Elternunterhalt Auch enterbte Kinder müssen zahlen

Ein Kind muss für die Heimkosten seiner Eltern aufkommen, auch wenn Vater oder Mutter den Kontakt seit Jahrzehnten abgebrochen und es enterbt haben. Fachanwalt Jörn Hauß hält das Urteil für ungerechtfertigt.

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Erwachsene Kinder müssen für die Heimkosten ihrer Eltern aufkommen - auch bei Kontaktabbruch. Quelle: dpa

Ob die Zahlungsaufforderung der Stadt Bremen an einen Sohn fair ist, das musste der Bundesgerichtshof nicht entscheiden. Schwer nachvollziehbar ist sein Urteil trotzdem.

Folgender Fall wurde in letzter Instanz verhandelt: Ein Vater hatte vor mehr als 40 Jahren den Kontakt zu seinem damals fast erwachsenen Sohn abgebrochen, dessen Annäherungsversuche abgewiesen und ihn später bis auf den Pflichtteil enterbt. Im Alter wurde der Vater zum Pflegefall und kam ins Heim, inzwischen ist er seit zwei Jahren verstorben. Die Stadt Bremen forderte von dem Sohn, einem Beamten, die Zahlung von 9000 Euro Heimkosten. Die BGH-Richter entschieden nun: Der Sohn muss zahlen, denn der Vater hat trotz seines zurückweisenden Verhaltens seinen Unterhaltsanspruch gegen ihn nicht verwirkt.

Zankapfel Erbe - die größten Fallstricke
Emotional überfordertWenn Partner oder Eltern sterben, ist das eine hohe emotionale Belastung. Aber auch eine große Erbschaft kann auf die Psyche schlagen. Das kann sich unterschiedlich auswirken. Nicht selten rutschen die Erben ab oder schlagen über die Stränge. Das Ergebnis ist dasselbe: Das Erbe wird verprasst, für Autos, Reisen, Partys. Mit entsprechenden Regelungen – etwas einer Dauertestamentsvollstreckung mit monatlichen Auszahlungen – kann dem entgegengewirkt werden. Quelle: dpa
Kein TestamentLiegt kein schriftliches und unterschriebenes Testament vor, gilt die gesetzliche Erbfolge – auch wenn der Erblasser mündlich einen anderen letzten Willen ausgesprochen hat. Stirbt ein Ehepartner, erbt der überlebende Partner. Gibt es Kinder, egal ob ehelich oder unehelich, bekommt der Ehepartner 50 Prozent und die Kinder teilen sich die verbleibenden 50 Prozent. Quelle: dpa
Langfristige BindungDas Berliner Testament ist beliebt und weit verbreitet. Doch es hat seine Tücken, denn es zementiert eine einmal getroffene Regelung. Bei dieser Testamentsform, setzen sich Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein. Erst wenn beide tot sind, erben die Kinder. Diese Quote kann ein überlebender Elternteil im Nachhinein nicht verändern. Es sei denn, es gibt eine Klausel, die dies erlaubt. Ein neues Testament des länger Lebenden gilt nicht - das Berliner Testament geht immer vor. Quelle: dpa
Pflichtteilsstrafklausel und Jastrow’schen KlauselHat nun ein Ehepaar ein solches Berliner Testament und ein Ehepartner verstirbt, ist der Überlebende Partner erst einmal Alleinerbe. Steckt nun das ganze Vermögen des Paares in einem Grundstück mit Häuschen und die Kinder fordern ihren Pflichtteil, muss der überlebende Partner Haus und Hof verkaufen, um die Kinder auszubezahlen. Verhindern lässt sich solch ein Fall mittels der Pflichtteilsstrafklausel im Testament. Dabei verfügt das Paar, dass ein Kind, das beim Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil einfordert, beim Tod des zweiten Elternteils enterbt ist. Wer also jetzt gierig ist und beispielsweise die Mutter zum Verkauf des Häuschens zwingt, soll bei deren Tod leer ausgehen. Im Falle der Jastrow’schen Klausel ist das Prinzip umgekehrt: Es droht also keine Strafe für Gierige, sondern eine Belohnung für Geduldige. Verzichtet ein Kind auf seinen Pflichtteil, wenn Vater oder Mutter sterben, bekommt das Kind beim Tod des anderen Elternteils quasi eine Bonuszahlung. Quelle: dpa
EnterbenDas eigene Kind vollständig zu enterben - ihm also auch den Pflichtteil zu verwehren, ist nur möglich, wenn - der Erbnehmer versucht hat, den Erblasser oder ein anderes Familienmitglied schwer zu verletzen oder zu töten - der Erbnehmer ein Verbrechen begangen hat, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung geahndet wurde und es für den Erblasser unzumutbar wird, seinen Nachlass - mit dieser Person zu teilen - wenn der Erbnehmer eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzte Quelle: dpa
Fehlerhaftes TestamentDer letzte Wille ist oft falsch oder missverständlich formuliert. Immerhin ein Drittel der Deutschen hat in einer Studie angegeben, sich mit Begriffen wie „gesetzlicher Erbfolge“ oder „Pflichtteil“ nicht auszukennen. Juristische Begriffe werden deshalb in Testamenten oft falsch verwendet oder verwechselt. Häufig sind sie deshalb so geschrieben, dass Fachleute sie auslegen müssen. Die Folge: Der letzte Wille ist nicht so umsetzbar, wie vom Erblasser gewollt. Quelle: dpa
Erbschaftssteuer nicht eingeplantNächste Angehörige – das sind Ehepartner, Kinder und Enkel – haben Freibeträge. Ehepartner erben 500.000 Euro steuerfrei, Kinder immerhin noch 400.000 Euro und Enkel 200.000 Euro. Erst wenn die Erbschaft diese übertrifft, greift der Fiskus zu. Doch häufig ist für die fällig werdende Erbschaftssteuer nicht genügend Geld auf dem Konto. Besteht ein Begünstigter auf schnelle Auszahlung, müssen Immobilien, Wertpapiere oder Kunstgegenstände veräußert werden. Quelle: dpa

