Immobilien „Wer jetzt nicht seine Verträge prüft, kommt zu spät“

Wer jetzt noch den Widerrufsjoker bei seinem Immobiliendarlehen ziehen möchte, muss sich sputen. Ein prominenter Anlegeranwalt erklärt, wie lange Immobilienbesitzer noch teure Altverträge anfechten können.

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Wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen können Immobilienbesitzer teure Altverträge rückabwickeln lassen. Quelle: gms

Düsseldorf Die Zeit für Immobilienbesitzer wird allmählich knapp. In diesem Monat endet die Frist ab, in der sie hochverzinste Immobiliendarlehen, die bis zum Jahre 2010 abgeschlossen wurden wegen fehlerhafter Widerrufsklauseln rückabwickeln lassen können. Anwalt Julius Reiter erklärt, was Bankkunden beachten müssen.

Herr Reiter, der Widerrufsjoker läuft bald aus. Wie lange können Immobilienbesitzer ihre hoch verzinsten Altverträge noch kündigen?
Darlehensnehmer können noch bis zum 21. Juni 2016 ihre Darlehensverträge aus den Jahren 2002 bis 2010 widerrufen. Dabei sollten Verbraucher im Auge behalten, dass die juristische Prüfung der Verträge und der Widerruf selber einige Zeit in Anspruch nimmt, das heißt wer nicht bis Anfang Juni seine Verträge prüfen gelassen hat, kommt zu spät.

Gibt es keine Aussicht auf Verlängerung der Frist?
Nein, eine Verlängerung der Frist ist nicht vorgesehen.

Können sich Kreditnehmer bei widerspenstigen Banken an die Bafin wenden?
Ja, sie können sich dort beschweren. Aber die Bafin bezieht in der Regel keine Stellung.

Im offiziellen Leitbild der Bafin steht: „Die Bafin arbeitet zu Verbraucherthemen zielgerichtet mit den europäischen Aufsichtsbehörden und Verbraucherschutzeinrichtungen zusammen und informiert Verbraucher über grundsätzliche Themen zum kollektiven Verbraucherschutz.“ Warum hält die Aufsicht in so einem wichtigen Falle Stille?
Ich habe den Eindruck, dass die Bafin ihre neue Rolle noch nicht angenommen hat. Obwohl durch das neue Gesetz eines der wichtigsten Schwerter des Verbraucherrechtes, nämlich das Widerrufsrecht, ausgehöhlt wurde, versäumt es die Bafin die Kreditnehmer auf das Auslaufen des Widerrufsjokers hinzuweisen. Das widerspricht ihrem Auftrag, denn die Bundesregierung verordnete der Bafin den kollektiven Verbraucherschutz als zusätzliches Aufsichtsziel und neues Leitbild. Stattdessen finden Sie nicht einmal der Website der Bafin einen Hinweis dass das Widerrufsrecht im Juni für Altverträge ausläuft.

Gibt es bei neueren Verträgen nach dem Jahr 2010 eigentlich auch fehlerhafte Widerrufsbelehrungen?
Ja, auch Verträge, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, enthalten häufig fehlerhafte Widerrufbelehrungen. Das ewige Widerrufsrecht gilt weiterhin für Verträge, die in der Zeit vom 11.06.2010 bis zum 21.03.2016 geschlossen wurde.

Wie häufig machen Banken Fehler?
Bei Darlehensverträgen, die zwischen 2002 und 2010 abgeschlossen wurden, liegt die Fehlerquote bei knapp 80 Prozent. Verträge ab 2010 enthalten deutlich weniger Fehler. Die Fehlerquote liegt da etwa bei 30 Prozent.

Geben Sie uns einige Beispiele: Was machen die Banken falsch?
Oft haben sich die Kreditinstitute nicht an die vom Justizministerium abgesegneten Muster gehalten und eigene Formulierungen eingefügt. Wir haben etwa 250 Fehler gefunden. Ein häufig verwendeter Satz lautet „Die Frist beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrages.“ Kreditnehmern erschließt sich hier nicht der genaue Fristbeginn. Ein anderer Fehler sind hinzugefügte Fußnoten mit dem Hinweis „Frist bitte im Einzelfall prüfen“. Auch hier bleibt der Fristbeginn unsicher. Dazu lässt sich nicht eindeutig bestimmen, an wen sich die Fußnote richtet. An den Darlehensnehmer oder doch an den Finanzberater?

Wann lohnt der Widerrufsjoker bei neuen Verträgen?
In der Regel, wenn der Zinssatz gegenüber dem aktuellen erheblich höher ist, wenn eine Rechtsschutzversicherung das Prozesskostenrisiko übernimmt oder das Darlehen bisher nur geringfügig getilgt wurde.

Wie reagieren die Banken auf den Widerruf neuer Darlehen?
Bei Darlehen ab 2010 reagieren die Banken sehr unterschiedlich. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es sich nicht lohnt, klein beizugeben. Denn es gibt vor verschiedenen Oberlandesgerichten bereits Erfolge.

Herr Reiter, vielen Dank für das Interview.

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