Credit-Suisse-Skandal Für die Selbstanzeige ist es zu spät

Bei vielen deutschen Kunden der Credit Suisse stehen derzeit die Steuerfahnder vor der Tür. Sprecher der Bank raten zur Selbstanzeige. Dafür dürfte es jedoch schon zu spät sein.

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Welche Promis schon verurteilt wurden
900.000 Euro hinterzogene Steuern: Der Sänger Freddy Quinn hatte seinen Hauptwohnsitz jahrelang in der Schweiz, lebte aber überwiegend bei seiner Hamburger Lebensgefährtin Lilly Blessmann. Die deshalb in Deutschland fälligen Steuern, zwischen 1998 und 2002 immerhin rund 900.000 Euro, hat der Österreicher nach eigenem Eingeständnis aber nie bezahlt. Er habe sich nie mit finanziellen Dingen beschäftigt, rechtfertigte sich der Musiker vor Gericht. Außerdem beglich er sofort seine Steuerschuld, so dass im Prozess 2004 die verhängte Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinzu kam ein Bußgeld über 150.000 Euro. Quelle: ap
970.000 Euro hinterzogene Steuern: Klaus Zumwinkel verlor wegen einer Steueraffäre seinen Job als Vorstandschef der Deutschen Post. Ermittler der Bochumer Staatsanwaltschaft durchsuchten vor laufenden Fernsehkameras im Februar 2008 das Privathaus des Topmanagers. Die Staatsanwaltschaft warf Zumwinkel vor, über die LGT Bank Geld in eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht geschleust und so den deutschen Fiskus um fast eine Million Euro betrogen zu haben. Mitte Februar 2008 trat der Post-Chef zurück und wurde knapp ein Jahr später zu zwei Jahren Haft auf Bewährung plus Zahlung einer Geldstrafe von einer Millionen Euro verurteilt. Quelle: dpa
1,96 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Verfassungsschutzchef und Ex-Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls war eine Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Er räumte ein, vom Geschäftsmann Karlheinz Schreiber 3,8 Millionen Mark erhalten zu haben. Schreiber habe das Geld für ihn in der Schweiz verwaltet. Ausgehändigt worden seien ihm 873.000 Mark. Das Landgericht Augsburg erklärte ihn 2005 der Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung für schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Pfahls kam nach gut 13 Monaten frei, musste aber Ende 2011 erneut wegen Bankrotts und Betrugs in Haft. Quelle: dapd
1,7 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Um weniger Steuern zu zahlen, verlegte Tennis-Star Boris Becker Anfang der 90er-Jahre seinen Wohnsitz von München nach Monaco. Tatsächlich aber lebte er weiter überwiegend in Bayerns Metropole und nicht im Fürstentum. Das Landgericht München verurteilte ihn deshalb 2002 wegen Steuerhinterziehung von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 500.000 Euro Geldstrafe. Becker räumte eigene Fehler ein – was das Gericht ebenso strafmildernd berücksichtigte wie die Tatsache, dass Becker vor Prozessbeginn rund 3,1 Millionen Euro Steuern nachgezahlt hatte. Quelle: dapd
22,6 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Springreiter Paul Schockemöhle hatte große Summen über Stiftungen in Liechtenstein am deutschen Fiskus vorbeigeschleust. 1996 wurde er deshalb zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt und musste 22,6 Millionen Mark Steuern nachzahlen. Schockemöhle wurde zum Verhängnis, dass dem Liechtensteiner Treuhänder Herbert Batliner Teile seiner Kundendatei gestohlen und den deutschen Steuerbehörden zugespielt wurden. Der Ex-Sportler, dem für eine erfolgreiche Selbstanzeige keine Zeit mehr blieb, verklagte Batliner später wegen der Datenpanne – ohne Erfolg. Quelle: dpa
203 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Das Landgericht München verurteilte den Geschäftsführer des VIP Medienfonds 3, Andreas Schmid, 2007 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Schmid hatte versucht, den Fiskus um 203 Millionen Euro zu prellen, indem er beim Finanzamt zu Unrecht „gewinnmindernde Aufwendungen“ geltend machte. Der Angeklagte wusste, dass nur 20 Prozent der Aufwendungen für die Filmproduktion verwendet, aber 80 Prozent zugunsten des Fonds angelegt wurden. Kurioserweise war nicht Schmid selbst Nutznießer der Steuerersparnis. Profitiert haben vielmehr zum größten Teil die Anleger des Medienfonds. Quelle: obs

Die Scheinversicherungen der Credit Suisse machen ihren Besitzern Ärger. Die auf den Bermudas beheimatete Credit Suisse Life, Tochter der Schweizer Bank Credit Suisse, hat deutschen Anlegern die zwielichtigen Produkte verkauft. Mit den als steuerfreie Versicherungen getarnten Konten mogelte das Unternehmen viele Millionen Euro am Finanzamt vorbei. Um auf der sicheren Seite zu sein, mussten die Kunden allerdings unterschreiben, sich selbst um die Steuersituation zu kümmern, wie ein Sprecher der Bank dem Handelsblatt sagte. Der Schwarze Peter lag also beim Käufer, nicht beim Händler.

Durch einen Tipp seitens der Credit Suisse ist die Steuerfahndung Wuppertal aufmerksam geworden, die ihre Mitarbeiter jetzt zu rund 7000 Kunden der Credit Suisse Life schickt - die Mehrheit seien Deutsche, heißt es bei der Bank. Sie hat die Produkte für ihre deutschen Kunden inzwischen aus dem Sortiment genommen und rät ihnen zur Selbstanzeige, um das Schlimmste zu verhindern.

So erstatten Steuersünder Selbstanzeige

Der auf Steuerrecht spezialisiert Berliner Rechtsanwalt Andreas Böhm macht Steuersündern da allerdings wenig Hoffnung. "Soweit es schon zu Durchsuchungen gekommen ist, ist die Selbstanzeige höchstwahrscheinlich wirkungslos", sagt er. Sobald ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist, trete eine Sperre ein. Wer den Behörden also schon aufgefallen ist, braucht nicht mehr zu Kreuze zu kriechen.

Die Selbstanzeige ist nach Paragraph 371 Absatz zwei der Abgabenordnung (AO) unwirksam, wenn

  • die Steuerhinterziehung den Behörden schon bekannt war (Tatentdeckung) und der Täter dies wusste oder damit rechnen konnte
  • die Behörden bereits ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 196 AO angeordnet haben
  • die Steuerfahnder schon vor der Tür standen
  • bereits ein Straf- oder Bußgeldverfahren bekannt gegeben wurde
  • die Steuerhinterziehung die Summe von 50.000 Euro (pro Tat) übersteigt (§ 370 Absatz 1) - in diesem Fall sieht Paragraph 398a AO eine Sonderregelung für Selbstanzeigen vor.

Vor der Selbstanzeige sollten diese Kriterien zusammen mit einem Fachmann überprüft werden. Straffreiheit gibt es nämlich nur, wenn die Tat noch nicht entdeckt ist. Wer eine falsche beziehungsweise fehlerhafte Selbstanzeige stellt, weckt eher schlafende Hund und gibt dem Finanzamt die Informationen, die zu einem Entdecken der Tat führen. Korrekturen sind dann nicht mehr möglich.

Bank macht es sich sehr leicht

Die Verstecke der Schwarzgeld-Schmuggler
"Haben Sie Bargeld dabei?"Zöllner kontrollieren stichprobenartig, ob Reisende hohe Bargeldsummen im Gepäck haben. Die Kontrollen können direkt am Grenzübergang stattfinden, aber auch durch mobile Einsatztrupps, die einige Kilometer im Landesinneren lauern. Wer mehr als 10.000 Euro dabei hat, muss dies den Zöllnern mitteilen. Wenn Reisende schweigen und die Ermittler trotzdem hohe Summen finden, informieren sie per Kontrollmitteilung das Finanzamt des Betroffenen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Schmuggelroute Bregenz - Lindau: Besonders häufig sind die Zöllner an den Grenzen zu Luxemburg und der Schweiz unterwegs. Zahlreiche Bargeldfunde melden traditionell die Beamten aus der Region Lindau am Bodensee. Dort - im Dreiländereck Schweiz-Österreich-Deutschland - kommen zahlreiche Steuerflüchtige vorbei, die ihr Schwarzgeld zurück in die Heimat schmuggeln wollen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Daten-CD's schrecken Hinterzieher auf: 2010 war für Deutschlands Bargeld-Fahnder ein Rekordjahr. Die Tatsache, dass der deutsche Fiskus eine CD mit Kundendaten der Schweizer Großbank Credit Suisse gekauft hatte, schreckte zahlreiche Hinterzieher auf. Viele entschieden sich für eine strafbefreiende Selbstanzeige beim Finanzamt, andere versuchten, ihr Geld heimlich zurückzuholen. Aber längst nicht allen Steuersündern gelang es, durch die Zollkontrollen zu schlüpfen. Quelle: Reuters
Angst vor dem Abkommen:Auch 2011 blieb die Angst vor Entdeckung groß - vor allem wegen des Steuerabkommens, über das Deutschland und die Schweiz verhandeln. Es sieht eine engere Kooperation der eidgenössischen Banken mit deutschen Steuerfahndern sowie eine pauschale Strafsteuer für Schwarzgeld vor. Ob das Abkommen in Kraft tritt, steht aber noch nicht fest, da die SPD Nachbesserungen fordert. Quelle: dapd
Scheine ohne Ende: Allein die Fahnder im Großraum Lindau (Bodensee) stellten 2011 rund drei Millionen Euro Bargeld sicher und fanden in den Unterlagen von Reisenden Konto- und Depotauszüge, die auf ein Auslandsvermögen von satten 500 Millionen Euro hindeuten. Schätzungen zufolge dürften sich daraus Steuernachzahlungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich für den deutschen Fiskus ergeben - allein durch Funde in Lindau und Umgebung, wohlgemerkt. Quelle: dpa
Schlechtes Versteck im Koffer:Nur selten liegt das Bargeld ganz offen im Koffer wie im Fall dieses Krimi-Fans, den die Lindauer Zöllner kürzlich schnappten. Die meisten Schmuggler lassen sich bessere Verstecke einfallen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Cash am Körper: Großer Beliebtheit erfreuen sich Taschen, die unter der Kleidung ganz eng am Körper getragen werden. Anfang März erwischten Zöllner am Grenzübergang Bietingen einen 59-jährigen Metzgermeister aus Bayern, der 147.000 Euro in zwei Bauchtaschen schmuggelte. Wegen Nichtanmeldens des Bargeldes muss er nun ein Bußgeld zahlen, zudem wird sein Heimatfinanzamt informiert - dem er dann erklären muss, woher das Geld stammt. Quelle: Hauptzollamt Ulm

Straffrei geht nur aus, wer vollständige Angaben macht (§ 371 Abs. 1 AO), die Selbstanzeige rechtzeitig, also vor Tatentdeckung, abgibt (§ 371 Abs. 2 AO) und wer die hinterzogenen Steuern fristgerecht nachzahlt (§ 371 Abs. 3 AO). Andernfalls ist mit einer Strafe wegen Steuerhinterziehung zu rechnen. Wann die Tatentdeckung vorliegt, darum gibt es jedoch Diskussionen, so Böhm. "Die Selbstanzeigeregelung ist verschärft worden, die Sperrwirkung ist deutlich ausgeweitet worden."

Als erstmals die Steuer-CDs auftauchten, stellten sich die Zuständigen die Frage, ob es schon als Tatentdeckung gelte, dass die CD im Briefkasten der Behörden liegt oder ob Abgleiche gemacht werden müssen, um die Steuerhinterziehung von Max Mustermann zu entdecken. Grundsätzlich komme es natürlich auf den Einzelfall an, wie Böhm betont. Betroffene sollten sich in jedem Fall an einen Steuerberater oder Anwalt wenden, um den Sachverhalt zu prüfen. Auch wenn die Behörden bereits ermitteln, sollten Steuersünder nicht den Kopf in den Sand stecken, wie er sagt. "Eine möglichst frühzeitige Beratung ist in jedem Fall hilfreich. So kann geprüft werden, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige im konkreten Einzelfall noch möglich ist und diese bei Bedarf abgegeben werden." Alternativ bestehe oftmals die Möglichkeit, durch eine geeignete Verteidigungsstrategie die Strafe deutlich zu reduzieren.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Während nun all die Steuerhinterzieher zum Fachmann laufen, macht es sich die Credit Suisse Life allerdings ein bisschen zu einfach. Prinzipiell muss natürlich jeder, der Steuern hinterzieht - gerade nach den Steuer-CDs aus der Schweiz - mit Entdeckung rechnen. Die Aussage "Der Kunde hat unterschrieben, dass er die Steuersituation selber klären muss" beantwortet allerdings noch nicht die Frage, inwieweit die Bankberater auf die Notwendigkeit hingewiesen haben.

Ob die Kunden das Risiko tatsächlich kannten und nicht davon ausgingen, eine steuerfreie Versicherung zu kaufen, würde ein Blick ins Beratungsprotokoll klären. Und selbst das muss nicht Wort für Wort das Gespräch wiedergeben. Den Hinweis "Wir haben den Kunden darüber informiert, dass er sich in Deutschland der Steuerhinterziehung strafbar macht, sollte er das Produkt kaufen" dürfte man wohl vergeblich suchen.

Immerhin scheint Credit Suisse derzeit das einzige Geldinstitut zu sein, dass mit Scheinversicherungen handelt - oder zumindest das einzige, das sich hat erwischen lassen. Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sind jedenfalls keine weiteren Fälle bekannt.

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