Kaufen im Internet Vom anonymen Zahler zum Geldwäscher

Im Internet bezahlen und trotzdem anonym bleiben - das wünschen sich viele Verbraucher. Doch die Bundesregierung stellt sie alle unter Generalverdacht. Die Befürchtung: Geldwäsche.

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Wer beim Einkaufen bar bezahlt, bleibt anonym. Das wünschen sich viele Kunden auch beim Onlineshopping. Quelle: gms

Düsseldorf Wer beim Bäcker ein Brötchen kauft und bar bezahlt, muss dabei eher selten seinen Ausweis vorzeigen. Anders sieht es aus, wenn der Kunde im Internet einkauft. Egal, ob er Gebäck bestellt oder eine Datei herunter lädt, spätestens an der Kasse muss er seine Anonymität ablegen. Und nicht nur das, neben seinem Namen und der Adresse muss der Kunde meist auch seine Bank- oder Kreditkartendaten nennen.

Doch Verbraucher können im Netz auch bezahlen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das geht beispielsweise mit Prepaid-Bezahlkarten von Paysafecard oder Ukash. Diese bekommen Kunden vorwiegend an Tankstellen und am Kiosk. Sie zahlen einen Betrag ein und erhalten dafür einen sogenannten Voucher, einen Belegzettel mit einer Geheimnummer. Diesen Code können sie beim Bezahlen im Netz eingeben, ohne dort zusätzliche Informationen zu ihrer Person zu machen.

Nach Angaben des Prepaid Forums Deutschland (PFD), einer Interessengemeinschaft von 15 Branchenmitgliedern, gibt es deutschlandweit bereits etwa 40.000 Verkaufsstellen für solche Karten. Allein 2010 wurde laut dem Forum damit ein Umsatz von über 500 Millionen Euro erzielt. Paysafecard, nach eigenen Angaben der Marktführer für Prepaid-Zahlungsysteme im Internet, nennt Online-Spiele, digitale Inhalte und virtuelle Güter als Haupteinsatzgebiete für seine Karten. Dazu zählen etwa Hörbücher, Online-Telefonie oder auch Kartenlegen im Internet.

Ginge es nach der Bundesregierung, wäre mit der Anonymität bei diesem so genannten E-Geld jedoch bald Schluss. Die Politiker befürchten, dass das Bezahlsystem für Geldwäsche oder gar Terrorismusfinanzierung missbraucht werden könnte. Am liebsten wäre es ihnen deshalb, wenn die Verkäufer jeden Kunden identifizieren – also seine persönlichen Daten erheben müssten, sobald er auch nur einen Cent auf eine solche Karte lädt. Die Anbieter der Systeme laufen dagegen Sturm: „Damit wäre das Produkt de facto tot“, sagt Hugo Godschalk, Koordinator des Prepaid Forums. „Denn für Kiosk- und Tankstellenbetreiber wäre es zu aufwendig, die Prepaid-Kunden zu identifizieren.“

Und der Nutzen für die Kunden wäre stark geschmälert. „Letztlich würden Kunden dadurch nicht nur beim Kauf der Karten ihre Anonymität verlieren“, sagt Frank-Christian Pauli, Finanzexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Identität des Kunden anhand seiner Prepaid-PIN zurückverfolgt werden könne. Zudem sei es aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich, wenn jeder Kiosk die Kundendaten sammeln dürfte, so Pauli.


Politiker wollen Geldwäsche bekämpfen

Eigentlich sollte der Bundestag schon am 10. November über das neue "Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention" (Drucksache 17/6804) entscheiden. Der Termin wurde verschoben. Aber dank eines Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen, der dem Handelsblatt vorliegt, könnte es bald zu einer Einigung kommen. Der Antrag sieht vor, dass es bei Prepaid-Bezahlkarten bis 100 Euro keine Identifikationspflicht geben soll. Bei wieder aufladbaren Karten soll das Maximum bei 100 Euro pro Monat liegen.

„Die Chancen stehen gut, dass diese Bagatellgrenze als Kompromiss durchgesetzt wird“, sagt Richard Reimer, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Hogan Lovells in Frankfurt und Berater des Bundesverbands der Zahlungsinstitute. Bisher waren die Grenzen deutlich großzügiger: 250 Euro für Prepaid-Karten und jährlich 2500 Euro für wieder aufladbare Karten.

Ganz zufrieden sind die Prepaid-Anbieter mit der 100-Euro-Grenze daher noch nicht, auch weil sie für wieder aufladbare Produkte gelten soll. Dies sind Prepaid-Kreditkarten, die Verbraucher bei Banken oder auch als Geschenkkarten an Tankstellen kaufen können. Optisch sind diese meist kaum von einer herkömmlichen Kreditkarte zu unterscheiden. Doch die zentrale Funktion ihres Vorbilds, nämlich der Kreditrahmen, fehlt ihnen. Nutzer können immer nur so viel mit der Karte bezahlen, wie sie zuvor aufgeladen haben. Ansonsten sind die Abläufe beim Bezahlen jedoch gleich. Überall, wo Kunden mit einer Master- oder Visacard bezahlen können, funktioniert auch die entsprechende Prepaid-Kreditkarte. Auch Geldabheben am Automaten ist möglich. Außerdem kann die Karte immer wieder aufgeladen werden.

