Mythos und Wahrheit Was Versicherer von ihren Kunden denken

Die Kunden wollen im Mittelpunkt stehen und gut behandelt werden. Vielen Versicherungen gelingt das jedoch nicht. Sie denken zu sehr an sich selbst, ergab eine Befragung von 2500 Versicherten. Die fünf größten Irrtümer.

Frühnebel, Dunkelheit und Frost - nicht nur für Autofahrer werden die kommenden Monate gefährlich. Für die Versicherer heißt es sogar auf Jahre hinaus: "Augen auf" und "Licht an"! Damit sie die Kunden und ihre Bedürfnisse besser erkennen! Sonst sieht es bald ganz düster aus. Quelle: dpa
Versicherer verlieren Kunden aus den AugenKein gutes Umfeld für Versicherungsgeschäfte sehen die Berater: Die Beitragseinnahmen der Versicherungsgesellschaften stagnierten oder gingen sogar zurück. Der Wettbewerbsdruck in allen Sparten steige. Und die Regulierungsdichte wachse: Deutschlands Versicherer bewegten sich aktuell in einem schwierigen Marktumfeld und müssten - auch mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung der Branche - einen weitreichenden Umbau ihrer Geschäftsmodelle bewältigen. "Angesichts dieser Herausforderungen laufen viele Anbieter Gefahr, ihr wichtigstes Kapital aus den Augen zu verlieren: ihre Kunden", stellen die Berater fest. In der Folge steige die Unzufriedenheit und Wechselbereitschaft bei den Kunden, wie die aktuelle Bain-Befragung von mehr als 2.500 Kunden aller großen deutschen Versicherer belege. Quelle: Handelsblatt Online
Wie die Berater zufriedene Kunden erkennenBain & Company misst die Kundenzufriedenheit seit mehr als zehn Jahren mit dem Net Promoter® Score (NPS). Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: „Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Versicherung einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Die Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Dabei habe sich gezeigt, dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich begeisterte Kunden stehen („Promotoren“), sieben und acht eher „passiv Zufriedene“ sind und Bewertungen von sechs oder weniger als „Kritiker“ eingestuft werden müssen. Minuswerte bedeuten, dass es weit mehr Kritiker als Anhänger gibt. Ein hoher NPS-Wert, insbesondere im Vergleich zum Wettbewerb, besitzt eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Quelle: Handelsblatt Online
Versicherte auf dem SprungDeutschlands Versicherern droht eine Abstimmung mit den Füßen, glauben die Bain-Berater aufgrund ihrer Befragungsmethode. 70 Prozent der Kritiker seien wechselwillig, und auch bei den neutral Eingestellten könne sich jeder Dritte einen Wechsel seiner bisherigen Versicherung vorstellen. Zwar befänden sich damit Millionen Versicherte der Bain-Umfrage zufolge auf dem Sprung. Doch noch hätten die Versicherer Zeit zu reagieren. Denn bislang suche nur eine Minderheit der Wechselwilligen aktiv nach alternativen Angeboten; die Mehrzahl würde erst handeln, wenn ein solches vorläge. Quelle: Handelsblatt Online
Aktiengesellschaften sind schlecht angesehenDie Unzufriedenheit der Kunden betrifft Vertreter aller Unternehmensgruppen. Allerdings differenzieren die Bundesbürger zwischen den einzelnen Anbietern und treffen keine Pauschalurteile. Bei einer Betrachtung der durchschnittlichen NPS-Werte für die großen Aktiengesellschaften, Versicherungsvereine, öffentliche Versicherer und Direktversicherer komme es daher zu erheblichen Unterschieden, so die Berater. "Das Nachsehen haben die großen Aktiengesellschaften." Dazu zählen die Branchengrößen Allianz, Munich Re mit der Ergo sowie Talanx. Quelle: Handelsblatt Online
Loyalität fördert EmpfehlungsbereitschaftBesonders loyale Kunden bleiben ihrem Anbieter länger treu als Kritiker oder neutral Eingestellte: Im Durchschnitt liegt die Vertragslaufzeit mit 9,4 Jahren rund eineinhalb Jahre bzw. 22 Prozent höher als bei anderen Kunden. Solche Kunden agieren zudem freiwillig als Markenbotschafter. Sie empfehlen ihre Versicherung im Durchschnitt 1,7-mal pro Jahr einem Freund oder Kollegen. Alle anderen können sich nicht durchringen, jemandem auch nur einmal pro Jahr zu einem Wechsel zu ihrem Anbieter zu raten. Besonders ausgeprägt ist die Empfehlungsbereitschaft bei den oftmals stark in einer Region verwurzelten öffentlichen Versicherern: Hier raten besonders loyale Kunden durchschnittlich sogar mehr als 2,1-mal pro Jahr einem Wechselwilligen zu. Generell steigt die Bereitschaft zur Weiterempfehlung, wenn Kunden mehrere Produkte eines Anbieters nutzen. Quelle: Handelsblatt Online
