Musterverfahren Tag-X im Telekom-Prozess

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Bis zu 90 Millionen Euro Schadensersatz

„Wäre in dem Verfahren nicht auch der Staat involviert, hätte man sich längst durch Vergleich geeinigt“, schätzt Anwalt Tilp Quelle: dpa

Andererseits geht es um einen Vorwurf, der erst am 29. November 2011 per Erweiterungsbeschluss Gegenstand des Verfahrens wurde und der eine noch größere Tragweite hat: Zwar sind sämtliche Erlöse aus der Aktienplatzierung DT3 an den Bund geflossen, da es dessen Aktien waren, die an die Börse kamen. Zugleich aber übernahm die Telekom auch sämtliche mit diesen Aktien verbundenen Risiken, ohne dafür eine Ausgleichszahlung vom Staat zu erhalten. Diese „globale Übernahme“ der Prospekthaftung durch die Deutsche Telekom ist selbst Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen dem Konzern und dem Bund sowie der KfW, der derzeit vor dem Oberlandesgericht Köln verhandelt wird. Ende Mai hatte der Bundesgerichtshof (BGH) dazu entschieden, dass diese Übernahme des Haftungsrisikos ohne Kompensation durch Bund oder KfW ein klarer Verstoß gegen das Aktiengesetz war „Unserer Auffassung nach waren diese Risiken 13 Milliarden Euro schwer, insbesondere aufgrund der Haftungsrisiken in den USA“, sagt Tilps Anwaltskollege Peter Gundermann. „Dieses Risiko hat die Telekom den Zeichnern der dritten Aktientranche verschwiegen.“

Sollte morgen der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Frankfurt der Argumentation der Kläger folgen, könnte es – vermutlich zu einem späteren Verkündungstermin – feststellen, dass der Börsenprospekt zu DT3 falsch war. Der BGH müsste dieses Urteil vermutlich noch bestätigen. Aber dann stünde fest, dass die 17.000 klagenden Telekom-Aktionäre irgendwann Geld zurück bekämen.

Insgesamt geht es um ein Schadenersatzvolumen von 80 bis 90 Millionen Euro. „In der heutigen Zeit täte ein solcher Betrag der Telekom nicht weh, zumal sie auch den Bund in Regress nehmen könnte“, sagt Tilp. „Wäre in dem Verfahren nicht auch der Staat involviert, hätte man sich längst durch Vergleich geeinigt“, schätzt er. Nach Ansicht des Tübinger Anwalts hat das Verfahren auch weniger eine wirtschaftliche, denn eine politische und juristische Dimension. Das Musterverfahren bekommt erstmals Praxisrelevanz – und dann gleich für die Rekordzahl von 17.000 Klägern in einem Zivilprozess.

Morgen um 10 Uhr startet also das Showdown im Gerichtsgebäude D auf der Frankfurter Zeil im Musterverfahren statt - mehr als sieben Jahre nach der ersten Verhandlung. Und noch immer warten hunderte Klagen von Aktionären der ersten beiden Börsengänge der Deutschen Telekom auf ein Gerichtsurteil.

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