Die WirtschaftsWoche hat den renommierten Duisburger Fachanwalt Jörn Hauß, Spezialist für das Thema Elternunterhalt, um eine Einschätzung des Urteils und die Konsequenzen daraus gebeten.

WirtschaftsWoche: Herr Hauß, halten Sie die Entscheidung des BGHs für gerechtfertigt?

Jörn Hauß: Nein, ich glaube, dass weder die Öffentlichkeit noch die Fachleute die Entscheidung verstehen werden. Wenn – wie der Bundesgerichtshof formuliert – der Elternunterhalt aus dem Gesichtspunkt der "familiären Solidarität" geschuldet wird, dann müssen massive Verletzungen der familiären Solidarität dazu führen, einen Unterhaltsanspruch der Eltern gegen die Kinder zu verneinen.

Der renommierte Duisburger Fachanwalt Jörn Hauß, Spezialist für das Thema Elternunterhalt, im interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Der Vorwurf an die Richter dürfte lautwerden, dass hier zu Gunsten ärmerer Städte entschieden wurde, deren Sozialämter die Heimunterbringungs-Lasten nicht mehr tragen können. Kann die Kassenlage ein Argument für die Richter gewesen sein?

Diesen Vorwurf kann man dem Gericht nicht machen. Die Fälle der massiven Verletzung elterlicher Solidarität den Kindern gegenüber sind selten und werden es auch bleiben. Nicht jede "verkorkste" Kindheit und Jugend rechtfertigt den Verlust des Elternunterhaltsanspruchs. Der BGH hat die Verwirkungsnorm des Gesetzes eng ausgelegt, meiner Meinung nach zu eng.

Was müsste sich ändern?

Es wäre gut, wenn der Gesetzgeber prüfen würde, ob die Verwirkungsnormen, die es für den Kindsunterhalt - also der Pflicht von Eltern für ihre Kinder zu zahlen -  längst gibt, ob die nicht auch für den Elternunterhalt gelten sollten. Oder aber ob Modifikationen erforderlich sind, weil der Elternunterhalt zu einem Zeitpunkt gefordert wird, zu dem das familiäre Band zu den Eltern in der Regel seit langem gelöst ist.

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