Inkassounternehmen Früher Mafia, heute Partner

Die Inkassobranche hat einen schlechten Ruf. Nun kämpft sie für ein neues Image. Dem Schuldner soll die Angst genommen werden – mit vielseitigen Strategien und ungewöhnlichen Methoden wie einem Hausbesuch.

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Das Klischee eines dubiosen Geldeintreibers, das war einmal. Inkassounternehmen kämpfen mit neuen Methoden gegen ihr schlechtes Image. Quelle: Imago

Frankfurt Eine dunkle Tiefgarage, ein jungen Mann mit schweren Stiefeln erhält Anweisungen per Telefon. „Die Familie hat entschieden“, sagt ein alter Mann mit rauchiger Stimme ins Handy. Der Jüngere ist bereit, seinen Auftrag auszuführen. Die Atmosphäre wirkt bedrohlich, die Szenen ähneln einem schaurigen Mafiafilm.

Mit diesen Klischees eines Geldeintreibers nach Moskau-Art versucht das Inkassobüro Eos, eines der größten in Deutschland, in seinem Imagefilm gegen Vorurteile zu kämpfen: „Entdecke, wie Inkasso wirklich ist.“ Wie das Schuldenmachen an sich ist das Thema Inkasso bei vielen Deutschen verpönt. Der schlechte Ruf erschwert den Büros das Alltagsgeschäft. Deshalb bemühen sich Forderungsmanager, ihr Image zu ändern und so auch Schuldnern die Angst zu nehmen.

Schließlich kann mancher Verbraucher schneller mit einem Inkassobüro zu tun haben als er denkt. Die Schuldenwelt-Studie 2016 des Büros Kruk fand heraus, dass für 67 Prozent aller Europäer unerwartete Extrakosten problematisch sind. Um solche Sonderausgaben zu begleichen, bleiben oftmals andere Rechnungen unbezahlt. Am ehesten verzichten deutsche Verbraucher dann darauf, laufende Kredite zu tilgen. Bereits ein kleiner Zahlungsrückstand veranlasst Unternehmen dazu, ein Inkassounternehmen einzuschalten – für viele Deutsche der erste Kontakt zum Forderungsmanager.

In Deutschland gibt es über 2000 registrierte Inkassounternehmen. Jedoch arbeiten laut dem Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) lediglich 750 Büros aktiv am Markt. Zu den größten Dienstleistern in Deutschland zählen die Otto-Tochter Eos und GFKL Financial Services. Eine Branchenstudie des BDIU fand heraus, dass deutsche Inkassounternehmen knapp 55 Milliarden Euro offene Forderungen halten, von denen sie jährlich etwa fünf Milliarden Euro eintreiben.

Bei einem Großteil der Verbraucher löst das Wort „Inkasso“ eine Abwehrhaltung aus. „Die Schuldner reagieren oft erst einmal damit, den Kopf in den Sand zu stecken, anstatt mit uns zu reden“, sagt Eos-Chef Klaus Engberding. Roman Schlag, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, kennt dieses Verhalten: „Wegducken ist die schlimmste Reaktion. Seine Schulden anzugehen ist eine Mut-Sache.“

Doch diesen Mut haben die Wenigsten, so die flächendeckende Meinung der Branche. Der Gang zum Schuldenberater ist häufig der letzte Ausweg: „Die Beratung wird meist erst zu einem Zeitpunkt angegangen, an dem der Schuldner keinerlei Überblick mehr hat“, sagt Roman Schlag. Eine Schuldenberatung beginnt mit einer Anamnese: Kredite, Zinsen, Fristen und Inkassogebühren müssen geordnet und organisiert werden. „In manchen Fällen muss erst einmal der Ursprungsgläubiger gefunden werden“, so Schlag. „Die Schuldner haben meist nicht anständig Akten geführt.“


Der Faktor Factoring

Nicht nur für den Schuldner sind offene Forderungen ein organisatorischer Albtraum. Der Aufwand rund um das Eintreiben von Schulden schafft auch für Unternehmen deutliche Mehrkosten. Besonders bei kleineren Forderungen ist der Aufwand deutlich höher als letztlich der Gewinn. Für Unternehmen und Banken lohnt es sich daher oft, viele gebündelte Forderungen an ein Inkassobüro zu verkaufen.

Unternehmen können im Allgemeinen auf verschiedene Art und Weise mit offenen Forderungen umgehen. Sie können zum einen die Schulden selbst eintreiben. Allerdings ist der Aufwand meistens groß und vor allem kleinere Firmen haben keine Abteilung, die die offenen Forderungen verwaltet. Eine weitere Option: Das Forderungsmanagement an einen externen Dienstleister übergeben. Der Forderungstitel an sich bleibt dann im Besitz des Unternehmens. Laut einer Eos-Studie arbeiten mittlerweile 45 Prozent aller europäischen Firmen komplett oder teilweise mit einem Inkassobüro zusammen.

