Fiskus kassiert ab Böse Überraschungen bei der Abgeltungsteuer

Seite 3/4

Steuer-Wirrwarr

Doch der Bundesfinanzhof (BFH) könnte Anlegern jetzt zur Hilfe eilen. Wie Ende Februar bekannt wurde, haben die Richter ein Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz aufgehoben, das sich im Fall Altria auf die Seite des Fiskus geschlagen hatte (I R 117/08). Die rheinland-pfälzischen Richter müssen den Fall jetzt neu aufrollen und prüfen, ob es sich bei dem Spin-off nach US-Recht tatsächlich um eine Gewinnausschüttung handelte. Betroffene sollten mit Verweis auf das BFH-Urteil Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen, wenn die Monatsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Auch zahlreiche andere Anleger könnten von einer Änderung der Rechtsprechung profitieren. Aktuell plant etwa der französische Handelskonzern Carrefour ein Spin-off.

Ärger mit Anleihen

Neben Aktionären haben auch Inhaber von Zinspapieren immer wieder ihre liebe Not mit der Abgeltungsteuer. Großen Ärger gibt es derzeit zum Beispiel mit sogenannten Stückzinsen. Das sind die bis zum Verkaufstag einer Anleihe aufgelaufenen Zinsansprüche, die der Käufer dem Verkäufer erstatten muss.

Zunächst schien klar: Wer Papiere verkauft, die er vor 2009 gekauft hat und die länger als ein Jahr im Depot lagen, kann die kassierten Stückzinsen steuerfrei einstreichen – ebenso wie einen etwaigen Kursgewinn. Das ging jedenfalls aus der Übergangsregelung zur Abgeltungsteuer hervor; Banken zogen deshalb in solchen Fällen keine Abgeltungsteuer ab. Doch Ende vergangenen Jahres schritt der Gesetzgeber ein: Die Stückzinsen seien in solchen Fällen sehr wohl steuerpflichtig, heißt es im Jahressteuergesetz 2010. Nur der Kursgewinn bleibe abgabenfrei. „Angeblich handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, aber meines Erachtens ist das eine unzulässige rückwirkende Änderung“, kritisiert Steuerberater Busch.

Inzwischen sind erste Klagen anhängig. Anleger sollten kassierte Stückzinsen, die ihre Bank nicht besteuert hat, deshalb in der Steuererklärung 2010 angeben – und hinterher Einspruch gegen den Bescheid einlegen. Zur Begründung können sie auf ein Verfahren beim Finanzgericht Münster verweisen (2 K 3644/10). Die Oberfinanzdirektion Münster teilt in einer aktuellen Verfügung an die Finanzämter mit, dass keine Bedenken bestünden, Verfahren in solchen Fällen ruhen zu lassen und den Ausgang des Prozesses abzuwarten.

Für Verkäufe seit Jahresbeginn ist die Änderung durch das Jahressteuergesetz 2010 aber unumstritten. Banken ziehen die Steuer inzwischen wieder ab.

Steuerpflichtige Goldanlagen

Ebenfalls fällig wird sie, wenn Anleger Goldanleihen verkaufen. Dabei hatten die Emittenten solcher Papiere – etwa die Deutsche Börse mit „Xetra Gold“ – Investoren anfangs Steuerfreiheit in Aussicht gestellt. Da die Anleihen mit echtem Gold hinterlegt seien, müssten steuerlich dieselben Regeln gelten wie für Goldbarren, hieß es. Und bei denen sind Verkaufsgewinne auch in der Ära der Abgeltungsteuer steuerfrei, sobald die einjährige Spekulationsfrist abgelaufen ist.

Eigentlich logisch, aber nicht für den Fiskus. Ende 2009 stellte das Bundesfinanzministerium klar, dass auch bei physisch gedeckten Anleihen die Abgeltungsteuer anfällt – unabhängig von der Haltedauer. Dagegen sollen einige Xetra-Gold-Anleger geklagt haben, wie aus dem Umfeld der Börse zu hören ist. Offiziell will das Unternehmen aber nicht Stellung nehmen, weil die Klagen formal eine Privatangelegenheit der Anleger seien.

Betroffene sollten aber in jedem Fall Einspruch einlegen. Sie können sogar bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung die vorläufige Rückzahlung der Abgeltungsteuer beantragen. „Uns sind Fälle bekannt, in denen die Behörden die Abgeltungsteuer erstattet haben, nachdem Privatanleger ihrem Steuerbescheid in diesem Punkt widersprochen haben“, sagt Torsten Baar von der Deutschen Börse. Eine einheitliche Linie der Finanzämter gibt es dabei jedoch nicht.

Noch unklar ist, welche Steuer bei Schweizer Goldfonds wie dem Gold ETF der Zürcher Kantonalbank (ZKB) greift. Dieser wird zwar hierzulande nicht aktiv vertrieben, aber viele Anleger haben ihn über die Börse Zürich gekauft. „Am wahrscheinlichsten ist die Abgeltungsteuer, aber garantiert ist das nicht“, sagt Hugo Stalder von der ZKB. Wenn Anleger Pech haben, könnte der Fiskus den persönlichen Steuersatz von bis zu 44,3 Prozent (ohne Reichen- und Kirchensteuer) fordern. Eine pauschale, gewinnunabhängige Strafsteuer für „intransparente“ Fonds ist dagegen offenbar vom Tisch.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%