In den letzten Wochen haben einige Online-Unternehmen unerfreuliche Post von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bekommen. Deren Abteilung Geldwäscheprävention hat Onlinehändler in sechsseitigen Briefen darauf hingewiesen, dass ihr Unternehmen neben dem eigentlichen Handel auch Finanztransfergeschäfte tätige. Und solche Finanzdienstleistungen müssen von der BaFin genehmigt werden. Für Banken ist das ein Standardprocedere: Wer mit Geld handelt, beantragt eben eine entsprechende Lizenz bei der Aufsichtsbehörde.
Die BaFin überprüft laufend beabsichtigte und bereits ausgeübte Geschäftstätigkeiten in Bezug auf die Erlaubnispflicht, heißt es seitens der Aufsichtsbehörde. "Von der Erlaubnispflicht betroffen sein können auch Dienstleister, die Zahlungen für andere abwickeln." Und in diesem Fall greift das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). Dieses ist zwar bereits im Herbst 2009 geändert worden und trifft seitdem eben nicht mehr nur Kreditinstitute, für Online-Dienste ist es dennoch Neuland - und nicht immer leicht umzusetzen.
So hatte die Online-Auktionsplattform Ebay erst Anfang Juni bekanntgegeben, dass das Unternehmen wegen der fehlenden "Banklizenz" die Einführung seiner neuen Zahlungsabwicklung verschieben muss. Geplant war, dass Verkäufer und Kunden die Zahlungen nicht mehr direkt untereinander abwickeln, sondern die Transaktionen nur noch über Ebay laufen. Das war der BaFin zu viel. Wer mit Geld handelt, braucht auch eine Lizenz nach dem ZAG.
Unter das Finanztransfergeschäft können beispielsweise Dienste fallen, bei denen der Dienstleister für Einzelhändler oder Internetshops die anfallenden Lastschriften oder Zahlungen im ELV-Verfahren (elektronisches Lastschriftverfahren, Anm. d. Red) über eigene Sammelkonten bei Kreditinstituten einzieht und die eingezogenen Gelder an den Händler übermittelt. Tatbestandsmäßig sein können auch sog. „Treuhandservices“, bei denen der Anbieter als Dienstleistung zwischen Käufer und Verkäufer (z.B. in Internethandelsportalen), die Kaufpreiszahlung vorab treuhänderisch auf eigenen Sammelkonten entgegennimmt und den Betrag an den Verkäufer weiterleitet, sobald der Käufer die mangelfreie Übergabe der Ware bestätigt.
Bis Ebay die Lizenz erwirkt hat, liegt das neue Zahlungssystem - voraussichtlich bis zum Jahr 2013 - auf Eis. Da die zuständige Finanzabteilung Ebays ihren Sitz in Luxemburg hat und der dortigen Finanzaufsicht Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) unterliegt, wird sich das Unternehmen mit den Behörden in Luxemburg auseinandersetzen. "Wir sind weiterhin der Auffassung, dass für die von uns geplante Zahlungsabwicklung keine Lizenz nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz notwendig ist, akzeptieren jedoch, dass die BaFin eine andere Rechtsauffassung vertritt. Wir werden nun mit der CSSF in Luxemburg daran arbeiten, die notwendige Lizenz zu erwerben", sagt Dirk Weber, Geschäftsführer der eBay GmbH.
Pizzadienst braucht Banklizenz
Es trifft aber nicht nur die Internetgiganten mit eigenen Bezahlsystemen und eigenen Dienstleistern wie Paypal oder "Bill me later". Auch bei Anbietern, bei denen nun wirklich niemand auf die Idee kommt, sie mit einem Kreditinstitut zu verwechseln, greift das ZAG. So hat letztes Jahr das Landgericht Köln entschieden, dass Unternehmen, die Bestellungen entgegennehmen, diese über Bezahldienste abkassieren und die Bestellung samt Zahlung an Lieferanten weiter geben, eine Erlaubnis gemäß dem Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten brauchen. Hat Unternehmen A eine solche Bankenlizenz, Unternehmen B aber nicht, kann die fehlende Lizenz abgemahnt werden - wegen Wettbewerbsverzerrung (Az. 81 O 91/11, 29.9.2011).
Das Kuriose: Im vorliegenden Fall hatte es sich um einen Pizzadienst gehandelt. Und zwar hatte Pizza.de geklagt, weil die Konkurrenz von Lieferheld zwar Online-Zahlungen angeboten hatte, aber nicht über eine entsprechende Lizenz verfügte. Lieferheld-CEO Fabian Siegel bezeichnete die Klage als einen Beweis für “die innovationsfeindliche Haltung von Pizza.de, das es seit Jahren nicht geschafft hat Onlinezahlung anzubieten – etwas was die Kunden immer fordern.”
