Für Mohamed Ghanim kam jede Hilfe zu spät. Er starb in den Wirren des zweiten Golfkrieges in dem irakischen Dörfchen Mukaradeeb, als sein Haus von amerikanischen Truppen in Schutt und Asche gelegt wurde. Der wohlhabende Ölmagnat hinterließ keine Erben. Das einzige, was von ihm auf dieser Welt übrig blieb, ist die stolze Summe von 44,5 Millionen Euro, die seitdem auf ihren rechtmäßigen Besitzer wartet.
Und das bin ich. Als ich per Email vom tragischen Schicksal des Ölunternehmers erfahre, melde ich mich natürlich sofort freiwillig. Ein Bankangestellter namens Martin Whang* hat mich kontaktiert. Ob ich vielleicht als Erbe auftreten und das Geld in Empfang nehmen könne? Herr Whang arbeitet nämlich bei einer Bank in Hong Kong, die auf den 44,5 Millionen Euro hockt und nicht weiß, wohin damit. Er selbst könne die Erbschaft nicht antreten (vielleicht der Corporate Governance wegen?), aber gemeinsam ließe sich doch sicher eine Lösung finden.
Fast täglich landen solche Emails in meinem Postfach. Sie zeichnen ein düsteres Bild des Rohstoffgeschäfts: Der Ölunternehmer Robert Noel stirbt bei einem tragischen Autounfall und hinterlässt 8,5 Millionen Pfund. Der Ölbohr-Experte Johnson Creek? Stürzt im Flugzeug ab, mit 9,5 Millionen Dollar auf der Bank. Sein französischer Kollege Jean-Claude Pierre? Sie ahnen es vielleicht schon: Abgestürzt, mit 33,8 Millionen Dollar auf dem Konto.
Was ist die Nigeria-Connection?
Daran, dass Ihnen größere Geldsummen versprochen werden: „Ignorieren Sie alle Details in der Mail und suchen Sie nur nach dem Geldbetrag, um den es angeblich geht“, schreibt der IT-Sicherheitsexperte Frank Ziemann. Bei einer sechs- oder mehrstelligen Summe handele es sich garantiert um eine Mail der Nigeria-Connection.
Meist hilft schon eine kurze Suche bei Google, um verdächtige Nachrichten zweifelsfrei als Betrugsversuch zu identifizieren: Beispielsweise listet das Portal „Hoax-Info“ einschlägige Betreffzeilen auf. Am besten löscht man entsprechende Nachrichten sofort. Antworten sollte man auf gar keinen Fall, weil die Urheber dadurch gegebenenfalls an weitere Daten gelangen könnten.
Zwar hat sich für die Masche mit dem Vorschussbetrug der Name „Nigeria-Connection“ eingebürgert, weil die ersten Betrugsfälle von dort aus abgewickelt wurden - aber längst haben Kriminelle auf der ganzen Welt das Geschäftsmodell für sich entdeckt. Aber: „Noch immer lassen sich viele Angriffe anhand der IP-Adressen nach Nigeria zurückverfolgen“, sagt IT-Experte Ziemann. Weil die Betrüger für ihre Masche nur einen Computer mit Internetanschluss benötigen, sind sie für die Behörden schwer zu fassen und können von fast jedem Ort der Welt agieren.
Wie viele Menschen den Betrügern auf den Leim gehen, lässt sich nur schwer ermitteln. Nigerianische Behörden vermuten, dass etwa ein Prozent aller Empfänger Kontakt mit den Betrügern aufnimmt. Das reicht offenbar, um jede Menge Geld zu verdienen: Die niederländische Firma Ultrascan schätzte den weltweiten finanziellen Schaden durch Email-Betrug im Jahr 2007 (neuere Daten liegen nicht vor) auf 4,3 Milliarden Dollar.
Wer leichtfertig Beträge ins Ausland überweist, hat schnell das Nachsehen: „In keinem bisher bekannten Fall kam es tatsächlich zu einer Übergabe oder Überweisung der Millionen. Alle vorab gezahlten Beträge sind verloren“, schreibt das Bundeskriminalamt. Trotzdem sollte man beim Betrugskommissariat der örtlichen Polizeidienststelle Anzeige erstatten.
All das weiß ich, weil vermeintlich freundliche Anwälte und Bankangestellte mich per Mail kontaktieren. Sie gehören zur „Nigeria-Connection“: Trickbetrüger, die vorwiegend aus Nigeria stammen und naive Internetnutzer mit der immer gleichen Masche um ihr Erspartes bringen möchten. Schon vor Jahren hat die nigerianische Regierung ein Gesetz erlassen, das den 419-Betrug (so heißt der entsprechende Paragraph im nigerianischen Gesetzbuch) unter Strafe stellt.
Die Geschichte verrät viel über die Gier der Menschen
Doch gebracht hat das nichts. Denn täglich tauchen im Netz unerwartet Millionenerbschaften, Lottogewinne oder Fondsvermögen auf, deren rechtmäßige Besitzer verschwunden oder verstorben sind. Um das Geld zu bekommen, wird früher oder später eine Anzahlung fällig: Vermeintlich müssen Konten eröffnet, Richter bestochen oder Grenzer geschmiert werden. Wer den Vorschuss überweist, sieht sein Geld nie wieder. Manche zahlen sogar mehrfach – in der Hoffnung, irgendwann die versprochenen Millionen zu bekommen. Natürlich passiert das nie.
„Wie groß die Schäden wirklich sind, weiß niemand“, sagt Frank Ziemann. Vielen Opfern sei es zu peinlich, nach einem Betrugsfall zur Polizei zu gehen. Der Computerexperte betreibt ein Portal für IT-Sicherheit, auf dem er die Methoden der Nigeria-Connection detailliert beschreibt. Wer Ziemann per Email kontaktieren möchte, muss erst diverse Hürden überwinden, bevor auch nur die Adresse im Klartext angezeigt wird.
Dass er trotzdem mit Geschäftsvorschlägen aus Afrika beglückt wird, ist noch eine vergleichsweise kleine Ironie in einer Geschichte, die viel über die Gier von Menschen verrät. Denn der jahrzehntelange Erfolg der Nigeria-Connection lässt sich nur dadurch erklären, dass Täter und Opfer das große Geld machen wollen.
* Der Name wurde geändert