Gerade für Banken gibt es hier ein Problem: Finanzinstitute müssen alle notleidenden Kredite – also wenn der Kreditnehmer Raten und Zinsen nicht mehr zahlt – mit 100 Prozent an Eigenkapital unterlegen. „Das sieht nicht nur unschön in der Bilanz aus, sondern schadet auch der Vergabe neuer Kredite“, sagt Ralf Beese, Vertriebsleiter beim Inkassounternehmen Kruk Deutschland.

Aus diesem Grund nutzen Banken und Unternehmen immer mehr das sogenannte Factoring, dem An- und Verkauf von Forderungen. Der Schuldtitel geht in den Besitz eines Inkassounternehmens über und die Bank bekommt sofort Geld für diese Forderung. Das Geld, das der Kunde ursprünglich einem Unternehmen oder einer Bank geschuldet hat, muss er nun an ein Inkassounternehmen zurückzahlen. Der Kreditgeber muss den Schuldner daher über den Verkauf der Forderung unterrichten. Der Vorteil: Die Firma erhält die liquiden Mittel sofort. Der Nachteil: Sie muss für das Factoring eine Gebühr zahlen.

Jedoch hat die Inkasso-Branche in Deutschland einen zweifelhaften Ruf. Laut der Kruk-Schuldenwelt-Studie hatten bereits 14 Prozent der Deutschen Kontakt zu einem Inkassobüro. Lediglich neun Prozent empfanden das als positiv. Roman Schlag betont: „Ein Inkassobüro ist nicht der Feind des Schuldners.“ Man müsse jedoch bedenken, dass man ein Vertreter des Gläubigers sei – und somit kein Vermittler. Seiner Ansicht nach sollten Verbraucher auf einen entsprechenden Brief vorsichtig aber aktiv reagieren.

Seriöse Büros seien bei Einwänden und Fragen hilfsbereit. Wenn sie dagegen unmittelbar mit Mahnbescheiden oder dem Gerichtsvollzieher drohen und nur mit Druck und Angst arbeiten, dann handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um keinen seriösen Dienstleister. Im Markt tummeln sich viele schwarze Schafe. Immer wieder wird über dreiste Maschen berichtet, durch die Betrüger hilflose Verbraucher zu Zahlungen nötigen wollen. Alle Inkassobüros müssen daher registriert sein, sie können im Rechtsdienstleistungsregister kostenfrei nachgeschlagen werden. Gleichwohl: Auch registrierte Inkassounternehmen sind nicht zwangsläufig seriös.


Kruks besondere Strategie

Die Strategien im Kampf gegen schlechtes Image sind vielseitig. Eos versucht es mit Ironie und viralem Marketing: In ihren Webvideos spielt Eos auf bekannte Klischees an und versucht so, über die wirklichen Methoden der Forderungsmanager aufzuklären. Die polnische Inkassogruppe Kruk geht laut Unternehmensbroschüre ebenfalls „neue Wege im Forderungsmanagement“.

Das Unternehmen sieht sich seit Jahren als Marktführer in Zentraleuropa und ist seit 2014 auch im deutschen Markt aktiv. In Polen macht Kruk durch Fernsehwerbung auf sich aufmerksam. Selbst in eine polnische Seifenoper ist das Inkassounternehmen integriert. Nach erfolgreichem Kauf einer Forderung erhält der Schuldner von Kruk einen sogenannten „Welcome-Letter“ und wird freundlich über Forderung, Zinsen und Kosten informiert – ein „partnerschaftlicher Ansatz“, wie es Kruk nennt.

Die Konkurrenz scheint davon unbeeindruckt: „Die Aussage von Kruk ist uns bekannt. Grundsätzlich ist diese Positionierung jedoch kein Alleinstellungsmerkmal in der Branche“, sagt Eos-Chef Engberding. Das Ziel müsse es sein, „dieses Tabu-Thema zum neutralen Gesprächsgegenstand zu machen“.

Die Inkassounternehmen suchen indes auf unterschiedlichen Wegen Kontakt zu den Schuldnern. Neben Kontakt über Telefon, Brief und digitale Kanäle macht Kruk auch Hausbesuche. „Wir haben knapp 300 Mitarbeiter im Außendienst“, sagt Beese. Für Eos spielen Außendienstbesuche dagegen, wie Engberging betont, eine „absolut untergeordnete Rolle“.

Auch Verbraucherschützer sehen Besuche bei den Schuldnern zuhause kritisch: „Hausbesuche sind sehr invasiv und keine sanfte Herangehensweise“, sagt Marion Schmidt von der Verbraucherzentrale Hessen. Zwar geschehen bei Kruk alle Besuche nur auf Kundenwunsch, doch Schmidt rät zur Vorsicht. „Inkassobüros kommen immer in eigener Sache, da ist eine neutrale Beratung nicht möglich.“

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