Erben wird einfacher Neues EU-Recht für den Nachlass

Bisher gab es bei grenzüberschreitenden Erbfällen oft Probleme. Eine neue EU-Verordnung soll das nun einfacher machen. In Zukunft gilt das Wohnsitzprinzip. Nur drei EU-Staaten spielen da nicht mit.

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Künftig ist ausschlaggebend, wo der Betroffene zuletzt gelebt hat. Quelle: dpa

Köln Wo ein letzter Wille ist, ist auch ein Erbe. Dieses sprichwörtliche Erbe war in der EU bislang allerdings eine unsichere Angelegenheit. Zumindest dann, wenn der Betroffene im Ausland lebte oder dort Vermögen besaß. Welches Recht für welchen Teil des Erbes gilt und welche Gerichte zuständig sind, das waren Fragen, die für die Erben den Nachlass zu einem chaotischen Hindernislauf machten. Das soll nun anders werden: Die EU-Justizminister haben eine Verordnung abgesegnet, nach der künftig nur noch Recht und Behörden eines einzigen Landes zuständig sein sollen.

Die Verordnung gilt erst ab 2015, um den Mitgliedstaaten Zeit zu geben, sie als geltendes Recht umzusetzen. "Für deutsche Erben heißt das: Zukünftig wird nicht mehr an die Staatsangehörigkeit angeknüpft, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt", erklärt Alexandra Thein, Abgeordnete der Liberalen im Europäischen Parlament.

Betroffen sind rund 580 000 Erbfälle pro Jahr, schätzt die EU-Kommission. Dabei würden rund 125 Milliarden Euro vererbt. Und die Probleme, die bei den grenzüberschreitenden Nachlässen auftreten, sind nicht unerheblich: "Zum Teil gelten andere Erbquoten, andere Pflichtteilsrechte, der Nachlass wird rechtlich aufgespalten. Das können Sie Erben nur schwer klarmachen", meint die Rechtsexpertin Thein.

Eine Einschätzung, die Anton Bernhard Hilbert bestätigen kann. Der Rechtsanwalt hat sich mit seiner Kanzlei in Waldshut an der Grenze zur Schweiz auf Erbrecht spezialisiert und trifft in der Praxis immer wieder auf problematische Konstellationen: "Nehmen Sie zum Beispiel den Freiburger, der eine Ferienwohnung im Elsass, ein Haus in Freiburg sowie Guthaben auf deutschen und französischen Konten hat. Wenn er stirbt, gilt bislang für das Ferienhaus französisches Recht, für den übrigen Nachlass deutsches Recht."

Die Verordnung der EU soll dies nun vereinfachen: Bei grenzüberschreitenden Erbfällen gilt in Zukunft das Wohnsitzprinzip. Für den gesamten Nachlass ist also das Recht des Landes ausschlaggebend, in dem der Betroffene zuletzt lebte. Zugleich besteht die Möglichkeit, per Testament das Erbrecht des Heimatlandes festzulegen. Neu ist außerdem das europäische Nachlasszeugnis. Mit diesem europäischen Erbschein sollen Erben europaweit belegen können, dass sie die Vermögensnachfolger sind - und sich damit Kosten und Mühen ersparen.


Drei Staaten wehren sich

Allerdings haben sich drei EU-Staaten die Einmischung in innere Erbangelegenheiten verbeten: Dänemark, Irland und Großbritannien werden die Verordnung nicht umsetzen. Vor allem Großbritannien, das im Erbrecht keinen Pflichtteil kennt, wehrte sich gegen die Harmonisierung: "Derzeit lässt sich sogar das deutsche Pflichtteilsrecht umgehen, wenn man in Großbritannien seinen Nachlass regelt", sagt die Europa-Abgeordnete Thein.

Aber auch die neue EU-Erbrechtsverordnung kann für Betroffene Probleme mit sich bringen. Denn wenn der Wohnsitz wechselt, wechselt auch das Recht. Der Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht, Anton Steiner, empfiehlt Betroffenen, sich jetzt schon beraten zu lassen: "Gegebenenfalls sollte per Testament deutsches Erbrecht gewählt werden. Gerade bei Auslandsdeutschen kann die Anwendung des Erbrechts ihrer neuen Wahlheimat unerwünschte Folgen haben."

Ein Beispiel dafür ist das Erbrecht von Kindern und Ehepartnern. Nach deutschem Recht erben sie gemeinsam. In Schweden beispielsweise erbt der Ehegatte möglicherweise allein, obwohl es gemeinsame Kinder gibt.

Dazu kommt, dass die Besteuerung des Nachlasses weiterhin vollständig Sache der einzelnen EU-Länder bleibt. Derzeit erheben 18 von 27 Mitgliedsländern Steuern auf das ererbte Vermögen - nicht nur auf unterschiedliche Weise, sondern auch mit anderen Regelungen für in- und ausländische Erbfälle.

Hier hat die Kommission allerdings bislang nur Empfehlungen ausgesprochen, wie grenzüberschreitende Erbfälle behandelt werden könnten. Verbindliche und vor allem einheitliche Regelungen wird es hier nach Einschätzung von Experten vorerst nicht geben.

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