Gekaufte Nationalität Wie Reiche mit gekauften Pässen Schwarzgeldfahndern entkommen

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Besteuerung nach Staatsangehörigkeit

Das gilt zum Beispiel für US-Bürger. Denn die USA besteuern nach Staatsangehörigkeit. Wer einen US-Pass hat, muss also eine Steuererklärung in den USA abgeben, ganz egal, wo er lebt. Inwieweit der gefürchtete amerikanische Internal Revenue Service Abgaben berücksichtigt, die US-Amerikaner in der neuen Zweitheimat gezahlt haben, hängt dann vom bilateralen Steuerabkommen ab. Häufig lässt sich eine Doppelbesteuerung vermeiden, aber gerade Topverdiener werden vom US-Fiskus oft noch mal zur Kasse gebeten. Dem können sie sich nur entziehen, wenn sie die Staatsbürgerschaft wechseln. In Deutschland reicht es dagegen, auszuwandern – hier wird nach Wohnsitz besteuert.

Allerdings ist dies nicht in Stein gemeißelt; gerade eine Jamaika-Koalition könnte Steueroptimierer unter Druck setzen. Die Grünen haben bereits 2013 im Bundestag beantragt, die Staatsangehörigkeit zum Kriterium für die unbeschränkte Steuerpflicht zu machen. Dann müssten auch Auswanderer hierzulande zahlen, solange sie Deutsche sind – ähnlich wie in den USA. Im aktuellen Programm findet sich die Forderung zwar nicht, aber die Kampfansage: Es sei nicht hinnehmbar, dass „Superreiche mithilfe von Bankgeheimnis, Steuerdumpingländern und Steuerlücken ihren Beitrag zum Gemeinwohl unterschlagen“.

Selbst wenn sich das Besteuerungsprinzip nicht ändert, könnten vermögende Steuerpflichtige mithilfe eines neuen Passes die Regeln zum automatischen Informationsaustausch (AIA) ins Leere laufen lassen.

Ziel dieses Reformwerks ist das weltweite Aus für das Bankgeheimnis; niemand soll sein Vermögen mehr vor dem heimischen Fiskus verstecken können. Im September haben deshalb bereits 49 Staaten Daten über Konten und Erträge deutscher Bankkunden an den hiesigen Fiskus geliefert (WirtschaftsWoche 42/2017). 2018 kommen rund 50 weitere Staaten hinzu, darunter einstige Schwarzgeldbastionen wie die Schweiz.

Ob das Kalkül der Staaten aufgeht, hängt aber von den Banken im Ausland ab – vor allem davon, wie genau diese ihre Kunden prüfen. Denn wenn ihnen ein Anleger einen anderen Wohnsitz vortäuscht, kommen dessen Daten gar nicht nach Deutschland. „Ich sehe die Gefahr, dass Steuerhinterzieher den Datenstrom umlenken“, sagt Eigenthaler von der Steuer-Gewerkschaft.

Und an dieser Stelle kommen die neuen Pässe ins Spiel. Meldet ein deutscher Kunde einen Wohnsitz in Portugal oder Zypern, könnte sich mancher Banker zu Nachforschungen veranlasst sehen. Schließlich müssen selbst Banken in Finanzzentren wie der Schweiz und Luxemburg strenge „Know Your Customer“-Vorschriften beachten. Wer den Banken aber neben der Meldebescheinigung auch einen Pass des neuen Heimatlands vorlegt, entbindet sie von allen Pflichten. „Ein nicht deutscher Pass ist ein starkes Indiz für einen Wohnsitz außerhalb Deutschlands“, sagt Eigenthaler. „Banken müssen dann nicht weiter nachforschen.“ So könnte der Pass zum entscheidenden Hilfsmittel werden, um Schwarzgeld auch in der AIA-Ära zu verstecken.

Denn wenn der kriminelle Coup gelingt, liefert die Bank Daten in die vermeintliche neue Heimat, also nicht nach Deutschland, sondern etwa nach Malta. Und in vielen der Citizenship-by-Investment-Staaten bleiben Kapitalerträge praktischerweise steuerfrei.

Ein Risiko sieht Eigenthaler nicht nur bei Auswanderern nach Malta und Co., sondern auch bei klassischen Doppelstaatsbürgern. Wer zum Beispiel Deutscher und Türke sei, verfüge längst über einen zweiten Pass, mit dem er im Ausland unter einer türkischen Adresse Konten unterhalten könne. Zusammen mit einer Ferienwohnung vor Ort, die zum Erstwohnsitz deklariert wird, könnte dies zur Hinterziehung genutzt werden.

Bereuen Steuerhinterzieher später ihre Taten oder fürchten aufzufliegen, ist Straffreiheit allerdings immer schwieriger zu erlangen: Die Regeln für Selbstanzeigen wurden verschärft, auch Briefkastenfirmen werden strenger kontrolliert.

Die Superreichen-Beratung Henley & Partners geht davon aus, dass der automatische Informationsaustausch vielerorts die Nachfrage nach Zweitpässen treibt. Aber nicht etwa, um den Fiskus auszutricksen, sondern aus Angst vor Erpressern und anderen Kriminellen: Vor allem unter Reichen in Entwicklungsländern wachse die Sorge, dass von anderen Staaten übermittelte Steuerdaten in ihren Heimatländern in die falschen Hände gerieten und ihre Sicherheit bedrohten. Citizenship by Investment, also der Kauf eines Passes, so Henley & Partners, könne „eine Brücke“ in ein Land sein, in dem diese Steuerdaten besser geschützt sind.

Einige Bewerber haben zudem völlig legale Motive – zum Beispiel visafreies Reisen. So sind in Portugal zwei Drittel der bislang fast 12.000 Antragsteller Chinesen, die mit ihrem Heimatpass nicht frei reisen können.

Doch natürlich greifen auch dubiose Gestalten zu. Portugiesische Staatsanwälte etwa ermitteln seit zwei Jahren im Rahmen der Operation Labyrinth: Bewerber um die Staatsbürgerschaft sollen Beamte und Politiker bestochen haben. Und auf einer Liste der Neu-Zyprioten, die dem britischen „Guardian“ zugespielt wurde, stehen mehrere russische Oligarchen, deren Milliarden aus sehr umstrittenen Quellen stammen.

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