Jürgen Wessing "Hoeneß hat eine mögliche noch höhere Haftstrafe abgewendet"

Wirtschaftsstrafverteidiger und Professor Jürgen Wessing wartet „auf die erste Steuer-CD aus Samoa“. Warum er Selbstanzeigen immer noch für das einzig Richtige für Steuersünder hält und wie Betroffene kompetente Anwälte für astreine Selbstanzeigen finden können.

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Steuerhinterziehung: Vom Kavaliersdelikt zum Verbrechen
Die schweizer Flagge vor einer Bank Quelle: dpa
Ein Bild vom 11. September 2001 Quelle: REUTERS
Hans Eichel Quelle: REUTERS
Schweizer Käse Quelle: AP
Klaus Zumwinkel Quelle: dpa
Das Logo der UBS Quelle: dapd
Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Uli Hoeneß hat nun – entgegen allen Erwartungen und Spekulation von Beobachtern direkt nach der Urteilsverkündung – alle seine Ämter niedergelegt, er will seine Strafe im Gefängnis unverzüglich absitzen und auch keine Revision einlegen. Warum macht er das?

Wessing: Damit die Staatsanwaltschaft ihrerseits auf eine Revision verzichtet. Das ist ein kluger Schachzug von ihm. Der Bundesgerichtshof (BGH) könnte nämlich das Strafmaß von drei Jahren und sechs Monaten zu niedrig finden und nachlegen. Er hätte also mit der Revision riskiert, statt dreieinhalb Jahren vielleicht doppelt so lange ins Gefängnis zu müssen.

Oder hat er einfach die Nase voll?

Hoeneß hat offensichtlich auch den moralisch richtigen Schritt gemacht und die Konsequenzen seines Verhaltens nach außen vollzogen. Was dafür spricht, dass er auch innerlich hinter seiner Erklärung auf  der Webseite des FC Bayern steht.

Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Dr. Jürgen Wessing im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Ich vermute, er will nicht mehr mit der der Unsicherheit leben, die ein langwieriges Strafverfahren mit sich bringt: die Sorge, dass die Gefängnisstrafe noch höher wird und die Tatsache, dass er dauernd wieder mit seinem größten Fehler seines Lebens – wie er es selbst sagt - konfrontiert wird, das hält kein Mensch längere Zeit aus. Ich habe zu oft erlebt, wie Mandanten darüber plötzlich krank werden – physisch und psychisch. Von Herzinfarkten bis zu Depressionen kommt in solchen Situationen alles vor.

Schwebende Verfahren können also den Menschen schlimmer zusetzen als eine Freiheitsstrafe?

Ja, es fällt wie eine Last von den Menschen ab, wenn sie wieder wissen, wie ihre Zukunft aussieht.

Eine Zukunft auch ohne die honorigen Positionen wie Hoeneß sie innehatte?

Bei Hoeneß war es bislang schon mehr als ungewöhnlich, dass er in seinen Ämtern geblieben war und auch gehalten wurde. Seinen Freunden und Geschäftspartnern hat er es jetzt erspart, dass sie ihn jetzt vor die Tür setzen mussten, nachdem sie so lange zu ihm gehalten haben.

Aber der Fall Hoeneß hat auch gezeigt, dass Selbstanzeigen hochriskant sind. So riskant, dass viele den Weg vielleicht nun nicht mehr selbst gehen wollen?

Ich rate immer noch unbedingt zu Selbstanzeigen – mit kompetenten Beratern. Aber man muss die Selbstanzeige sorgfältiger machen: Man muss  sammeln, sammeln sammeln und sämtliche Papiere von sämtlichen Banken in sämtlichen Ländern zusammentragen.

Und woher weiß man, wer kompetente Berater sind?

Betroffene sollten nicht den Anwalt um die Ecke aufsuchen, sondern einen Steuerstrafanwalt. Und keinesfalls irgendeinen Steuerberater. Oder gar ein befreundeter Finanzbeamter, denn der macht sich dann gleich mit strafbar. Es muss ein ganz spezialisierter Anwalt sein, der auf seiner Homepage „Beratung in Selbstanzeigen“ anbietet.

Das kann jeder schreiben. Kennen Sie eine Liste, auf der ein Betroffener zuverlässig kompetente Adressen findet?

Nein, nirgendwo gibt es so eine Liste. Wer einen Anwalt mit dem Titel 'Fachanwalt für Steuerrecht' oder 'Fachanwalt für Strafrecht' aussucht, hat schon mal bessere Karten. Man kann auch mehrere Anwälte anfragen.

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