Bundesverfassungsgericht Vermeintlicher Vater darf DNA-Test verweigern

Wer ist mein Vater? Das Recht auf die Beantwortung dieser Frage hat Grenzen, wie die Verfassungsrichter in Karlsruhe am Dienstag feststellten. Das Bundesjustizministerium will das Abstammungsrechts reformieren.

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Bundesverfassungsgericht Quelle: dpa

Ist dieser Mann mein Vater? Eine 66 Jahre alte Frau wird auf die quälende Frage wohl keine Antwort mehr bekommen - sie scheiterte am Dienstag mit ihrer Verfassungsklage. Dabei ging es um die Möglichkeit, den heute fast 90-Jährigen zum Gentest zu zwingen.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter ist das Recht, die eigene Abstammung zu kennen, aber nicht absolut. Es müsse insbesondere mit den widerstreitenden Grundrechten der von einer Klärung Betroffenen in Ausgleich gebracht werden, urteilten sie.

Die Frau aus Nordrhein-Westfalen hatte alle Hoffnungen in das Verfahren der sogenannten rechtsfolgenlosen Abstammungsklärung gesetzt, das es erst seit 2008 gibt. Einen Anspruch darauf hat sie aber nicht, denn der Mann, den sie für ihren Vater hält, steht außerhalb der Familie. Die Abstammungsklärung kann ein Kind nur gegenüber dem Mann durchsetzen, der rechtlich als Vater gilt.

Was Erben wissen sollten
Alleinerbe Der Alleinerbe erbt als einzige Person. Er tritt rechtlich „in die Fußstapfen des Verstorbenen“ und übernimmt dessen gesamte Rechte, aber auch Pflichten. Quelle: dpa
Gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge greift immer dann, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Danach wird der Nachlass zwischen dem Ehepartner und den Verwandten des Verstorbenen aufgeteilt, wobei Kinder und Enkel des Erblassers Vorrang vor Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen genießen. Quelle: REUTERS
Annahme der ErbschaftWer in Deutschland erben will, muss dafür in der Regel nichts tun. Vor allem braucht er die Annahme des Erbes nicht zu erklären. Dieses Phänomen heißt im Juristen-Deutsch “Von-Selbst-Erwerb.“ Quelle: AP
Ausschlagung der Erbschaft Wer nicht erben will, kann (und muss) die Erbschaft innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen. Die Zeit läuft ab dem Moment, in dem der Betreffende von der Erbschaft und deren Gründen erfahren hat. Nach Ablauf der Frist ist eine Ausschlagung in der Regel nicht mehr möglich. Lediglich in Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft anzufechten. Quelle: REUTERS
EhegattentestamentVerheiratete und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Eine weit verbreitete Form ist dabei das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Erst wenn beide Partner verstorben sind, werden auch die Kinder bedacht. Sie werden zu Schlusserben, also zu Erben des länger lebenden Ehegatten ernannt. Quelle: dpa
Pflichtteil Ein Erblasser kann bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, aber nicht immer verhindern, dass diese Personen etwas aus seinem Nachlass erhalten. Grund: Der sogenannte Pflichtteil garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers also eine Mindestteilhabe an seinem Nachlass. Quelle: dpa
EnterbungHat er Erblasser einen oder mehrere gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen oder sie bei der Verteilung des Nachlasses nicht erwähnt, spricht man von Enterbung. Handelt es sich bei den fraglichen Personen um enge Angehörige, können sie oft zumindest seinen Pflichtteil verlangen. Quelle: obs

Aus Sicht der Richter ist diese enge Begrenzung mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn eigentlich haben Menschen, die Zweifel an ihrer Herkunft plagen, auch noch die Möglichkeit, über eine Vaterschaftsklage Gewissheit zu bekommen. Der Hauptunterschied zur Abstammungsklärung ist, dass das Testergebnis zwangsläufig rechtliche Konsequenzen hat - so kann es etwa sein, dass ein Mann das Sorgerecht verliert oder im umgekehrten Fall Kindesunterhalt nachzahlen muss.

Der Klägerin steht dieser Weg nicht mehr offen. Denn ein Gericht hatte 1955 auf Grundlage zweier Gutachten nach den medizinischen Möglichkeiten der Zeit eine Vaterschaft rechtskräftig verneint. Ihr Anwalt Paul Kreierhoff nannte die Karlsruher Entscheidung daher „eine große Enttäuschung“ für seine Mandatin.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt in seinem Urteil vor allem die Grundrechte der anderen Beteiligten in den Blick. Die Mutter und der vermeintliche Vater hätten das Recht, ihre intime Beziehung geheim zu halten. Der Mann habe vielleicht Frau und Kinder, diese Familie könne schon durch den Verdacht beeinträchtigt werden. Auch in der eigentlichen Familie des Kindes, das Gewissheit sucht, gehe womöglich Vertrauen verloren. Ein Test, der ja auch negativ ausfallen könne, könne so Schäden anrichten, die nicht mehr gut zu machen seien.

Allerdings betont der erste Senat unter Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers: Eine andere Lösung sei zwar nicht geboten, aber verfassungsrechtlich denkbar. Im Bundesjustizministerium lotet derzeit ein Arbeitskreis die Möglichkeiten einer Reform des Abstammungsrechts aus. Ergebnisse sollen Mitte 2017 vorliegen. Staatssekretärin Stefanie Hubig sagte in Karlsruhe, dabei werde auch eine Änderung des Paragrafen zur Abstammungsklärung diskutiert. Eine Position zu der Frage habe sie aber noch nicht. „Es ist eine ganz schwierige Abwägungsfrage.“

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