Begeisterung steigert den AbsatzBegeisterte Kunden bringen fast doppelt so hohe Prämieneinnahmen, stellen die Berater fest. Der Wert einer Empfehlung lasse sich nur schwer beziffern. Anders sehe dies beim Erwerb einer größeren Zahl von Produkten und längeren Vertragslaufzeiten aus. Diese beiden Faktoren führten dazu, dass die kumulierten Prämieneinnahmen eines loyalen Kunden mehr als doppelt so hoch liegen wie die eines Kritikers. Schon wenn es gelinge, einen Kritiker zu einem neutral eingestellten Kunden zu machen, steige die kumulierte Prämie um 42 Prozent. Quelle: Handelsblatt Online
Fairness ist wichtiger als der PreisDer Preis ist nur einer von fünf Loyalitätstreibern, so die Berater. Ein günstiger Preis sei nur der drittwichtigste Loyalitätstreiber. Allerdings gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sparten. Bei leicht vergleichbaren Produkten wie einer Kfz- oder Hausratpolice, die zudem jährlich kündbar sind, sei der Preis durchaus entscheidend. Bei komplexeren Produkten wie Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen spiele die Prämienhöhe dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Hier dominierten Faktoren wie Fairness und individuelle Betreuung. Quelle: Handelsblatt Online
Lieber Geld als SachleistungenSach- statt Geldleistungen zur Prämienersparnis haben nur in der Autoversicherung eine gewisse Bedeutung. Ein All-Inclusive-Service werde – wenn überhaupt – nur in der Unfall- und Haftpflichtsparte geschätzt. "Ansonsten sind transparente, modulare und individualisierbare Produkte für die Bundesbürger erheblich wichtiger als Innovationen", ergab die Umfrage. Bei der Tarifgestaltung stellen die Berater "neue, innovative Wege" fest. So verfolgten die Versicherer in verschiedenen Kundensegmenten unterschiedliche Preisstrategien für die gleichen Produkte. Zwar lasse sich so die Profitabilität von einfachen Produkten erhöhen, doch die Anbieter müssten darauf achten, mit einer solchen Strategie nicht die Loyalität von Bestandskunden zu schmälern. Denn diese achteten insbesondere auf die Fairness ihres Anbieters - "und ein Kriterium für Fairness ist eine ehrliche und transparente Preispolitik." Quelle: Handelsblatt Online
Rückbesinnung auf alte TugendenAnstatt sich nachhaltig und spürbar auf die echten Kundenbedürfnisse zu konzentrieren, kurbelten viele Versicherer mit Sonderaktionen für Neukunden ihr Geschäft an und reduzierten Kosten auch in servicenahen Bereichen. "Anonyme, automatisierte Prozesse und wechselnde Ansprechpartner lockern aber das Band zwischen Versicherten und Anbietern und erhöhen die Wechselbereitschaft", warnen die Berater. Die Unternehmen sollten sich daher auf alte Tugenden besinnen und konsequent die Kundenbeziehung stärken. Dies gelte umso stärker, als die Digitalisierung die Transparenz und Vergleichbarkeit weiter erhöhten und den Versicherungswechsel vereinfachten. Quelle: Handelsblatt Online
Internet bringt neue SpielregelnDer Vormarsch des Internets gehe weiter, glauben die Berater. Aber die Kunden wünschten sich keine anonyme Beziehung zum Versicherer. Die persönliche Betreuung bleibe ein Schlüssel für eine nachhaltige Bindung. Dies belegten die Antworten auf die Frage, wie sich die Bundesbürger künftig beraten lassen wollen. Zwei Begriffspaare dominierten: Auf der einen Seite „Internet“ und „online“, auf der anderen Seite „persönlich“ und „Berater“. Das muss kein Widerspruch sein: Viele Bundesbürger sähen neben dem Internet auch E-Mails, Video- oder Online-Chats als wichtige Kanäle, um sich künftig zu informieren und Verträge abzuschließen. Der persönliche Kundenbetreuer müsse lernen, die Möglichkeiten des Internets für seine Arbeit einzusetzen. Quelle: dpa
Zu wenig KontakteDie Kunden wissen oft die Leistung ihres Hauptversicherers zu schätzen. Doch die Bain-Analyse offenbart auch Defizite. Viele Unternehmen ließen den Kontakt nach einem erfolgreichen Abschluss schleifen; zudem gelinge es häufig nicht, die echten Bedürfnisse ihrer Kunden zu erkennen und zu erfüllen. Das Angebot und die echten Bedürfnisse klafften oftmals zu weit auseinander. Bis heute sei es noch immer die Ausnahme, dass ein Kunde zumindest einmal pro Jahr von seinem Vermittler kontaktiert wird. Quelle: Handelsblatt Online
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