Der Sparer kann dann weiter einzahlen.
Richtig. Er kann sich nach der Zuteilung dafür entscheiden, auf die Annahme des Kredits zu verzichten und seinen Vertrag fortzusetzen. Solange der Bausparer den Vertrag fortsetzt, kann also von einem vollständigen Empfang des Darlehens durch die Bausparkasse nicht die Rede sein.
Also wurde Bausparern zu Unrecht gekündigt, wenn sie ihren Vertrag noch nicht bis zur Obergrenze bespart haben, sie aber seit zehn Jahren Anspruch auf das Darlehen gehabt hätten?
Das sind genau die betroffenen Verträge, von denen sich die Bausparkassen aus wirtschaftlichen Gründen trennen wollen. Dabei haben sie selbst die Möglichkeit der langfristigen Fortsetzung der Verträge vorgesehen und bewusst auf ein Kündigungsrecht verzichtet.
Die Bausparkassen haben die Dauer und Höhe der angebotenen Tarife selbst kalkuliert und angeboten. Sie haben ihren Kunden die Bedingungen einseitig gestellt. Wenn diese sich jetzt auf die ihnen vertraglich eingeräumte Freiheit berufen, die Zuteilung nicht anzunehmen und stattdessen die Verträge weiter besparen zu können, müssen die Bausparkassen das hinnehmen.
Das Wichtigste im Streit um Bausparverträge
In den 90er Jahren war das Zinsniveau deutlich höher. Für die Ansparzeit im Bausparvertrag zahlten die Institute mittlere einstellige Prozente, was damals wenig war. Nachdem das allgemeine Zinsniveau im Zuge der Finanzkrise immer weiter absackte, wurden die damals günstigen Verträge mehr und mehr zur Belastung für die Bausparkassen. Zumal einige Sparer das vorgesehene Darlehen überhaupt nicht nutzen.
Das System Bausparen funktioniert so, dass immer eine gewisse Kundenmenge spart, während andere von dem Geld Kredite zu günstigen Zinsen bekommt und diese Zinsen wieder im gemeinsamen Topf landen. Die Darlehen sind ab einer bestimmten gesparten Summe „zuteilungsreif“, können also in Anspruch genommen werden. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus krankt das System aber an zwei Enden. Zum einen nutzen einige Sparer die Altverträge wegen ihrer im Vergleich zu anderen Anlageformen derzeit höheren Zinsen als Geldanlage. Zum anderen wurden die früher so günstigen Darlehen wegen der andernorts ebenfalls günstigen Kredite nicht mehr genutzt.
Die Bausparkassen berufen sich auf einen Paragraf im Bürgerlichen Gesetzbuch, der eigentlich zum Schutze der Verbraucher installiert wurde (§ 489 Absatz 1 Nr. 2). Er räumt dem Darlehensnehmer ein Kündigungsrecht ein. Nun ist die entscheidende Frage, ob die Bausparkassen überhaupt als Darlehensnehmer angesehen werden können. Ihr Argument: Sie bekommen gewissermaßen von den Sparern Geld geliehen. Unter Juristen ist das allerdings umstritten.
erichten zufolge haben die Institute insgesamt etwa 200.000 Altverträge gekündigt. Dabei geht es vor allem um Verträge, die schon zehn Jahre „zuteilungsreif“ sind und nicht genutzt werden, wo also das zinsgünstige Darlehen nicht in Anspruch genommen wird. Die Verträge seien im Schnitt 22 Jahre alt, heißt es beim Verband der Privaten Bausparkassen. Bislang kam es zu 970 Klagen. Dem Verband zufolge sind 141 zu Gunsten der Bausparkassen entschieden worden, 14 mal hätten Gerichte das anders gesehen. Allerdings legen die Institute auch schon Geld für die Prozesse zurück: Zumindest für laufende Verfahren dürften die Bausparkassen bereits Rückstellungen bilden, heißt es in der Branche.
Die halten die Rechtsprechung bislang für nicht eindeutig, da man sich in vielen Fällen auch auf einen Vergleich geeinigt habe. Das bestätigen auch Gerichte. Bei der Bausparkasse Bremen heißt es, derzeit werde die Rechtsprechung der vergangenen Monate im Hinblick auf ein zu erwartendes höchstrichterliches Urteil geprüft. Ziel sei es, eine klare Rechtslage zu schaffen.
Die ersten aussagekräftigen Urteile vor Oberlandesgerichten stehen nun an. Das Oberlandesgericht Hamm hat Ende Dezember 2015 eine Kündigung als rechtmäßig bewertet - aber die Berufung nicht zugelassen und damit den weiteren Rechtsweg in diesem Fall versperrt. Ein weiteres Urteil ist vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Ende März geplant. Das alles entscheidende Urteil dürfte erst irgendwann vor dem Bundesgerichtshof fallen - und damit wird erst 2017 gerechnet.
Sie dürfen den Vertrag also nicht einseitig kündigen. Zumal viele Bausparkasse explizit mit den attraktiven Sparzinsen der Bausparverträge geworben haben.
Wenn ein Vertragspartner solch einen langfristigen Vertrag mit fester Verzinsung anbietet, ist er nach den Grundsätzen des Gesetzes auch daran gebunden und muss die damit verbundenen Risiken tragen.
Mancher Experte macht an diesem Punkt gerne auf das Genossenschaftsprinzip aufmerksam: Ein Kunde gibt Spareinlagen, damit für den anderen ein Kreditvolumen bereit steht. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld hätten die Kassen aber keine Möglichkeit mehr, alte hochverzinste Verträge mit den Einnahmen aus Krediten zu decken.
Die Bausparkassen meinen allen Ernstes, ihre Sparergemeinschaft angesichts der aktuell niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt schützen zu müssen. Dabei übersehen sie doch geflissentlich, dass sie mit der Verzinsung der Guthaben ihrer Bausparer über mehr als zwei Jahrzehnte sehr deutlich unter den Kapitalmarktzinsen geblieben sind. Das hat die Gemeinschaft der Bausparer aber sehr gerne hingenommen. Und die Kassen hatten in diesem langen Zeitraum mehrfach die Möglichkeit, die angesparten Gelder zu verleihen. Mit entsprechenden Ertragszinsen und dem Zinseszinseffekt dürfte sich das von den Bausparern in die Gemeinschaft eingebrachte Kapital seither mehrfach vervielfältigt haben.