KTG Energie Üble Gerüche

Mit Getöse ging 2016 der Landwirtschaftsriese KTG Agrar pleite. Nun sollen auch die Gläubiger der profitablen Bio-Gas-Tochter KTG Energie leer ausgehen. Im Hintergrund zieht ein Baukonzern die Fäden.

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50 Millionen Euro haben Investoren in Anleihen der KTG Energie gesteckt, viele von ihnen Kleinanleger. Quelle: dpa

Neuruppin Im barocken Innenschiff der Pfarrkirche Neuruppin finden schon lange keine Gottesdienste mehr statt. Der riesige Raum wird manchmal für einen Trödelmarkt genutzt, auf dem so manches wertvolle Stück zu Schleuderpreisen weggeht. Auch am vergangenen Freitag war dort ein öffentlicher Termin. Zum Schrecken der Besucher sollte an diesem Tag ihr eigenes Investment verramscht werden.

„Gläubigerversammlung KTG Energie“ stand an der Kirchentür. Das Biogasunternehmen  hat seinen Sitz eigentlich in Hamburg. So kam den Gästen schon der Ort der Veranstaltung merkwürdig vor. Als die wenigen Besucher dann nach ein paar Stunden merkten, was aus ihrer Geldanlage werden sollte, wich die Überraschung dem Entsetzen. „Ich verstehe hier bloß Bahnhof“, sagte eine ältere Dame. „Aber ich habe den Eindruck, dass wir hier so richtig ausgetrickst werden. Das stinkt doch.“

50 Millionen Euro haben Investoren in Anleihen der KTG Energie gesteckt, viele von ihnen Kleinanleger. Zu 7,25 Prozent Zins. Die Biogastochter der KTG Agrar AG war wertvollster Bestandteil im Reich des schillernden Firmengründers Siegfried Hofreiter. Das galt selbst dann, als der Mutterkonzern Mitte 2016 plötzlich Insolvenz anmeldete. Die KTG Energie mit ihren rund 20  Biogasanlagen-Töchtern kann mit festen Einspeisevergütungen rechnen und erwartet so bis 2032 einen garantierten Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro. Eine sichere Geldanlage, schien es.

Doch nach der Pleite der KTG Agrar brachte sich die  Gustav-Zech-Stiftung aus Liechtenstein als Interessent für die attraktive Biogas-Tochter ins Spiel. Sie steht der Zech-Gruppe aus Bremen nahe, einer Holding, die vor allem in Bau- und Grundstücksgeschäften investiert ist. Zug um Zug schufen die beiden Zech-Gesellschaften immer neue Fakten.

Erster Schritt: Im September 2016 kaufte die Zech-Stiftung von der insolventen KTG Agrar für wenige Millionen Euro jene Ackerflächen, die nahe den Biogasanlagen der KTG Energie lagen. Sie liefern den Raps und den Mais, den die Anlagen zu Gas für Stromerzeugung verarbeiten.


Powerpoint im Altarraum

Gleichzeitig übernahmen die Zech- Stiftung und die Bremer Zechgruppe Aktien der KTG Energie – insgesamt 51 Prozent. Die Papiere waren nach der Insolvenz der Mutter kaum noch etwas wert – die Zechs bekamen die Aktien fast zum Nulltarif. Trotzdem konnten die Zechs als die neuen Mehrheitsgesellschafter Geschäftsführer ihrer Wahl einsetzen. Sie bestimmten Anwälte der Kanzlei Görg – derselben Kanzlei, von der sich die Zech-Gruppe bei der Übernahme hatten beraten lassen.

Innerhalb weniger Tage folgte der nächste Schritt:  Die neuen Chefs meldeten auch für die KTG Energie Insolvenz an. Für die Holding, nicht aber für die rund 20 Tochterunternehmen, die das Biogas produzieren.  Diese sind ja dank der festen Einspeisevergütungen profitabel.  Die Holding, so argumentierten die Anwälte, war durch die Insolvenz der Mutter KTG Agrar selbst so in finanzielle Bedrängnis gekommen, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen konnte: Die Auszahlungen an die Anleihegläubiger und die Zwischenfinanzierung für die Biogas-Töchter.

Die neuen Chefs der KTG Energie beantragten beim Amtsgericht Neuruppin eine Insolvenz in Eigenverwaltung an. Das ist ein Insolvenzverfahren, bei dem die Gesellschafter weiterhin die Geschäfte führen können, unter Kontrolle eines Sachwalters. Bei einer regulären Insolvenz dagegen hat der Insolvenzverwalter das Sagen und kann die alten Geschäftsführer rauskicken.

Nach der Insolvenzanmeldung mussten die Gläubiger einem kräftigen Schuldenschnitt rechnen. Aber sie hatten wohl nicht erwartet, dass sie fast leer ausgehen würden.

Wortreich schilderte Geschäftsführer und Görg-Anwalt Gerrit Hölzle, was seit Beginn der Insolvenz in Eigenverwaltung gelaufen war. Im früheren Altarraum der Pfarrkirche zauberte er Powerpoint-Zahlen an die Wand. Mit jeder neuen Folie schien der Wert der Biogas-Anlagen weiter zu schrumpfen. Am Ende stand die Botschaft, dass die Gasanlagen auf Brandenburgs Feldern außer den Zechs niemand haben wollte. Es klang fast so, als seien die Zechs selbstlose Retter mit einem äußert großzügigen Angebot.

178 Millionen Euro sei die KTG-Energie-Gruppe laut einem Gutachten wert. Ein Bieterverfahren, in dem auch andere Interessenten Angebote abgegeben konnten, hat nach den Ausführungen aber ergeben: Die wenigen Interessenten, die sich überhaupt hatten finden lassen, seien leider abgesprungen oder hätten viel zu wenig geboten.


Großes Misstrauen

Vertreter der Anleihegläubiger sahen das anders. Sie kritisierten, dass vor allem der gehetzte Zeitplan des Bieterverfahrens schuld daran sei, dass andere Gebote so dürftig ausfielen. Kaum länger als von Weihnachten bis Neujahr hatten potenzielle Käufer Zeit, ihre Kaufabsichten zu äußern. Das ausgearbeitete Angebot hätten sie dann bis Ende Januar fertig haben müssen.

„Suboptimal“, sei dieser Zeitplan gewesen, sagte eine mit dem Verfahren vertraute Person. Ein potenzieller Bieter verriet dem Handelsblatt, er hätte schon kurz nach der Insolvenz der Muttergesellschaft KTG Agrar Interesse an dem Biogasgeschäft bekundet. Von dem überstürzten Bieterverfahren allerdings habe er gar keine Kenntnis erlangt. Ein anderer ernsthafter Interessent ist überzeugt, dass sich die Autoren des Insolvenzplans sich beim Vergleich mit anderen Angeboten um viele Millionen Euro zu Gunsten der Zechs verrechnet haben. Die Geschäftsführer bestreiten vehement alle Vorwürfe.

Längst hatten die Zechs bis zum vergangenen Freitag weitere Fakten geschaffen.  Die Zech-Stiftung gewährte der KTG Energie im Rahmen der Insolvenz ein Massedarlehen in Höhe von rund 25 Millionen Euro. Solche Massekredite sorgen dafür, dass ein Unternehmen auch in der Pleite weiter funktionieren kann. Sie müssen voll zurückgezahlt und verzinst werden, vor allen anderen Forderungen. Die Geldgeber sind daher in Gläubigerversammlungen nicht stimmberechtigt. Das Massedarlehen sollte sich im späteren Verlauf der Versammlung als ein geniales Instrument zur Durchsetzung der Zech-Interessen erweisen.

Bald war auf der Gläubigerversammlung klar: Die Anleihegläubiger trauen dem ganzen Verfahren in Eigenverwaltung nicht mehr. „ Auf drei Prozent Quote können wir jetzt auch noch verzichten“, rief ein Anleger ins Mikrofon. „Schlimmer geht es kaum noch.“  Er plädierte für ein neues Regelinsolvenzverfahren. Unter der Regie eines Insolvenzverwalters würde dann das ganze Verfahren nochmal neu aufgerollt. „Wir befinden uns hier in einem Raum von Glaube und Hoffnung“, meldete sich ein weiterer Anleihegläubiger. Auch er wünschte einen verfahrenstechnischen Neuanfang. Die Anleger hätten die folgende Abstimmung über ein neues Regel-Insolvenzverfahren leicht gewinnen können.


Mit allen juristischen Tricks

Hätte nicht die Zech-Gruppe nicht den vielleicht trickreichsten Schritt gewagt. Sei verzichtete auf die Sonderstellung dieses Kredits und erklärte ihr Massedarlehen in ein normales Gläubigerdarlehen. Sollte ihr Plan, das Unternehmen weiterzuführen, keine Zustimmung finden, würde sie es wieder in ein Massedarlehen wandeln. Damit reihte sie sich erst nach Eintritt der Insolvenz in die Reihe der stimmberechtigten Gläubiger ein, um mit ihren 25 Millionen mitstimmen zu können und sicherte sich gleichzeitig einen Notausgang, falls ihr Plan nicht zum Zug kommt.  Ein solches Vorgehen ist rechtlich hoch umstritten.

Am Firmensitz Hamburg wären die erfahrenen Richter vielleicht strenger gewesen. Doch das kleine Amtsgericht Neuruppin winkte unter der Kirchenkuppel die wundersame Darlehensverwandlung durch. Ab sofort konnten die Zechs in der Gläubigerversammlung ganz neue Mehrheiten herbeiführen.

Das nutzten sie sofort bei der Abstimmung zum Verfahren. Die anwesenden Anleihegläubiger stimmten fast geschlossen für einen Neuanfang. Durchsetzen konnten sie sich trotzdem nicht. Die Zechs überstimmten die Anleger knapp, es bleibt bei der Insolvenz in Eigenregie.

Mehrheitlich stimmten die Anleihegläubiger in einer zweiten Runde auch gegen den Insolvenzplan der Görgs. Auch hier wurden sie überstimmt. Die Entscheidung liegt nun beim Amtsgericht. Kommt die Richterin in Neuruppin zu dem Schluss, dass es keine besseren Alternative für die große Gruppe der Anleihegläubiger gibt, kann sie deren Nein ignorieren. Bis zum kommenden Freitag hat sich das Gericht Zeit genommen, um alle Zahlen nachzurechnen.  Den Gläubigern bleibt noch ein Fünkchen Glaube und Hoffnung.

Die Zech-Gruppe und die Stiftung aber sind nur noch einen Schritt und einen Gerichts-Beschluss von ihrem Ziel entfernt, die KTG fortzuführen. Frei von allen Anleiheschulden.

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