Im Zweifelsfall droht Ordnungsgeld
Das sahen die Richter anders: Wer eigene Bezahldienste zur Abwicklung von Geschäften mit Lieferanten oder Zwischenhändlern nutzt, tätigt "gewerbsmäßig Zahlungsdienste". Und diese Geschäftspraktik ist hierzulande nicht selten: Nicht nur Amazon und Ebay bieten Produkte anderer Händler auf der eigenen Homepage an und wickeln die Bestellung und Bezahlung ab. Betroffen sind eben auch Dienste wie Lieferheld. Das bestreitet die BaFin auch gar nicht. Letztlich komme es dann wieder auf den Einzelfall an. "Die BaFin unterrichtet die geprüften Unternehmen über das Ergebnis ihrer Untersuchungen", heißt es seitens der Behörde.
Laut dem Urteil der Kölner Richter benötigen aber zunächst einmal alle Unternehmen, die dieses Geschäftsmodell bedienen, eine Lizenz. "Wird in dem Verfahren von der BaFin durch Verwaltungsakt festgestellt, dass die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten nach § 8 Abs. 1 ZAG erlaubnisfrei ist, so kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände beantragt werden." Wer also nicht ausdrücklich von der BaFin erlaubnisfrei gesprochen wird, muss im Zweifelsfall mit der einstweiligen Verfügung oder einer Geldstrafe rechnen.
Der Tod für kleine Unternehmen
Und die Strafe für die Unternehmen, die ohne Banklizenz weiter Geld hin und her schieben, ist nicht zu knapp. "Das Unternehmen muss die Abwicklung von Zahlungen für Bestellungen bei Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro je Einzelfall bei Zuwiderhandlung solange einstellen, bis es gegebenenfalls die entsprechende Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhalten hat", hieß es im Urteil der Kölner Richter.
Für Konzerne wie Amazon und Ebay sind Strafen in Höhe von 250.000 Euro ein Witz, dem kleinen Onlinehändler oder dem Startup brechen solche Summen dagegen das Genick. Selbst wenn das Ordnungsgeld nicht vollstreckt würde, das Einstellen der Geschäfte bis zur Lizenzvergabe reicht. Dass Ebay bis zur Vergabe der Lizenz sein Zahlungsmodell nicht verändern darf, dürfte für das Unternehmen ärgerlich, aber zu verschmerzen sein. Wenn der Pizzadienst keine Pizza mehr verkaufen darf, bis die Lizenz da ist, war es das. Wer bei einem Unternehmen monatelang lang auf die Bearbeitung seiner Bestellung warten muss, bis die Erlaubnis erteilt ist, ist auch bedient und kauft künftig woanders.
Nur ein lizenzierter Dienstleister im Netz
Und die Lizenz zu bekommen, ist gerade für kleine Firmen kein Spaziergang: Die BaFin benötigt die vollständige Dokumentation der vertraglichen Vereinbarungen, die der geplanten Geschäftstätigkeit zugrunde liegen. Die Behörde prüft dann in jedem Einzelfall sowohl die vertraglichen Grundlagen als auch die Abwicklung. Laut Aussagen betroffener Unternehmen müssen IT-Auflagen, meist Sicherheitsrichtlinien, erfüllen werden, es muss regelmäßig Bericht über die Geschäftszahlen und den Vermögensstatus erstattet werden und dass Unternehmen muss eine entsprechende Eigenkapitalquote vorweisen können. Genau wie eine reguläre Bank. "Ein Startup ist damit praktisch tot", sagt die Anwältin Tanja Aschenbeck-Florange gegenüber dem Spiegel. Sie berät Firmen, die von der Problematik betroffen sind.
Bisher kann sich übrigens nur die Heidelberger Payment GmbH (Heidelpay) rühmen, von der BaFin zertifiziert worden zu sein. Heidelpay arbeitet unter anderem mit Portalen wie der Partnerbörse "Friendscout 24" oder den Finanzportalen "OnVista" und "wallstreet online" zusammen.
Am vierten Mai vergangenen Jahres räumte die Aufsichtsbehörde dem Internetbezahldienst Ein- oder Auszahlungsgeschäfte (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 ZAG), Finanztransfergeschäfte (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG), Lastschriftgeschäfte ohne Kreditgewährung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a ZAG), Zahlungskartengeschäfte ohne Kreditgewährung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2c ZAG) und Überweisungsgeschäfte ohne Kreditgewährung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2b ZAG) ein. Somit darf das Unternehmen für den Zahlungsverkehr von Onlinehändlern europaweit Treuhandkonten einrichten.