Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland verdienen sich mit einem Zweitjob ein steuerfreies Zubrot zu ihrem Hauptberuf. Ende 2012 besserten knapp 2,66 Millionen Beschäftigte ihr Einkommen mit einem Minijob auf. Das waren rund 59.300 oder 2,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das war jeder Elfte aller 29,14 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Arbeitsmarkt-Expertin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, wertete dies am Montag in der Chemnitzer "Freien Presse" als Hinweis, dass für immer mehr Beschäftigte der Verdienst aus einem Job nicht ausreiche.
Zimmermann ist sich sicher, dass der überwiegende Teil der Zweitjobber dies „aus purer finanzieller Not und nicht freiwillig“ mache. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums betonte indes, dass es keine Erhebung zu dem Thema gebe. Deshalb seien neben finanziellen Engpässen auch andere Gründe vorstellbar, etwa eine „gestiegene Konsumlust“.
Damit setzte sich nach den Ende Juni veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein langjähriger Trend fort: Während die Zahl der Minijobber im Nebenjob beständig steigt, geht die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten zurück. Sie machten dennoch den Großteil der insgesamt rund 7,5 Millionen Minijobs Ende 2012 aus. Damit wurde die bisherige Rekordmarke von Ende 2011 um rund 4500 übertroffen. Der leichte Anstieg bei den Minijobs insgesamt könnte auch mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Ausländer aus den meisten EU-Staaten und den Euro-Krisenstaaten zusammenhängen: Die Zahl der Ausländer mit Minijob lag Ende 2012 um rund 29.700 höher als 2011, während die Zahl der Deutschen um 25.700 gesunken ist.
Warum sich Steuern zahlen für Minijobber lohnt
Bis Ende 2012 lag die Einkommensgrenze für Minijobs bei 400 Euro, seit Jahresanfang beträgt sie 450 Euro. Außerdem ist eine Versicherungspflicht für die gesetzliche Rentenversicherung bei Minijobs hinzugekommen. In der Regel werden diese 450-Euro-Jobs pauschal mit zwei Prozent versteuert, bei einem vollen 450-Euro-Job sind das monatlich neun Euro an Steuern, die normalerweise der Arbeitgeber zahlt. Statt dieses Pauschbetrags können Minijobber ihr Einkommen allerdings auch ganz normal versteuern. In diesem Fall können sie vom Werbungskostenfreibetrag in Höhe von 1000 Euro pro Jahr profitieren, was sich auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung positiv auswirken kann.
Hat beispielsweise in einer Ehe einer der Partner einen Fulltime- und der andere einen Minijob, kann der mit dem 450-Euo-Job kostenlos über den Partner familienversichern. Gibt es neben dem Minijob aber noch zusätzliche Einkünfte - beispielsweise aus Kapitalanlagen oder Miete - kann es sein, dass diese Option entfällt. Wer neben den 450 Euro zusätzliche Einkünfte hat, die den Sparer-Pausch-Betrag (bei Ehepaaren 1602 Euro) übersteigen, muss sich selbst freiwillig kranken- und pflegeversichern. Damit sind gut 150 Euro vom Einkommen aus dem Minijob futsch. Um dem zu entgehen, hilft nur, auf die pauschale Besteuerung von zwei Prozent zu verzichten und regulär Steuern zu zahlen.
Lohnsteuer muss übrigens nur zahlen, wer Steuerklasse V oder VI hat. Bei Steuerklasse V und einem monatlichen Verdienst von 450 Euro fielen pro Monat 46 Euro Lohnsteuer an, die im Regelfall nach der nächsten Steuererklärung rückerstattet werden.
Rentenversicherung für Minijobber
Menschen, die nach dem 1. Januar 2013 einen Minijob annehmen, unterliegen außerdem grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der jeweilige Arbeitgeber zahlt für einen sogenannten geringfügig entlohnten Beschäftigten ebenfalls einen Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung in Höhe von 15 Prozent des Arbeitsentgelts, also 67,50 Euro monatlich. Der allgemeine Beitragssatz zur Rentenversicherung beträgt übrigens 18,9 Prozent. Die Minijobber müssen also, so sie nicht befreit sind, 3,9 Prozent Eigenanteil in die Rentenversicherung einzahlen. Betroffene können sich nämlich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Die Deutsche Rentenversicherung rät davon allerdings ab, da viele Minijobber später kaum Rente bekommen. Gerade Frauen tappen oft in diese Falle. Wenn Minijobber ihren Teil selber zahlen, haben sie Anspruch auf das volle Leistungspaket inklusive Erwerbsminderungsrente und Krankengeld im Falle eines Reha-Aufenthalts, heißt es seitens der Deutschen Rentenversicherung.
SPD, Grüne und Linkspartei fordern in ihren Programmen zur Bundestagswahl übrigens eine Reform, um Missbrauch zu bekämpfen und Minijobber sozial besser abzusichern. So soll nach Plänen der Grünen nur ein Sockelbetrag von 100 Euro für Minijobber abgabenfrei bleiben. Dies ist jedoch heikel, wie die neuen Zahlen zeigen: Der Minijob ist für immer mehr regulär Beschäftigte ein willkommenes Zubrot. Das gilt auch für Männer: Während Minijobs als ausschließliche Beschäftigung eine Domäne der Frauen sind (65,1 Prozent), sind von den Minijobbern im Nebenjob 57,4 Prozent Frauen und 42,6 Prozent Männer.
Die Opposition verbindet daher ihre Reformvorstellungen mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, damit die Beschäftigung in Hauptberuf für ein gesichertes Auskommen reicht. SPD und Grüne veranschlagen den Mindestlohn bei 8,50 Euro, die Linkspartei bei zehn Euro - ansteigend auf zwölf Euro bis zum Jahr 2017. Experten weisen allerdings darauf hin, dass nicht jeder Nebenjob Ausdruck finanzieller Nöte sei.
Bei Gewerkschaftern und Sozialpolitikern stehen Minijobs in der Kritik, weil oft nur geringe Stundenlöhne gezahlt werden und sie zur Verfestigung des Niedriglohnsektors beitrügen. Auch ein Großteil der 1,3 Millionen Hartz-IV-Aufstocker hat einen Minijob: Über 600.000 Hartz-IV-Empfänger beziehen zusätzlich zum Minijob aufstockende Sozialleistungen. BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt hatte im Frühjahr kritisiert, viele davon seien über lange Zeit in einem Minijob gefangen. Wirtschaftspolitiker der Union und die FDP dagegen sehen Minijobs als Einstieg in Beschäftigung und Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg.