Grenzkontrollen Wenn Zöllner Jagd auf Uhrenschmuggler machen

Der Zoll rüstet im Kampf gegen den Schmuggel teurer Uhren auf. Selbst Jahre nach dem Kauf kann die Steuerkeule noch zuschlagen, auch hohe Geldstrafen drohen. Was Uhrenliebhaber auf Reisen beachten sollten.

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Edle Uhren aus der Schweiz stoßen auch in gebrauchtem Zustand auf das Interesse der Zollbehörden Quelle: PR

Neulich an der deutsch-schweizerischen Grenze in Weil am Rhein: Lässig reichte der Autofahrer den Pass aus dem Wagenfenster. „Haben Sie etwas zu verzollen?“ lautete die routinierte Frage. „Nein“, war die prompte Antwort. Vielleicht war die Antwort etwas zu zackig ausgefallen, denn der Mann mit dem mintgrünen Hemd und dem Bundesadler am Ärmel erwiderte: „Bitte rechts ranfahren.“ Der edle Zeitmesser am Handgelenk des Autofahrers war dem deutschen Zollbeamten aufgefallen.

Die kuriosesten Schmuggler-Artikel
Knochen und ausgestopfte TiereEine skurrile Sammlung mit mehr als 80 ausgestopften Körpern, Schädeln und Knochen von meistens streng geschützten Tieren haben Zollfahnder in Düsseldorf sichergestellt. Sie hatten Postpakete aus Indonesien geöffnet, die bei einer Routinekontrolle aufgefallen waren, wie der Zoll in Essen mitteilte. In den Paketen befanden sich das Skelett eines Hornvogels sowie ein Affenarm - die erforderlichen Einfuhrgenehmigungen konnte der Adressat, ein 51-jähriger Mann aus Düsseldorf, nicht vorlegen. Bei der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume fanden die Zollfahnder unter anderem einen Wirbelknochen eines Wales und einen mit einer SS-Mütze dekorierten ausgestopften Turmfalken. Die Ermittlungen dauern an. Quelle: dpa
Medikamente, Uhren, Textilprodukte und Smartphones: Die Angebotspalette der Produktpiraten wächst weiter. Allein 2012 wurden in der Europäischen Union Waren im Wert von einer Milliarde Euro sichergestellt. In Deutschland machten gefälschte Waren 127 Millionen Euro aus. Beschlagnahmt wurden hier 24 000 Fälschungen. Der Vizepräsident der EU-Kommission Antonio Tajani stellte am Dienstag in Köln eine Kampagne gegen Produktpiraterie vor, mit der besonders die Verbraucher mit ins Boot geholt werden sollen. Die EU setzt dabei verstärkt auf Aufklärung über die mit diesen Produkten verbundenen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken. Quelle: dpa
ZigarettenAlleine am Hamburger Hafen haben Zollfahnder 53 Millionen Schmuggelzigaretten sichergestellt - das ist der größte Fund in den vergangenen acht Jahren. Kurios ist dazu noch der Ort, wo sie versteckt waren: hinter einer Tarnladung aus Handtüchern. Quelle: dpa
WaffenIm März hat das Zollkriminalamt bekanntgegeben, dass der Waffenschmuggel aus Deutschland zu nimmt. 1,55 Millionen Schuss Munition seien demnach 2012 sichergestellt wurden - doppelt so viel wie im Vorjahr. Wieder ist der Hauptumschlagplatz der Hamburger Hafen. Außerdem stellte der Zoll 2012 5166 Kriegswaffen und 1,5 Millionen Schuss Munition sicher. Quelle: dpa
DrogenIn Windeln, im Magen oder weniger versteckt im Handgepäck: Was hat man nicht schon alles gehört, wo und wie Drogen am Flughafen oder Hafen geschmuggelt werden können. Erst kürzlich fand ein Obsthändler in Griechenland in einer Fracht Bananen aus Kolumbien 280 Kilogramm Kokain. Der deutsche Zoll beschlagnahmte vergangenes Jahr 29 Tonnen Rauschgift, darunter 401 Kilo Heroin. Quelle: dpa
EisbärenfellVielleicht hat die Zollfahnder schon der große Koffer stutzig gemacht: In einem Trolley fanden sie ein riesiges Eisbärenfell. Gerne wird aus Asien auch Bärengalle mitgebracht - sie soll gegen körperliche Beschwerden helfen. Quelle: dpa
Schildkröten und andere exotische TiereSie werden in Koffern versteckt und häufig in unvorstellbaren Mengen geschmuggelt: In Bangkok wurden vor einigen Jahren 1140 Schildkröten in vier Koffern sichergestellt. In München versuchte ein Australier 36 lebendige Babyschlangen im Handgepäck - einem Stoffbeutel - nach draußen zu bringen - sie wurden als "ungefährlich" eingestuft. Hauptsächlich an den Flughäfen stellte der Zoll 2012 außerdem in 1100 Fällen über 71.000 geschützte Tier- und Pflanzenarten sowie daraus hergestellte Waren sicher. Quelle: dpa

Der Besitzer der Uhr wurde einer ausführlichen Fragerunde unterzogen. „Die habe ich schon lange. War ein Geschenk meiner Frau. Wann das Geschenk war, habe ich vergessen. Rechnung habe ich nicht mehr.“ Wer mit solchen Aussagen glaubt, den deutschen Zoll zu überwinden, hat sich geschnitten. Der deutsche Fiskus schaut an seinen Außengrenzen inzwischen genauer hin und hat auch beim Thema hochwertige Uhren mehr Expertise als so mancher Reisende glaubt. Wem im Verdachtsfall der Nachweis über den Kauf inklusive korrekter Versteuerung nicht sofort gelingt, dessen Uhr wandert in die Asservatenkammer. Im Extremfall lässt der Zoll durch teure Experten die Herkunft der Uhr klären.

„Rückwaren“ nennen sich im Zoll-Jargon die Gegenstände, die bei der Wiedereinreise nach Deutschland immer häufiger zum Problemfall werden.  „Liegt ein strafbares Zollvergehen vor, kann die Verjährungsfrist bis zu zehn Jahre betragen“, sagt Martina von Mesterhazy. Die Koordinatorin Zollberatung der Industrie- und Handelskammer Berlin weist auf die  „empfindlichen“ Strafen hin. „Die Geldstrafen übersteigen die vermeintlich eingesparte Steuer um ein Vielfaches.“ 

Meist ist die vermeintliche Einsparung an Steuern deutlich niedriger – nicht aber die Gefahr des Erwischtwerdens. „Es lohnt nicht wegen ein paar hundert Euro, dieses Risiko auf sich zu nehmen“, sagt Philipp Man. „Die wenigsten wissen, dass der Herkunftsnachweis noch Jahre später verlangt werden kann.“ Man ist Gründer und Vorstandschef von Chronext. Das junge E-Commerce-Unternehmen, liefert seinen Kunden als besondere Dienstleistung einen lückenlosen Herkunftsnachweis für seine angebotenen Luxusuhren gleich mit – bis hin zum Hersteller und unter Rücksichtnahme auf das Datenschutzinteresse der Vorbesitzer. Peinliche Situationen an der Grenze oder am Flughafen kann Man für seine Kunden ausschließen.

Der Zoll und die organisierte Kriminalität

Für alle anderen gilt: Wer teure Waren mit auf Reisen nimmt, sollte auch deren Kaufbelege möglichst dabei haben. Die Uhrenhersteller können zumindest nachvollziehen, welche Händler sie beliefert haben, über diesen ließen sich eventuell verlorene Belege auch noch in Kopie ausstellen. Ohne Kaufnachweis könnte der Zoll sonst zu dem Ergebnis kommen, dass ein Schmuggelversuch vorliegt. Und dann wird es richtig teuer.

Das blieb selbst einigen Prominenten nicht erspart: Karl-Heinz-Rummenigge, Präsident des FC Bayern München, ist im Februar 2013 auf der Rückreise aus Katar bei der Zollkontrolle am Flughafen München mit zwei Rolex-Uhren im Gepäck erwischt worden – ein Geschenk seiner Gastgeber im Gesamtwert von 100.000 Euro. Er musste nicht nur Zoll, Einfuhrumsatz- und Schenkungssteuer (schätzungsweise mehr als 26.000 Euro) für die teuren Mitbringsel zahlen, sondern darüber hinaus einen Geldstrafe von 250.000 Euro, die ihm das Landgericht München aufbrummte. Damit ist Rummenigge offiziell vorbestraft.

Besser bei der (Steuer-)Wahrheit bleiben

Das Argument der Reisenden, sie hätten die Verzollung vergessen, lassen die Zollbehörden nicht gelten. Nicht einmal bei Regierungsmitgliedern, wie dem ehemaligen Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der 2011 einen Teppich in der afghanischen Hauptstadt Kabul erwarb und ihn sich von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes in einer Regierungsmaschine und am Zoll vorbei mitbringen ließ. Dennoch ging Niebel straffrei aus und zahlte die Zollgebühr von 200 Euro für den 1400 Euro teuren Teppich freiwillig nach.

Frau wird mit 70.000 Dollar im Magen festgenommen
Geld in KapselnIn der Dominikanischen Republik hat sich eine Frau mit umgerechnet über 55.000 Euro im Magen an Flughafenbeamten vorbeistehlen wollen. Die 40-Jährige sei jedoch festgenommen worden, sagte der Sprecher der nationalen Drogenkontrollbehörde, Dario Medrano, am Freitag. Demnach war das Geld in jeweils 16 Kapseln im Bauch der Frau versteckt gewesen. Zudem hätten Beamte 69.000 Dollar in bar sichergestellt, die sie in ihrem Koffer verborgen habe. Das Geld stammt den Angaben zufolge vermutlich aus Drogengeschäften. Quelle: dpa
ElfenbeinIn einer als Cashew-Nüsse deklarierten Ladung aus Afrika hat der Zoll in Vietnam knapp 60 Elefantenstoßzähne entdeckt. Die illegale Elfenbein-Ladung wurde am Wochenende am Flughafen in Ho-Chi-Minh-City konfisziert, wie der Zoll am Montag berichtete. Seit Anfang des Jahres seien 300 Kilogramm geschmuggeltes Elfenbein im Wert von fast 650.000 Euro entdeckt worden. Der Elfenbeinhandel ist seit 1989 verboten. Der Schmuggel blüht aber, vor allem in China ist Elfenbein für Schmuck und Ornamente gefragt. Wilderer schlachten in Afrika nach Schätzungen im Jahr mehr als 20.000 Elefanten ab. Quelle: dpa
Die Zoll-Hauptstellen haben ihre Jahresbilanz gezogen. Ergebnis: Wer Drogen oder andere Dinge am Zoll vorbei schmuggeln will, lässt sich einiges einfallen. In Bezug auf Drogen haben die Fahnder festgestellt, dass im vergangenen Jahr mehr synthetische Drogen geschmuggelt wurden. Auf dem Frankfurter Flughafen beispielsweise wurden mit 963 Kilogramm rund 30 Prozent weniger Betäubungsmittel beschlagnahmt, der Anteil von neuen synthetischen Drogen war mit 21 Kilogramm aber doppelt so groß wie im Vorjahr. Geschätzter Schwarzmarktwert der Funde: 22 Millionen Euro. Quelle: dpa
AmphetamineVon der als "Pepp" oder "Speed" bekannten Droge wurden im vergangenen Jahr Deutschlandweit 319 Kilogramm sichergestellt. Im Brett dieses Skateboards waren allein 200 Gramm Amphetamine versteckt - durch den Verkauf hätten sich Preise von bis zu 4000 Euro erzielen lassen. Quelle: dpa
HeroinEin weiteres Beispiel für den Ideenreichtum der Drogendealer: in den Teppich eingewebte Heroin-Schnüre. Mit 128 Kilogramm wurden in 2013 nur knapp 32 Prozent der im Vorjahr sichergestellten Menge aus dem Verkehr gezogen. Quelle: dpa
Zigaretten147 Millionen Zigaretten wurden 2013 vom Zoll beschlagnahmt - verglichen mit rund 80 Milliarden legal verkauften Zigaretten eine eher geringe Menge. Damit hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht viel geändert - 2012 waren es 146 Millionen beschlagnahmte Zigaretten. Zwar wird zunehmend weniger geraucht, die Menge von konsumierten Feinschnitt ist seit den Neunzigern jedoch gestiegen. Auch hier sind Schmuggler kreativ... Quelle: dpa
Wie diese mit Tabak gefüllte Garnrolle zeigt. Quelle: dpa

