt das "Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" noch leicht verständlich. Die Koalition hat es 2010 verabschiedet und es gilt seit Jahresbeginn. Doch was sich so harmonisch anhört, verbirgt eine bürokratische Last eines Sozialausgleichs, der vor allem bei den Arbeitgebern landet.
Die Unternehmen müssen mit viel Personalaufwand nämlich jeden Monat prüfen, ob die von den Kassen erhobenen Zusatzbeiträge zwei Prozent der betragspflichtigen Einnahmen eines Arbeitnehmers überschreiten, oder nicht. Ist das der Fall, müssen die Unternehmen das an die Krankenkassen des Arbeitnehmers melden. Noch komplizierter wird das Verfahren, wenn ein Arbeitnehmer neben seinem Gehalt weitere beitragspflichtige Einnahmen hat. Dann müssen die Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die entsprechenden Informationen einholen, diese bei der monatlichen Berechnung berücksichtigen und an die Kassen weitermelden. Im Zweifel muss das Unternehmen dann korrigieren.
In diesem Jahr hat das Bundesgesundheitsministerium den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, der als Bemessungsgrundlage gilt, auf Null gestellt, erklärt Steuerberater Olaf Becker, "Doch das kann sich 2013 schon wieder ändern." Selbstverständlich.
Bild: dpa
Y - Yoga-Qualifikationsnachweis: Wie kriege ich eine Krankenkassenanerkennung?
Eigentlich sollen Yoga, Tai Chi oder Quigong ja entspannen. Wer sich aber nach vollbrachtem Kopfstand bei der Krankenversicherung meldet, um sich die fernöstlichen Entspannungstechniken als vorbeugenden Gesundheitsschutz bezahlen zu lassen, der zweifelt am nachhaltigen Erfolg seiner persönlichen Entspannungsstrategie. Zwar müssen die Krankenkassen seit einiger Zeit zahlen, wenn ihre Mitglieder vorbeugend ihre Gesundheit schützen wollen. Sie dürfen diese Zahlung aber mit ein bisschen Bürokraten-Gymnastik anreichern.
Die fünf Milliarden Euro, die die Kassen jährlich für solche Prävention ausgeben, wollen schließlich verdient sein. "Krankenkassenanerkennung" heißt das Schlüsselwort. Nur Mitglieder, die zu Trainern mit diesem Schein gehen, bekommen ihr Geld von der Kasse zurück.
Die Anerkennung bekommt nur, wer eine Ausbildung in einem Sozial- oder Gesundheitsberuf und eine Zusatzqualifikation etwa vom Berufsverband Unabhängiger Gesundheitswissenschaftlicher Yoga-Lehrender (Bugy)oder der Medizinischen Gesellschaft für Qigong Yangsheng hat. Sie muss bei Yoga mindestens 500, bei Qigong oder Tai Chi 300 Einheiten "Präsenzunterricht" umfassen und insgesamt zwei Jahre dauern. Die Zusatzqualifikation kostet übrigens bis zu 6000 Euro - und ist auch nicht sonderlich entspannend.
Bild: dapd
Z - Zweitwohnungsteuer: Was genau ist eigentlich eine Wohnung?
Sie denken, eine Wohnung, das ist der Platz, an dem Sie schlafen, essen, entspannen? Dann beschäftigen Sie sich mal mit der Zweitwohnungssteuer. Wer einen zweiten Wohnsitz hat, muss in vielen Gemeinden diese Steuer zahlen - fünf bis 23 Prozent der Kaltmiete. Was einfach klingt, wird schnell kompliziert. Jede Gemeinde kann für sich selbst entscheiden, was sie als Wohnung wertet - und besteuert.
Während etwa Dresden unter einer Wohnung eine abgeschlossene Wohneinheit mit Zimmer, Küche und Bad versteht, ist in anderen Städten alles eine Wohnung, was ein Fenster, eine Steckdose und einen Wasserhahn hat. So funktionieren etwa Erftstadt und München auch Wohnmobile, Wohn- und Campingwagen zu Wohnungen um. Und flugs wird eine Steuer fällig. Wer sich eine solche Zweitwohnung sucht, muss zahlen. Allerdings bekommt er einen Teil des Geldes zurück, denn die Zweitwohnungsteuer ist Teil der Kosten einer doppelten Haushaltsführung, und an denen beteiligt sich der Fiskus.
Wer ein Zimmer für 300 Euro mietet, muss bei zehn Prozent Zweitwohnungssteuer 30 Euro pro Monat an die Kommune zahlen. Bei einem Steuersatz von 42 Prozent bekommt er 12,60 Euro zurück: Je 5,355 Euro von Bund und Land und 1,89 Euro von der Kommune. Oben drauf gibt's dann vom Bund noch 69 Cent Soli zurück. Vielleicht wäre Pendeln einfacher.
Bild: dpa
- Teilen per:
- Teilen per: