Herr Teipel, sind Sie auch schon mal bei einer Prüfung durchgefallen?
Ich denke, nahezu jeder Studierende ist im Laufe des Studiums schon einmal durch die eine oder andere Prüfung gefallen. Ich bin da auch keine Ausnahme. Übrigens lag meine Hausarbeit im ersten juristischen Staatsexamen nur unvollständig vor und wurde dann entsprechend abgewertet. Dabei war ich mir sicher, sie vollständig abgegeben zu haben und bin es mir auch heute noch. So kam ich übrigens auch beruflich zum Prüfungsrecht.
Durchgefallen bei einer Uni-Prüfung, wie kann man sich da juristisch wehren?
Unsere Kanzlei bekommt rund 500 Anfragen im Jahr, nicht in allen Fällen kann man etwas machen. Wer zum Beispiel durchgefallen ist und nachträglich eine Krankheit für den Tag der Prüfung geltend machen will, wird kaum damit durchkommen. Kurz bevor die Klausuren ausgeteilt werden, belehren die Prüfer jedes Mal die Kandidaten, dass sie jetzt sofort zurücktreten müssen, falls sie krank sein sollten. Wenn die Klausur erst mal geschrieben, korrigiert und benotet ist, kann man sich grundsätzlich auf keine Krankheit mehr berufen. Die viel zitierte „unerkannte Prüfungsunfähigkeit“ ist eine eher akademische Erscheinung.
Und wann haben Durchfaller eine Chance?
Rund 95 Prozent der Prüfungen an Hochschulen in den von uns geführten Prüfungsanfechtungen sind rechtswidrig, vor allem, weil sie Verfahrensfehler haben. In solchen Fällen haben Studenten oft das Recht, die fehlerhafte Prüfung zu wiederholen. Entscheidend ist das für durchgefallene Prüflinge, bei denen es sonst der letzte Versuch gewesen wäre und die dann endgültig nicht bestanden hätten. Der Abbruch des Studiums wäre ein harter Schicksalsschlag.
Wie erkennt man solche Verfahrensfehler?
Juristisch gesprochen muss jede Prüfung rechtswirksam zustande kommen. Das klingt so selbstverständlich, aber in der Praxis gibt es viele Fehlerquellen. Denn oft verstoßen Hochschulen nicht nur gegen die Hochschulgesetze der Bundesländer sondern auch gegen ihre eigenen Prüfungsordnungen und halten die Vorgaben der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht ein. Das fängt schon bei der Besetzung der Prüfungsausschüsse an, die in jedem Fachbereich einer Uni ganz überwiegend die Prüfer namentlich bestellen müssen. Teils sitzen Mitglieder in den Prüfungsausschüssen, die überhaupt nicht dort hinein gehören – oder aber es fehlen Mitgliedergruppen, die eigentlich vertreten sein müssten. Nur spezialisierten Anwälten gelingt es aber, Verfahrensfehler zu recherchieren und nachzuweisen: Da diese Vorgänge sich in internen Verwaltungsakten verstecken, entziehen sie sich leider vollständig der Wahrnehmung durch die Studierenden. Zudem ist eine exakte Kenntnis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aus allen Bundesländern unerlässlich, um Prüfungsanfechtungen erfolgreich zu führen. Hierzu zählt auch die Kenntnis von unveröffentlichten Gerichtsentscheidungen.
Die hohe Fehlerquote hat ein Gutes für Durchfaller – könnte man meinen – ermöglichen sie doch die Anfechtung fast aller Prüfungen.
So kann man es sehen. Andererseits können manche Verfahrensfehler nachträglich geheilt werden, ohne dass sich für den Prüfling etwas ändert. Beispiel: Nimmt ein Kandidat im letzten Versuch an einer Prüfung teil, sind häufig zwingend zwei Prüfer nötig, was Hochschulen oft übersehen. Doch wenn sich der Student hinterher dagegen beschwert, kann die Uni den Zweitgutachter auch noch nachträglich hinzuziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine schriftliche Prüfung handelt, die nicht im Multiple-Choice-Verfahren durchgeführt worden ist. Die Benotung ändert sich dadurch meist nicht.
Was kosten die exklusiven Dienste der Prüfungsanwälte?
Gibt es Fehler bei der Korrektur, die eine Wiederholung der Prüfung rechtfertigen?
Sehr selten. Laut Bundesverfassungsgericht liegt ein Bewertungsfehler vor, wenn eine Antwort oder Lösung als Fehler gewertet wird, obwohl sie sich mit einer Quelle aus der Fachliteratur belegen lässt. Aber Studenten sollten sich von der Vorstellung verabschieden, eine wissenschaftliche Debatte mit ihrem Professor in den Gerichtssaal verlagern zu können. Die Prüfer haben einen sehr weiten Spielraum bei der Gestaltung der Fragen, bei der Auslegung der Antworten und bei der Verteilung der Punkte. Das halte ich grundsätzlich auch für richtig.
So zitieren Sie richtig!
Ein direktes Zitat ist wortwörtlich. Es muss in Anführungszeichen gesetzt werden. Man sollte direkte Zitate nicht zu häufig verwenden, sondern nur, wenn sie griffig und gut formuliert sind. Danach zum eigenen, akademischen Schreibstil zurückkehren.
(Quelle: Esther Breuer, Leiterin des Kompetenzzentrums Schreiben an der Kölner Universität im www.ksta.de)
Bei einem indirekten Zitat gibt man die Gedanken eines Anderen wieder. Unbedingt die Quelle nennen. Man sollte versuchen, eigene Formulierungen zu verwenden.
Es sollten immer auch Gegenstimmen mit einbezogen werden.
Mit den wissenschaftlichen Texten sollte man kritisch umgehen: Nur durch die aktive Auseinandersetzung mit den Positionen Anderer kann sich die Wissenschaft weiterentwickeln.
Es ist wichtig, die eigenen Gedanken von denen der anderen klar abzugrenzen, damit sich Eigen- und Fremdleistung für den Leser nachvollziehen lassen.
Kennen Sie Fälle, in denen Studenten sich willkürlich behandelt fühlen, weil der Professor sie angeblich nicht mag oder ihre Ansichten nicht teilt?
Ja, das wird nicht selten von Prüflingen berichtet. Ganz grundsätzlich ist es in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle so, dass sich hierfür keine wirklich belastbaren Anhaltspunkte für finden lassen. Dennoch ist dies in Einzelfällen bereits vorgekommen und die Prüfer wurden ausgewechselt. Etwas häufiger kommt dies übrigens in den medizinischen Studiengängen vor.
Wo liegen die Grenzen der Auslegung?
Wenn eine richtige Antwort als falsch bewertet wird. Wie schon erwähnt, gilt das als richtig, wofür es eine Quelle in der Fachliteratur gibt. Dabei kann es sich auch um eine Mindermeinung halten, die im Gegensatz zur Auffassung des Professors steht. Doch das kommt wie gesagt vergleichsweise selten vor, ist aber nahezu alleiniger Gegenstand bei Anfechtungen der juristischen Staatsexamina. Was wir öfter sehen, sind unzulässige Bewertungsverfahren bei Multiple-Choice-Prüfungen, bei denen Studenten aus vorgegebenen Alternativen die richtigen Antworten auf eine Frage auswählen müssen. Grundsätzlich ist das ok, zumal solche Prüfungsdesigns den Korrekturaufwand in teilnehmerstarken Studiengängen in Grenzen halten. Aber Professoren verstoßen dabei oft gegen das Verbot, Minuspunkte für falsche Antworten zu vergeben. Bei den Unis beliebt, aber laut einem wegweisenden Gerichtsurteil unzulässig, sind sogenannte Multiple-Select-Klausuren. Bei diesen kann mehr als eine Antwortalternative richtig sein und es werden Malus-Punkte für falsche Antworten sowie Bonus-Punkte für richtig beantwortete Frageblöcke vergeben. Auch das widerspricht der Rechtsprechung. Hier ist allerdings Vieles in Bewegung. Nicht jedes Multiple-Select-Verfahren ist automatisch rechtswidrig.
In welchen Fächern wird besonders oft geklagt? Sind etwa Jurastudenten sehr streitbar?
Nein, die Fälle verteilten sich relativ gleichmäßig über alle Fächer und alle Hochschulen. Es gibt aber auch in einigen Studiengängen Prüfungen, die von Behörden abgenommen werden. Die Staatsexamina bei Juristen, Ärzten oder Lehrern sind meiner Erfahrung nach auf der Ebene der Verfahrensfehler juristisch wasserdicht. Aber auch in diesen Studiengängen mit ihren staatlich organisierten Abschlussprüfungen gibt es natürlich zahlreiche studienbegleitende Prüfungen, für die die Hochschulen verantwortlich sind und bei denen häufig Fehler passieren.
Was zahlen Studenten, wenn sie einen Rechtsanwalt beauftragen?
Das ist zugegebenermaßen sehr teuer, weil unsere Kanzlei mehr verlangt als die gesetzlichen Gebührensätze. Wir arbeiten hier ganz überwiegend mit Pauschalhonoraren, weil sie den enormen Vorteil aufweisen, dass sie für Kostentransparenz und für Kostensicherheit sorgen. Ein durchschnittlicher Fall kostet dann rund 9.000 Euro für ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren und liegt bei etwa 20 Arbeitsstunden. Je nach Umfang des Verfahrens kann dies aber auch deutlich mehr sein, insbesondere bei medizinischen Prüfungsanfechtungen oder bei sehr umfangreichen Plagiatsfällen.
Professionelle Skepsis
Ein hübscher Stundenlohn für den Rechtsanwalt von rund 450 Euro…
…wir liefern dafür eine Leistung, die nur Spezialisten anbieten können. Wenn ein Student sein Studium abbrechen und seine Zukunftspläne beerdigen müsste, wäre der Schaden für ihn und seine Familie sehr groß. Zudem gibt es natürlich auch immer mal wieder bestimmte Einzelfälle, in denen Prüflinge das Geld auch durch Nebenjobs oder die Familie nicht aufbringen können. Da führen wir ein Verfahren auch schon mal ohne Vergütung. Das muss man sich als Kanzlei dann aber auch leisten können.
Zehn Grundregeln zum wissenschaftlichen Schreiben
Wählen Sie ein Thema, das Sie interessiert. Finden Sie Fragen, die Sie gern beantworten möchten und auch können. Tauschen Sie sich von Anfang an mit Bekannten darüber aus, egal ob diese Experten sind oder nicht.
(Quelle: Kompetenzzentrum Schreiben der Universität Köln)
Sprechen Sie Ihr Thema mit Ihrer Dozentin/Ihrem Dozenten in einer Sprechstunde ab. Machen Sie sich vorher einen Notizzettel, auf dem steht, was Sie erfahren möchten. Verlassen Sie die Sprechstunde erst, wenn Sie alle Fragen geklärt haben.
Machen Sie sich einen Zeitplan mit Start- und Enddatum. Planen Sie dabei auch Erholungsphasen ein und belohnen Sie sich nach den getanen Arbeitsschritten.
Überlegen Sie vor der Bibliographie, welche Aspekte für Ihre Aufgabe wichtig sind und suchen Sie danach die Literatur. Die bibliographische Liste sollten Sie mit Ihrer Dozentin/Ihrem Dozenten absprechen, da sie/er Sie auf weitere, wichtige Texte aufmerksam machen kann.
Entwickeln Sie einen roten Faden für die Arbeit (z.B. anhand von Leitfragen), bevor Sie anfangen zu schreiben. Malen Sie diesen auf und hängen Sie ihn vor Ihren Schreibtisch, damit Sie ihn nie aus den Augen verlieren.
Stellen Sie anhand dieses roten Fadens eine Gliederung auf und besprechen Sie diese mit Ihrer Dozentin/Ihrem Dozenten.
Arbeiten Sie von Anfang an organisiert. Halten Sie neue Ideen, Fragen und relevante Auszüge aus der vorhandenen Literatur schriftlich fest. Sie sparen sich so viel Zeit.
Beginnen Sie mit dem Hauptteil. Schreiben Sie einen zusammenhängenden Text. Die Inhalte müssen aufeinander aufbauen. Einleitung und Schluss ergeben sich hieraus.
Schreiben Sie klar und präzise. Nur so können Sie Erkenntnisse vermitteln. Schreiben Sie grammatikalisch und orthographisch korrekt und lesen Sie mehrmals Korrektur. Fragen Sie auch Freunde, ob die Sie bei dieser Arbeit unterstützen können.
Halten Sie die von Ihrem Institut vorgegebenen Richtlinien ein. Viele Institute haben Leitfäden, die Sie in den Sekretariaten erhalten oder im Internet downloaden können.
Ist es nicht unfair, dass es sich manche Studenten finanziell leisten können, ihr Studium juristisch retten zu lassen und andere nicht?
Wem der Abschluss wirklich wichtig ist, der findet meist einen Weg. Manchmal beteiligen sich die Allgemeinen Studierendenausschüsse der Universitäten (ASten) an den Anwaltskosten, wenn die Fälle für viele Studenten repräsentativ sind. Ein Problem ist, dass gängige Rechtsschutzversicherungen bei Prüfungsstreitigkeiten in der Regel erst zahlen, wenn der Fall vor Gericht landet und dann auch nur die niedrigen gesetzlichen Gebührensätze übernehmen. Bei unseren Verfahren streben wir meist eine Einigung ohne die Gerichte an. Derzeit erarbeiten wir in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Bildungsrecht und einigen Allgemeinen Studierendenvertretungen aus Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern eine Möglichkeit, eine telefonische oder videogestützte Erstberatung für alle Studierenden anzubieten. Ein weiteres Ziel ist eine Art integrierte studentische Rechtsschutzversicherung auf Basis des Solidarprinzips und nach dem Vorbild des NRW Semestertickets, finanziert durch die Semesterbeiträge.
Spüren Sie als Rechtsanwalt die Auswirkungen der neuen Studienordnungen?
Die Bachelor- und Masterstudenten sind sehr interessiert an rechtlichen Fragen rund um ihr Studium. Das liegt auch daran, dass der Bachelorabschluss Voraussetzung für ein weiterführendes Masterstudium ist. Die Studierenden sind sehr aufgeklärt, aber auch interessiert und begegnen Prüfungsentscheidungen mit einer ebenso angebrachten wie professionellen Skepsis.
Wenn Sie für einen Mandanten erfolgreich waren, muss dann der ganze Jahrgang die Prüfung wiederholen?
Nein, die Wiederholung betrifft nur denjenigen, der sich beschwert hat. Er bekommt einen weiteren Versuch, weil es sonst der letzte gewesen wäre. Für die erfolgreichen Prüfungsteilnehmer ändert sich nichts. Es sei denn, der Fehler war so schwerwiegend, dass die Hochschule das gesamte Verfahren umbauen will oder muss.
Verteidigen Sie Studenten oder Wissenschaftler, denen eine Hochschule Täuschung oder Plagiate vorwirft?
Ja, auch die Plagiatsverfahren nehmen einen nicht unerheblichen Teil der Verfahren bei uns ein. Insbesondere bei den Hochschulprüfungen zeigt sich hier, dass eine große Verunsicherung sowohl auf Seiten der Prüflinge als auch bei den Prüfenden besteht. Hier wird nur allzu vorschnell ein Plagiat angenommen, welches eindeutig rechtlich kein solches ist. Die dann oft bemühten „Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis“ sind vielen Prüfenden selbst offensichtlich nicht hinreichend bekannt. Stellenweise wurde sogar Prüflingen ein Plagiat unterstellt, die im Rahmen von Klausuren nachweislich und unbestritten in erheblichem Maße auswendig gelernt hatten. Der Vorwurf: Sie hätten die Quellen angeben müssen. Das ist aber unzulässig, da im Rahmen von Klausuren schon keine Pflicht zur Kennzeichnung von Quellen existiert. Leider begehen auch nicht wenige Studierende aus schlichter Unkenntnis der richtigen Zitierweise oder etwa durch die falsche Verwendung direkter zu indirekter Rede fahrlässig ein Plagiat.