Der Haken ist jedoch die geplante 100-Euro-Grenze. „Wer mit seiner Prepaid-Kreditkarte eine Reise buchen will, müsste zunächst über mehrere Monate hinweg jeden Monat 100 Euro auf die Karte laden, damit er das Geld für die Reise zusammenbekommt“, sagt Godschalk. „Eine Grenze von 1200 Euro pro Jahr käme aufs Gleiche raus, wäre aber kundenfreundlicher.“

Generell sei es sinnvoller, wenn die Kunden beim sogenannten Outcashen identifiziert würden, also wenn sie sich das Kartenguthaben wieder auszahlen lassen wollen, fordert Godschalk. Auch dies findet sich im Entwurf des Geldwäschegesetzes. Bis 20 Euro sollen Kunden sich ihr Geld ohne Identifizierung auszahlen lassen können.

Allerdings ist es nicht ratsam, das einmal auf eine Prepaid-Karte gebuchte Guthaben wieder abzuheben. Kunden der Paysafecard müssen dafür beispielsweise eine Gebühr von 7,50 Euro zahlen. An kleine Restbeträge kommt der Kunde deshalb nicht mehr heran - es sei denn er kauft einen neuen Voucher, mit dem er beim nächsten Kauf den fehlenden Betrag ergänzt.

Außerdem wird bei der Paysafecard ab dem 13. Monat eine Bereitstellungsgebühr von monatlich zwei Euro fällig. „Es ist keine gute Entwicklung, dass man Geld zahlen muss, um etwas bezahlen zu können“, sagt Pauli. Über diese Zusatzentgelte gehe auch das Prinzip der Preistransparenz durch Angabe von Endpreisen verloren.


Anonymität hat ihren Preis

Wie bei herkömmlichen Kreditkarten werden auch für Prepaid-Kreditkarten Gebühren fällig. Je nach Anbieter und Leistung schwanken die Jahresgebühren zwischen Null und über 50 Euro. Auch für das Abheben am Geldautomaten und bei Zahlungen außerhalb der Euro-Länder müssen die Kunden extra zahlen.

Datenschutz und Anonymität haben also ihren Preis. Doch neben den kostenpflichtigen Prepaid-Angeboten tummeln sich noch zahlreiche andere Bezahlsysteme am Markt. Zum E-Geld zählt auch die Geldkarte, ein Ersatz für Kleingeld. Dieses System basiert auf den Debit-Karten, die die meisten Bankkunden ohnehin besitzen. Der darauf installierte Chip kann mit Guthaben aufgeladen werden. Das Aufladen verläuft deshalb nicht anonym. Beim Bezahlen, typischerweise am Ticketautomaten im Nahverkehr oder am Zigarettenautomaten, werden jedoch keine Kundendaten übermittelt. Laut Prepaid Forum Deutschland wurde mit der Geldkarte 2010 ein Umsatz von knapp 130 Millionen Euro gemacht.

Online zählen Paypal, Sofortüberweisung, Click and Buy und Giropay zu den bekanntesten Zahlsystemen. „Es gibt mittlerweile verwirrend viele Verfahren“, sagt Pauli vom vzbv. Bei allen Zahlungsmitteln gebe es Gefahren und Risiken. Der Kunde sollte sich deshalb immer genau anschauen, wie die Zahlung funktioniert und an wen er welche Daten herausgibt. Mit einigen Verfahren begibt sich der Kunde auch in eine rechtliche Grauzone, denn laut den Bank-AGB darf er seine Kontozugangsdaten nicht weitergeben. Doch genau dazu wird er bei Verfahren wie beispielweise der Sofortüberweisung aufgefordert.

„Das sicherste Zahlungsinstrument in Deutschland ist immer noch die Lastschrift“, sagt Pauli. Wer sein Bankkonto regelmäßig überwache, könne die Kontodaten herausgeben. „Falls unrechtmäßig Geld abgebucht wird, kann der Bankkunde die Buchung widerrufen“, so der Verbraucherschützer. Rechtlich sei er also auf der sicheren Seite. Unentdeckt gebliebene  unbefugte Buchungen sind erst nach 13 Monaten unwiderruflich. Den Ärger, der dadurch entsteht, nimmt dem Kunden aber niemand ab.

„In Deutschland sind Bargeld und Girokarten noch die Top-Zahlungsmittel“, sagt auch Anwalt Reimer. „Es gibt jedoch ein riesiges Wachstumspotential für innovative Zahlungsmittel, von Prepaid-Karten bis hin zur Elektronischen Geldbörse.“

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