Nicht-Regierungsmitglieder haben es noch schwerer: Ex-Nationalspieler Michael Ballack versuchte 2006 eine Handtasche im Wert von 2000 Euro auf der Rückreise aus Dubai am Zoll vorbei zu schmuggeln und flog auf. Dafür kassierte er einen Strafbefehl über 70.000 Euro. Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn schlenderte 2011 mit in Dubai gekaufter Garderobe im Wert von 6700 Euro am Zoll vorbei. Als die Zollbeamten des Titans neue Kleider bei der Kontrolle am Zollfrei-Schalter entdeckten, führte Kahn an, er habe die Verzollung schlicht vergessen. Aber auch hier zog das Argument nicht: Das Amtsgericht Landshut wertete das - wie alle Schmuggel-Vergehen – als versuchte Steuerhinterziehung und verdonnerte ihn zunächst zu 350.000 Euro Strafe. Erst nach Einspruch Kahns milderte das Gericht die Strafe auf 125.000 Euro. Zollgebühren und Steuern kamen noch oben drauf. Es dürften die teuersten Kleidungsstücke gewesen sein, die Kahn je getragen hat.

Der Zoll sammelt etwa die Hälfte aller dem Bund zufließenden Steuern ein. Im Jahr 2014 waren das fast 129 Milliarden Euro. Ein großer Posten sind dabei die Einfuhrumsatzsteuern, also die Mehrwertsteuer auf eingeführte Waren. Im Land des Erwerbs werden die später eingeführten Waren dafür meist von der Mehrwertsteuer befreit. Die erhobenen Zölle machten hingegen nur 4,6 Milliarden Euro aus. Diese Einnahmen fließen in den EU-Haushalt.

Schnäppchen-Käufer, die in Dubai, Hongkong oder sonst außerhalb der Europäischen Union einkaufen und die Waren mit in die Heimat nehmen wollen, sollten „dutyfree“ daher nicht mit „einfuhrsteuerfrei“ verwechseln. Die Einfuhrumsatzsteuer entspricht dabei der deutschen Mehrwertsteuer von 19 Prozent und wird auch innerhalb der EU fällig, weil im Land des Erwerbs die Mehrwertsteuer dafür wegfällt. Für Reisende außerhalb der EU wird bei der Rückkehr nach Deutschland zudem eine Zollgebühr fällig, abhängig von der Produktart, der Herkunft und dem Wert der Ware. Wer diese Waren nicht deklariert, kann auch noch Jahre später für den scheinbar cleveren Kauf zur Rechenschaft gezogen werden.

Das gilt auch für Touristen, die sich in den letzten verbliebenen Steuerparadiesen Europas mit Geschmeide, edlen Textilien oder teuren mechanischen Zeitmessern  eindecken. Das romantische Samnaun im schweizerischen Engadin hat sich diesen Status bis heute erhalten können. Lediglich acht Prozent beträgt hier an der Grenze zu Tirol der Mehrwertsteuersatz auf praktisch alle Waren. Das gilt ausdrücklich auch für teure Uhren und so bieten auch Juweliere in dem Hochtal feine Uhren an. Wer also in dem Winterskigebiet den Einkehrschwung zum Shopping nutzt, sollte hinterher an der Grenze schön bei der (Steuer-)Wahrheit bleiben. Martina von Mesterhazy von der IHK Berlin verweist auf einen speziellen Service: „Bei Fragen um die Steuerproblematik berät die IHK ihre Mitglieder – auch wenn sie diese Fragen als Privatpersonen stellen.“

Der Autofahrer in Weil am Rhein konnte die Nachfragen des Zolls übrigens schlüssig beantworten. Er war leitender Angestellter einer Manufaktur aus der sächsischen Uhrenmetropole Glashütte – und trug eine „Dienstuhr“ am Handgelenk.

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